Vegane Ernährung für Kinder

Vegane Ernährung für Kinder

21.08.2019

Kindheit und Jugend sind sensible Lebenszeiten, in denen die Versorgung mit lebensnotwendigen Nährstoffen eine besonders wichtige Rolle spielt. Durch das Wachstum ist der Nährstoffbedarf erhöht und Ernährungsfehler können sich schnell in Form von Entwicklungsstörungen bemerkbar machen. Dies gilt für jede Art von Ernährung - egal ob Mischkost, vegetarisch oder vegan. Aufgabe der Ernährung ist es in diesen Lebensjahren, eine gute körperliche und geistige Entwicklung zu fördern und gleichzeitig dazu beizutragen, ernährungsabhängigen Krankheiten vorzubeugen.

Geeignet in jeder Lebensphase

Eine gut geplante vegane Ernährung kann auch für Kinder gesund sein - das bestätigen nicht nur renommierte Fachgesellschaften, sondern beweisen auch viele sich ausgezeichnet entwickelnde Kinder mit vorbildlichen Blutbildern. Gut geplant bedeutet, bewusst auf eine ausreichende Energie- und Proteinzufuhr, eine abwechslungsreiche, vollwertige Lebensmittelzusammenstellung sowie die Versorgung mit allen essentiellen Nährstoffen zu achten. Können die Nährstoffe nicht über die Lebensmittel abgedeckt werden, müssen sie ergänzt werden.

Die Broschüre „Vegane Ernährung für Kinder, Schwangere und Stillende“ geht ausführlich auf die verschiedenen Lebensabschnitte ein und erklärt, worauf in diesen sensiblen Phasen besonders geachtet werde sollte.

Sie kann ganz einfach heruntergeladen werden oder gratis bestellt werden unter: https://www.vegan.at/kinderbroschuere.

Außerdem gibt die Liste „Nahrungsergänzungsmittel für Kinder“ einen detaillierten Überblick über geeignete Supplemente und die richtige Dosierung.

Was sagen die Fachgesellschaften?

Das Statement der Academy of Nutrition and Dietetics, amerikanisches Pendant der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und weltweit größte Fachgesellschaft für Ernährung, ist eindeutig: Eine gut geplante Ernährung sei für jede Lebensphase geeignet, einschließlich Schwangerschaft, Stillzeit, Kindheit und Jugend. Ähnlicher Meinung sind auch Fachgesellschaften in anderen Regionen der Welt wie Kanada, England, Skandinavien oder auch Portugal. Demgegenüber stehen die Vorbehalte der Nationalen Ernährungskommission in Österreich sowie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Sie befürchten mögliche Ernährungsdefizite hinsichtlich bestimmter Nährstoffe wie Vitamin B12. Unbeachtet bleibt, dass auch allesessende Kleinkinder häufig nicht ideal ernährt sind. Laut österreichischem Expertendossier zur Kleinkind-Ernährung zählen Eiweiß, Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, Zucker, Eisen, Folsäure, Vitamin D und Natrium zu den kritischen Nährstoffen omnivorer Kinder. Darüber hinaus werden Vitamin D und Jod (in Form von Kochsalz) in der Regel supplementiert.

Das Ernährungskomitee der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) hat sich in ihrem Positionspapier aus dem Jahr 2019 hingegen gemäßigter gegenüber einer vegetarischen und veganen Ernährung bei Kindern geäußert. Wird eine vegane Ernährung in der Kindheit, Schwangerschaft oder Stillzeit ausgewogen und gut informiert umgesetzt, wird sie nicht mehr als schädlich eingestuft. Weitaus fortschrittlicher äußern sich, wie bereits erwähnt, einige Stellungnahme internationaler Fachgesellschaften. Näheres zu den entsprechenden Positionen kann in unserem Artikel "Vegane Ernährung in Kindheit und Jugend - Stimmen internationaler Fachorganisationen" nachgelesen werden.

Was sind die Gründe für die Skepsis im deutschen Sprachraum?

Studien zu veganer Kinderernährung gab es in der Vergangenheit nicht viele. Insbesondere aktuelle wissenschaftliche Literatur fehlt. Die DGE hat sich lange Zeit in ihrer Stellungnahme hauptsächlich auf 25 Jahre alte Untersuchungen von makrobiotisch ernährten Kindern berufen. Sie waren leichter und weniger gut entwickelt als die fleischessenden Kinder. Makrobiotik ist jedoch keinesfalls gleichzusetzen mit veganer Ernährung: Sie besteht großteils aus Getreide, viele Gemüse- und Obstsorten fallen weg, insbesondere in roher Form, fettreiche und damit energiespendende Lebensmittel kommen nur wenig vor, Nahrungsergänzungsmittel sind untersagt. Eine vegane Ernährung ist hingegen deutlich vielseitiger. Zudem gibt es Berichte über einige wenige Einzelfälle, in denen Kinder an Vitamin-B12-Mangel litten. Diese sind auf fehlende oder unzureichende Vitamin-B12-Supplementierung zurückzuführen. Andererseits gibt es Studien, die belegen, dass eine Ernährung auf ausschließlich pflanzlicher Basis ein normales Wachstum und eine gesunde Entwicklung von Kindern ermöglicht. Zwischen 2019 und 2021 wurden die Ergebnisse der deutschsprachigen Studien zu veganer Ernährung in Kindheit und Jugend veröffentlicht. Die VeChi-Youth-Studie wurde von der DGE selbst in Auftrag gegeben, in Folge der VeChi-Diet-Studie der Arbeitsgruppe um Dr. Markus Keller. 2020 integrierte die DGE die Ergebnisse in ihren 14. Ernährungsbericht. Die Studienergebnisse deuten auf eine ausreichende Nährstoff- und Vitaminversorgung bei der Mehrzahl aller Teilnehmer:innen hin. Ähnliche Ergebnisse konnten bereits in der Vorgängerstudie VeChi-Diet von Dr. Markus Keller und Team zur Altersgruppe 1-3 Jahre erbracht werden. Trotzdem empfiehlt die DGE eine vegane Ernährung für Kinder und Jugendliche weiterhin nicht.

Die Datenlage deutet also darauf hin, dass eine vegane Ernährung für Kinder problemlos möglich ist und sehr gesund sein kann. Offiziell äußern sich die deutschsprachigen Fachgesellschaften jedoch noch verhalten. Eltern sollten sich grundsätzlich immer mit der Ernährung ihrer Kinder auseinandergesetzt haben und Lebensmittel sorgfältig auswählen. Dies gilt im Übrigen für alle Eltern, auch für jene allesessender Kinder.

Worauf sollte geachtet werden?

Muttermilch ist die ideale Ernährung während der ersten Monate. Langes Stillen über 1 – 3 Jahre versorgt den Säugling nicht nur mit allen notwendigen Nährstoffen, sondern bietet auch Schutz vor Krankheiten und beugt Allergien vor. Ist Stillen nicht möglich, steht Ersatznahrung auf Soja- und Reisbasis zur Verfügung. Mit Beikost kann zwischen dem 5. und 7. Monat begonnen werden. Es eignet sich beispielsweise ein Gemüse-Kartoffelbrei, der mit etwas Leinöl zur Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren angereichert wird. Ab dem 8. Monat kommen eiweißreiche Lebensmittel wie pürierte gekochte Hülsenfrüchte oder Tofu hinzu. Wie auch für Erwachsene ist für Kinder eine abwechslungsreiche Kost auf Basis von viel frischem Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Vollkorngetreide und hochwertigen Ölen notwendig. Aufgrund ihrer kleinen Mägen nehmen Kinder unter Umständen zu wenig Kalorien auf. Konzentrierte Energie liefern Fette in Form von Avocados, Nüssen, Samen, Nussmusen und Tahin, Sojaprodukte und Trockenfrüchte. Vitamin B12 muss supplementiert werden, sobald das Kind nicht mehr den Großteil seiner Energie über die Muttermilch aufnimmt. Vitamin D wird entweder durch Sonnenschein in der Haut produziert oder über Supplemente eingenommen. Als Eisenquellen stehen unter anderem Hirse, Quinoa, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen wie Sesam und Mohn, Trockenfrüchte sowie grünes Blattgemüse zur Verfügung. Zur besseren Aufnahme ist ein gleichzeitiger Verzehr von Vitamin C in Form von frischem Obst oder Gemüse wichtig. Kalzium nimmt das Kind durch grünes Gemüse, Tahin, angereicherte Sojamilch, mit Kalziumchlorid gewonnenem Tofu und Melasse auf. Zur Versorgung von Jod sollten gelegentlich kleine Mengen Algen auf dem Speiseplan stehen. Zink liefern Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Tofu und Nüsse.

Vorteile von veganer Ernährung im Kindesalter

Die Zahl übergewichtiger Kinder nimmt rapide zu. Damit steigt auch die Verbreitung von sogenannten „Wohlstandskrankheiten“ wie Diabetes mellitus Typ II und Bluthochdruck bereits im Kindesalter dramatisch. Die Gründe sind neben Bewegungsmangel ein Überangebot an Energie, tierischen Lebensmitteln, die neben vielen gesättigten Fettsäuren und Eiweiß auch viel Salz enthalten, sowie Zucker. Gleichzeitig sind allesessende Kleinkinder häufig mit Folsäure, ungesättigten Fettsäuren, Vitamin D und Eisen unterversorgt. Eine vegane Ernährung kann nachgewiesenermaßen das Risiko für diese Erkrankungen deutlich reduzieren. Zusätzlich enthält vegane Kost viel Folsäure – das Mangelvitamin der Allgemeinbevölkerung – sowie präventiv wirkende Substanzen wie sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe.

Checkliste: Worauf achten?

  • Abwechslungsreiche Ernährung, bestehend aus frischem Gemüse, Obst, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, Nüssen, Samen und hochwertigen Ölen.
  • Konzentrierte Energie liefern Fette in Form von Avocados, Nüssen, Nussmusen und Tahin, Sojaprodukte und Trockenfrüchte.
  • Hülsenfrüchte spielen eine wichtige Rolle, denn sie liefern hochwertiges Eiweiß sowie viele weitere wichtige Nährstoffe wie Eisen, Zink und B-Vitamine (außer Vitamin B12). Auch Sojaprodukte wie Tofu zählen dazu.
  • Vitamin B12 muss in Form von Nahrungsergänzungsmitteln und/oder angereicherten Produkten ergänzt werden.
  • Während der Sommermonate sollte sich das Kind – je nach Hauttyp – 10 bis 30 Minuten in der Mittagssonne aufhalten (Haut nicht rot werden lassen). Wenn das nicht möglich ist, benötigt das Kind eine tägliche Supplementierung mit 20 µg Vitamin D. Im Winter sollte auf jeden Fall Vitamin D ergänzt werden.
  • Der Bedarf an der Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure wird durch 1/2 - 1 Teelöffel Leinöl oder 2 Teelöffel bis 1 Esslöffel Rapsöl gedeckt. Die längerkettigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA können durch Algenöl zugeführt werden.
  • Auf ausreichende Quellen für Eisen (z.B. Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte), Kalzium (z.B. Tahin, angereicherte Pflanzenmilch), Zink (z.B. Hülsenfrüchte, Tofu) und Jod (z.B. Algenpräparate) achten.
  • Regelmäßige Bluttests werden empfohlen, um den Versorgungszustands des Kindes zu überprüfen.

Webinar zum Nachschauen

Wir haben ein kostenloses Webinar zum Thema "Vegane Beikost" entwickelt. Es kann hier nachgesehen werden.