Die Milchindustrie

Die Milchindustrie

12.05.2014

Wie vegetarisch ist Milch?

Milch genießt weitgehend den Ruf, ein Tierprodukt zu sein, bei dessen Gewinnung kein Tier geschlachtet werden muss. Ganz im Gegenteil: Kühe wollten sogar gemolken werden, weil sie sonst aufgrund der vollen Euter leiden würden, ist ein oft gehörtes Argument. Warum sich immer mehr Menschen entscheiden, keine Milch und Milchprodukte zu konsumieren, verrät ein Blick hinter die Kulissen der Milchindustrie.

Die Statistik besagt, dass jede:r Österreicher:in jährlich 18,4 kg Rindfleisch verzehrt. Der Konsum an Milch liegt bei 90 kg pro Kopf, hinzu kommen noch 18,3 kg Käse plus 16,2 kg andere Milchprodukte. Um diese Mengen erzeugen zu können, werden hierzulande 2.000.000 Rinder gehalten. Die 527.000 Milchkühe geben rund 6.000 Liter Milch pro Kuh und Jahr. Nur 9  % dieser Milch wird (meist indirekt über Saugkübel) an Kälber verfüttert.

Kuh in Anbindehaltung

Die Haltung

Milchkühe aus herkömmlicher Haltung leben zu 95 % in dauernder Anbindehaltung. Diese ist zwar eigentlich laut Bundestierschutzgesetz verboten, doch es gibt großzügige Ausnahmen aus rechtlichen oder technischen Gründen: Das Fehlen von Weidefläche oder bauliche Mängel werden als Vorwand genommen, um Kühe ganzjährig in den Stall zu sperren. Die Tiere leben großteils in engen Gitterboxen, sind um den Hals angekettet, werden enthornt (die nervendurchzogenen Hörner werden gewaltsam ausgebrannt und die Stümpfe verödet), müssen über ihrem eigenen Kot ohne Einstreu leben, sind gezwungen unanatomisch mit den Vorderbeinen zuerst aufzustehen, können sich weder umdrehen noch vor- oder rückwärts gehen, entwickeln schwerste geistige Störungen wie Monotonien und sehen in vielen Fällen nie die Sonne.

Vom Milchkalb zum Kalbfleisch

Kühe können – wie wir Menschen – nur dann Milch geben, wenn sie zuvor ein Kind geboren haben. In der landwirtschaftlichen Praxis werden die Tiere zumeist künstlich befruchtet. Ihr Neugeborenes wird ihnen noch am Tag der Geburt weggenommen. Die Mutter wird daraufhin mehrmals täglich gemolken, das Kind kommt in die Kälberaufzucht. Ist es männlich, wird es innerhalb von 3 Monaten auf 160 kg Lebendgewicht gemästet. Danach wird es zum Schlachthof transportiert und getötet. Einige männliche Tiere werden länger behalten und nach einer trostlosen Stiermast (die zu 80 % auf Vollspaltenböden durchgeführt wird) als Rindfleisch vermarktet. Die weiblichen Tiere haben das „Glück“, wie ihre Mütter mehrmals geschwängert, von ihren Kindern getrennt und nach durchschnittlich 5 Jahren, wenn sie völlig ausgelaugt sind, geschlachtet zu werden. Im Jahre 2008 wurde von den 2 Millionen Rindern ein knappes Drittel, also 610.000 Tiere, in den Schlachthöfen Österreichs getötet. 80.000 Kälber werden im Schnitt durch ganz Europa transportiert und im Ausland geschlachtet. Gerade bei Kühen ist die Schlachtung sehr problematisch. Aufgrund der Größe und der robusten Anatomie der Tiere ist eine Betäubung durch Wasserbad oder Elektroschock nicht möglich. Mit einem Bolzenschussgerät wird die Schädeldecke durch einen Metallbolzen zertrümmert, um Teile des Hirns zu zerstören. Ziel ist es, das Lebewesen bewegungsunfähig zu machen, um es ausbluten lassen zu können. Das Blut muss aus dem Körper gepumpt werden, bevor der Herzschlag erlischt, sonst könnte das Fleisch nicht verkauft werden. Diese Ausblutphase dauert in der Regel 4 Minuten – nicht selten wachen Tiere wieder aus der „Betäubung“ auf und erleben ihren Todeskampf noch bei vollem Bewusstsein mit, wie es Videoaufnahmen (siehe Linktipp) beweisen.

Bio als Alternative?

Die Produktionsrichtlinien der BIO-Austria erscheinen auf den ersten Blick sehr fortschrittlich. In der Tat ist die Gruppenhaltung im biologischen Bereich viel weiter verbreitet. Das Futter der Tiere muss gentechnikfrei sein, Einstreu ist Standard und die Anbindehaltung ist nur mit expliziter Genehmigung der Kontrollstelle erlaubt – sonst müssen die Tiere mindestens zweimal die Woche ins Freie bzw. zum Auslauf. „Kuhtrainer“ (also Elektroschocks) sind nur unter Auflagen einsetzbar und Kälber dürfen nicht in Einzelboxen gehalten werden. Trauriger Beigeschmack ist jedoch, dass auch im Biobereich enthornt wird und künstliche Befruchtung die Norm ist. Das Grundproblem der Milchindustrie bleibt bestehen: Die Kühe sind Hochleistungstiere, die durch jahrzehntelange Zucht zu Milchmaschinen umfunktioniert wurden. Die abgepumpte Milchmenge ist ein Vielfaches dessen, was für die Vorfahren der heutigen Kühe ertragbar und auch natürlich wäre. Nach der künstlichen Befruchtung werden wie bei der konventionellen Haltung Mutter und Kind getrennt. Auch in der Biohaltung ist die Milchproduktion untrennbar mit der Fleischproduktion verbunden. Kein Bauer und keine Landwirtin können sich den ökonomischen Zwängen und dem Wettbewerb entziehen. Niemand kann es sich leisten, einen Bankrott zu riskieren. Das Wohl der Tiere wird auch innerhalb der Bio-Richtlinien dem Profit untergeordnet. Wer Milch kauft, unterstützt diesen Kreislauf. Ohne Milch wären viele Kälbermasten nicht rentabel. Der Auslauf der Biotiere ist zwar verhältnismäßig groß, aber das Leid und das Trauma der zerrissenen Familien und die Endgültigkeit der Schlachtung sind ungleich größer.

Recht der Kuh

Es stellt sich die Frage, ob wir Menschen das Recht haben, Tiere für unsere Zwecke zu nutzen. Immer größere Teile der Wissenschaft kommen zum Schluss, dass Tiere nicht allein aufgrund ihrer Spezieszugehörigkeit anders behandelt werden sollten, wenn sie sonst ähnliche Merkmale aufweisen. Kühe können Angst, Schmerz und Liebe empfinden, Sozialkontakte pflegen und kommunizieren. Warum sollten dann nicht auch moralische Regeln im Umgang mit ihnen gelten?

Veganismus

Wenn Kühe wählen könnten, wie wir Menschen uns ernähren sollten, würden sie eine vegane Ernährung bevorzugen. Nur eine rein pflanzliche Ernährung garantiert, dass Tiere kein kurzes Leben voller Qualen bis zu einem verfrühten Tod verbringen müssen und gewährleistet gleichzeitig, dass kein kleines Kalb sterben muss. Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine vegane Ernährung, weil sie die Milchindustrie nicht mehr unterstützen wollen und die landwirtschaftliche Praxis als nicht gerechtfertigt empfinden.

Alternativen in der Praxis

Sojaprodukte wie Sojamilch und Sojajoghurts (die im Gegensatz zu Viehfutter nicht aus dem Regenwald kommen oder gentechnisch verändert sind) gibt es in jedem Supermarkt. Zudem wird eine breite Palette an pflanzlichen Alternativen wie Milch oder Drinks auf Hafer-, Mandel- oder Hanfbasis angeboten. Selbst veganer Käse ist inzwischen in fast jedem gewöhnlichen Supermarkt erhältlich.

Zahlen

527.000 Milchkühe in Österreich (Bestand 2008)
610.000 geschlachtete Rinder 2008 (davon die Hälfte Stiere oder Kälber, die keine Milch geben können)
5 Jahre Durchschnittslebensdauer eine Milchkuh
30 Jahre mögliche Lebensdauer einer Milchkuh
3 Monate Lebensdauer eines Kalbes in der Kalbfleischproduktion
92,3 kg Milch (Verzehr an Roh- und Konsummilch 2008 pro Person)

CO2-Äquivalente (g/kg Lebensmittel)

Butter 23.781
Rindfleisch 13.303
Käse 8.502
Tofu 1.100
Kartoffeln 197

Mehr über Alternativen zur Kuhmilch erfahren Sie hier.

Linktipp

Das Brüllen der Rinder