Pflanzenbetonte Ernährungsweisen als Win-Win-Situation für Klima, Flächenverbrauch und Tierwohl

Pflanzenbetonte Ernährungsweisen als Win-Win-Situation für Klima, Flächenverbrauch und Tierwohl

27.06.2024

von Mag. Martin Schlatzer

Die Welt ist mit multiplen Krisen wie Klima-, Biodiversitäts- und Gesundheitsproblemen konfrontiert. Diese betreffen auch Österreich stark. Daraus ergibt sich eine höhere Krisenanfälligkeit, auch aufgrund von internationalen Lebensmittelwertschöpfungsketten. Der Fleischkonsum, der wegen des gegenwärtigen Ernährungsstils eine markante Rolle einnimmt, ist an diesen Krisen maßgeblich beteiligt. Die sogenannten Grenzen des Planeten sind in vielen Bereichen bereits weit überschritten. Eine auf Österreich bezogene Studie zeigte, dass vegetarische und vegane Ernährungsweisen den geringsten Druck auf die planetaren Grenzen ausüben.

3 Ernährungsszenarien

Der Verzehr von Fleisch ist in Österreich um zwei Drittel höher, als von der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) derzeit maximal empfohlen wird. Auch aus Umweltgründen ist eine generelle Reduktion bzw. ein Verzicht auf tierische Lebensmittel, insbesondere auf Milchprodukte, ratsam, was auch die EAT-Lancet-Kommission im Rahmen der Planetary Health Diet empfiehlt. Eine Reduktion von tierischen Produkten hätte neben positiven gesundheitlichen sowie ökologischen Wirkungen auch vorteilhafte Auswirkungen auf die Tiergerechtheit respektive das Tierwohl in der Tierhaltung in Österreich.

In diesem Kontext wurden im Rahmen einer Studie des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FiBL Österreich) drei grundlegende Ernährungsstilszenarien in Österreich betrachtet. Das Szenario ÖGE bedeutet eine Verringerung des jetzigen Fleischkonsums um rund zwei Drittel. Das Szenario OLV (ovo-lacto-vegetarisch) basiert auf einer Ernährung ohne Fleisch- und Wurstprodukte sowie ohne Fisch und das Szenario VGN (vegan) repräsentiert die rein pflanzliche Ernährung, d. h. keinerlei tierische Produkte – beide Szenarien basieren auf den wissenschaftlichen Empfehlungen der vegetarischen sowie veganen Gießener Ernährungspyramide.

Auswirkungen auf die Anzahl an geschlachteten Tieren

In Summe werden in Österreich in einem Jahr mehr als 108 Mio. Tiere für Nahrungsmittelzwecke gehalten beziehungsweise geschlachtet. Von den gehaltenen Tieren geht der Großteil auf Masthühner (ca. 89 Mio.) zurück, gefolgt von Legehennen mit ca. 7 Mio., Schweinen mit ca. 6 Mio. und Puten mit ca. 4 Mio. Tieren.

Während des durchschnittlichen Lebens einer Person in Österreich werden 1.001 Tiere pro Person für den menschlichen Konsum geschlachtet. Der Großteil der geschlachteten Tiere pro Person geht dabei auf Hühner mit 893 Tieren zurück, gefolgt von 46 Schweinen, ca. 33 Puten, ca. 16 Enten, 6 Rindern und Kälbern, 3 Gänsen, 3 Schafen und 1 Ziege. Hinzu kommt eine größere Anzahl an Fischen, Hasen, Rehen und anderen Wildtieren.

Zu den geschlachteten Nutztieren kommen zumindest 45 Millionen Fische, die in Aquakulturen gehalten werden, und mehrere Mio. Fische aus dem Wildfang hinzu. Von ca. 794.000 Wildabschüssen gehen 278.000 auf Rehwild und 142.000 auf Hasen zurück, wovon ein Großteil dem Verzehr dient. Die Anzahl der Falltiere im Tierproduktionssystem, d. h. der während der Aufzucht gestorbenen Tiere, dürfte jährlich bei über 1 Mio. Tiere liegen. Pro Jahr werden zudem ca. 9,5 Mio. männliche Küken getötet, die als Nebenprodukte in der österreichischen Eierproduktion anfallen. In Österreich kann somit von zumindest 165 Mio. getöteten Tieren pro Jahr ausgegangen werden.

Eine Reduktion des Fleischkonsums würde zu einer Verringerung der in Österreich gehaltenen Tiere führen. Im ÖGE-Szenario (um zwei Drittel verringerter Fleischkonsum, d. h. ca. 19,5 kg Fleisch/Person/Jahr) würden um ca. 64 Mio. weniger Tiere pro Jahr gehalten werden. Im Fall des OLV-Szenarios würde sich die Zahl der gehaltenen Tiere um 100 Mio. jährlich reduzieren, beim VGN-Szenario um ca. 108 Mio. Tiere pro Jahr. In den letzten beiden Szenarien sind Puten, Enten und Gänse berücksichtigt, jedoch u. a. keine Wildtiere und Fische, die zusammen bereits mehr als 46 Mio. betragen.

Auswirkungen auf die Flächenbelegung in Österreich

In allen Szenarien wurde der jeweilige erforderliche Ersatz für die Ernährung durch den entfallenden Anteil an Fleisch bzw. Milchprodukten durch Soja berücksichtigt. Nach dem Abzug der hierfür nötigen Flächen ergab sich – je nach Szenario unterschiedlich – eine freiwerdende Restfläche. Im ÖGE-Szenario würde sich demnach eine Einsparung von 632.000 ha ergeben, was grob der Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche in Österreich entspricht. Bei einer Umstellung auf eine OLV-Ernährung gibt es eine noch größere Einsparung im Ausmaß von ca. 932.000 ha. Im VGN-Szenario verbleibt eine größere Restfläche von insgesamt 1,8 Mio. ha – das entspricht sogar einer um ein Drittel größeren Fläche als die gesamte Ackerfläche von Österreich mit ca. 1,3 Mio. ha.

Im Zuge der Studie wurde auch in der Fläche+-Variante untersucht, ob alle Tiere im ÖGE-Szenario in einem erweiterten Freiland- und Weideszenario mit einem wesentlich größeren Platzangebot pro Tier haltbar sind. In diesem erweiterten ÖGE-Ernährungsszenario wird in Summe genug Fläche frei für eine tiergerechtere Haltung aller betrachteten Nutztiere in Österreich. Es konnte gezeigt werden, dass in Summe kein Mehrbedarf an Fläche für Freiland bzw. Auslauf erforderlich ist, da es zu erheblichen Flächeneinsparungen kommt, wodurch alle Tiere auch biologisch gehalten werden könnten. Darüber hinaus könnten die bestehenden Legehennen und Milchkühe auch ohne Flächenengpässe im Freiland respektive in Weidehaltung gemäß der Fläche+-Variante gehalten werden. Es bleibt zudem eine restliche landwirtschaftliche Nutzfläche von insgesamt ca. 637.000 ha.

Relevant ist hinsichtlich des VGN-Szenarios die im Vergleich mit den anderen Szenarien größte Flächeneinsparung, die bei einer solchen Umstellung erzielt wird – aufgrund des kompletten Wegfallens von Tierbeständen bzw. Weide- und Futtermittelflächen sowie des direkten, wesentlich effizienteren Konsums von pflanzlicher Nahrung.

Deutliches CO2-Einsparungspotenzial

Der Ernährungsbereich ist für insgesamt 25–30 % der gesamten österreichischen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Im Fall einer ÖGE-Ernährung mit deutlich weniger Fleisch werden gegenüber der durchschnittlichen österreichischen Ernährung 28 % an Emissionen eingespart, beim OLV-Szenario fällt nur die Hälfte der ernährungsbezogenen Emissionen an. Durch eine vegane Ernährung (VGN-Szenario) ergeben sich die größten Einsparungen, d. h. eine Reduktion von mehr als zwei Drittel der Treibhausgasemissionen ist dann realisierbar. Durch Bioprodukte wird die Klimabilanz nochmals um 8–13 % verbessert.

Win-Win-Situation

Durch einen stark reduzierten Tierproduktekonsum (ÖGE-Szenario) bzw. nicht mehr existenten Fleischkonsum (OLV- und VGN-Szenario) könnten die freiwerdenden landwirtschaftlichen Nutzflächen im großen Umfang insbesondere für eine flächendeckende Umstellung auf Biolandwirtschaft genutzt werden. Weiters könnten der Druck auf den Flächenverbrauch in Österreich durch das Wegfallen von Weide- und Futtermittelflächen im VGN-Szenario deutlich reduziert und die Sicherung sowie die Resilienz des Ernährungssystems gesteigert werden.

Es könnten mehr pflanzliche Eiweißquellen für den direkten Verzehr (wesentlich effizienter aufgrund des wegfallenden Umwandlungsverlusts im Gegensatz zu tierischen Produkten) angebaut und Flächen für die Wiedervernässung oder das Anlegen von Mooren nutzbar gemacht werden, ohne dass – infolge der Extensivierung und der damit verbundenen geringeren Erträge – die Nahrungsmittelversorgung respektive Ernährungssouveränität in Österreich bedroht ist. In den gesünderen pflanzenbetonten bzw. vor allem vegetarischen sowie veganen Szenarien wird letztendlich der größte Vorteil für Klima, Tierwohl und Ernährungssicherung erzielt.

Anmerkung: Das Ausmaß der gegenwärtigen Form der Tierhaltung und des hohen Konsums von Fleisch hat bekanntermaßen Folgen für die Gesundheit, beispielsweise ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck oder Diabetes Typ 2. Zudem gibt es direkte negative gesundheitliche Folgen: Von den neu aufgetretenen menschlichen Infektionskrankheiten sind 75 % zoonotisch (d. h. vom Tier auf den Menschen übertragbar) wie Ebola, HIV, Covid-19 und Tollwut. Der Großteil der Zoonosen tritt indirekt, etwa über das Ernährungssystem, auf. Zu den drei wesentlichen sich gegenseitig verstärkenden Faktoren gehören dabei erstens die Zerstörung der natürlichen Lebensräume von Tieren, die vor allem von der industriellen Tierhaltung (Haltung, Fütterung bzw. Futtermittelproduktion) verursacht wird. Der Verzehr von Wildtieren sowie die Haltung von Nutztieren in der Intensivtierhaltung stellen die beiden weiteren Faktoren dar. Weltweit werden jedes Jahr ca. 75 Mrd. Tiere (ohne Fische) für den menschlichen Konsum geschlachtet, wovon der Großteil intensiv gehalten wird.

Martin Schlatzer ist Ernährungsökologe und arbeitet am Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL Österreich).

Quellen

Schlatzer, Martin und Lindenthal, Thomas (2022): Die Auswirkungen einer Reduktion des Fleischkonsums auf Tierhaltung, Tierwohl und Klima in Österreich – unter Berücksichtigung eines 100 % Bio-Szenarios. Studie im Auftrag von Vier Pfoten. Wien. Online hier verfügbar.

Schlatzer, Martin und Lindenthal, Thomas (2022): Einfluss von unterschiedlichen Ernährungsweisen auf das Klima. CCCA Factsheet No. 37. Online hier verfügbar.

Zamecnik, Georg; Lindenthal, Thomas; Rathmanner, Theres und Himmelfreundpointner, Elisabeth (2023): Krisensichere Ernährung – Bewertung ausgewählter eiweißreicher Lebensmittel hinsichtlich Risiken oder Potenzialen einer nachhaltigen Ernährungssicherheit in Österreich. Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL Österreich, AT-Wien. Online hier verfügbar.

Bruckner, Martin; Kreimel, Julia und Trse, Stefan (2023): Ernährungspyramide 2.0 – Für eine gesunde und nachhaltige Ernährung in Österreich. WWF Österreich, Wien. Online hier verfügbar.

EAT-Lancet Commission on Food, Planet, Health (2019): Our Food in the Antropocene. Online hier verfügbar.

APCC (Austrian Panel on Climate Change) (2014): Österreichischer Sachstandsbericht Klimawandel 2014 (AAR14). Online hier verfügbar.

Schlatzer, Martin und Lindenthal, Thomas (2020): DIETCCLU – Einfluss von unterschiedlichen Ernährungsweisen auf Klimawandel und Flächeninanspruchnahme in Österreich und Übersee. Endbericht von StartClim2020: Weitere Beiträge zur Umsetzung der österreichischen Anpassungsstrategie. BMLFUW, BMWF, ÖBf, Land Oberösterreich. Online hier verfügbar.