Prof. Dr. Iben von der VetMed Wien über vegane Hundeernährung
Prof. Dr. Iben von der VetMed Wien über vegane Hundeernährung
Vegane Ernährung von Hunden und Katzen ruft sehr unterschiedliche Emotionen hervor: Wer vegan lebt, möchte in der Regel vermeiden, dass Schweine, Rinder oder andere Tiere für die vierbeinigen Familienmitglieder getötet werden. Kritiker:innen befürchten hingegen, dass eine vegane Ernährung für Hund und Katze nicht artgerecht wäre sondern sogar gesundheitsgefährdend sein könnte. Die Vorwürfe reichen bis hin zur Tierquälerei. Wir haben daher bei einer Expertin nachgefragt und uns über aktuelle Forschungsergebnisse informiert. Ao.Univ.-Prof. Dr.med.vet. Christine Iben ist an der Veterinärmedizinischen Universität Wien für den Forschungsbereich Kleintierernährung zuständig.
Frau Prof. Iben, was sagen Sie als Fachexpertin zu veganer Ernährung von Hunden? Ist eine rein pflanzliche Kost möglich?
Erwachsene, gesunde Hunde können rein pflanzlich ernährt werden, da der Hund von seinem Stoffwechsel her eher ein Alles- denn ein reiner Fleischfresser und damit sehr anpassungsfähig ist. Verfüttert man den Tieren konventionelles veganes Fertigfutter, ist eine mögliche Mangelversorgung eher unwahrscheinlich, da diese Futtermittel hinsichtlich der Inhaltsstoffe ausgewogen sein sollten. Selbst zubereitete, fleischlose Rationen sind dagegen nicht einfach herzustellen und benötigen entsprechendes Wissen.
Wichtig ist, dass das vegane Futter mit speziellen Nährstoffen angereichert wird, die nicht oder nicht ausreichend in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten sind. Um welche Substanzen handelt es sich?
In erster Linie muss die Aminosäurenversorgung überprüft werden, möglicherweise besteht ein Mangel an schwefelhältigen Aminosäuren. Weiters müssen die Vitamine D und B12 zugegeben werden. Vitamin B2 und die Spurenelemente Kupfer und Zink sowie Jod sollten überprüft und die Futterrationen gegebenenfalls entsprechend angereichert werden. Natrium fehlt in den pflanzlichen Lebensmitteln ebenso.
Wie könnte eine vegane Ernährung mit ausreichend Eiweiß bei Hunden aussehen?
Da die ausreichende Eiweißversorgung nur einen Teil der Nährstoffversorgung ausmacht, sollte vor einer Umstellung der Ernährung des Hundes entsprechendes Wissen eingeholt werden. Der Eiweiß- und Aminosäurenbedarf des erwachsenen Hundes kann etwa durch Sojaprodukte gedeckt werden. Es gibt auch weitere Eiweißquellen, allerdings muss hier das Aminosäurenmuster beachtet werden.
Apropos Soja: Können die enthaltenen Phytoöstrogene und Trypsin-Inhibitoren ein Problem darstellen, beispielsweise in Hinblick auf den Schilddrüsenstoffwechsel?
Trypsininhibitoren werden durch Erhitzen inaktiviert und stellen kein Problem dar. Die Wirkung von Phytoöstrogenen beim Menschen wird kontrovers diskutiert, dezidiert abgeraten wird jedoch nur vor isolierten Isoflavonen (Phytoöstrogene als Nahrungsergänzungsmittel) (Aktualisierte Stellungnahme* Nr. 039/2007 des BfR vom 3. April 2007: Isolierte Isoflavone sind nicht ohne Risiko). Es gibt keine Hinweise, dass die Aufnahme von Isoflavonen über Nahrungsmittel schädlich wäre. Sojabohnen oder Tofu sind für den Hund somit ungefährlich.
2015 haben Sie die Diplomarbeit „Vegan Nutrition of Dogs and Cats“ von Pia-Gloria Semp betreut. Was waren die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit?
Wesentliche Ergebnisse waren, dass bei den vegan ernährten erwachsenen Hunden keinerlei Abweichungen in den untersuchten Blutparametern beobachtet werden konnten. Aufgrund der Ergebnisse in dieser Studie konnte auch gefolgert werden, dass kommerzielle vegane Diäten für erwachsene Katzen die erforderlichen Nährstoffe liefern. Weshalb der Folsäuregehalt im Plasma vegan ernährter Katzen geringer war und ob dadurch das Risiko, etwa an einer Thromboembolie zu erkranken, erhöht ist, ist nicht bekannt. Da es noch keine kontrollierten Langzeitstudien gibt, kann keine Aussage getroffen werden, ob diese Form der Ernährung einen Einfluss auf die Lebensspanne dieser Tiere ausübt. Am meisten überrascht hat mich, dass immerhin 5 von 59 Katzen, deren Besitzer:innen an der Umfrage teilgenommen haben, selbst zubereitetes veganes Futter erhielten. Leider konnte von keiner der 5 Katzen eine Blutuntersuchung vorgenommen werden, denn ich halte es für praktisch unmöglich, Katzen durch selbst zubereitete vegane Diäten bedarfsgerecht zu ernähren. Denn auch für erwachsene Hunde ist es zwar möglich, aber wie gesagt schwierig, eine ausgewogene vegane Diät selbst herzustellen. Außerdem macht die Futterakzeptanz von Katzen den wesentlichen Unterschied aus. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Katze mit so einer Ernährungsform Schaden zugefügt wird.
Gibt es andere wissenschaftliche Studien, die sich mit dem Thema vegane Hundeernährung auseinandersetzen?
Ja, eine wissenschaftliche Übersichtsarbeit von Knight und Leitsberger "Vegetarian versus Meat-Based Diets for Companion Animals" aus dem Jahr 2016 diskutiert alle verfügbaren Arbeiten zu diesem Thema.
Wofür benötigt der Hund Omega-3-Fettsäuren und wie kann der Bedarf gedeckt werden?
Es ist (noch) nicht sicher erwiesen, dass Omega-3-Fettsäuren für den Hund essentiell sind, aber es besteht auch beim Hund kein Zweifel über deren günstige Auswirkungen. Omega-3-Fettsäuren können, wenn sie vermehrt anstelle der Omega-6-Fettsäure in die Zellmembranen eingelagert werden, entzündungshemmend wirken. Sie weisen noch weitere Wirkungen auf, beispielsweise auf die Blutplättchenaggregation. Ihr Bedarf kann durch Leinöl (enthält ca. 40 % Omega-3-Linolensäure), Rapsöl (ca. 9 % Omega-3-Linolensäure) oder Meeresfischöle (hohe Anteile an langkettigen Omega-3-Fettsäuren wie Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure) gedeckt werden. Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure haben zudem eine günstige Wirkung auf die Entwicklung der Netzhaut und auf das zentrale Nervensystem.
Wie kann ich überprüfen, ob mein Hund mit allen essentiellen Nährstoffen gut versorgt ist? Welche speziellen Blutwerte sollten bei einer veganen Ernährung getestet werden? Ist ein Barf-Profil sinnvoll?
Die Sinnhaftigkeit eines Barf-Profils ist zu hinterfragen. Viele Blutparameter wie Kalzium sagen nichts über die Versorgung aus, da Reserven vorhanden sind (z. B. Kalzium im Knochen). Somit ist selbst bei lang dauernder Mangelversorgung eine Blutuntersuchung nicht immer aussagekräftig. Eine genaue Rationsüberprüfung ist wesentlich sinnvoller. Für vegan ernährte Hunde gilt prinzipiell dasselbe, obwohl bei rein pflanzlicher Kost möglicherweise die Verfügbarkeit bestimmter Nährstoffe geringer sein kann als bei tierischen Futtermitteln. Eine Überprüfung bestimmter Blutparameter kann daher eventuell doch sinnvoll sein. Was Blutuntersuchungen für vegan ernährte Hunde anbelangt, sind folgende Parameter zu diskutieren: Totalprotein und Albumin können Hinweise auf eine Mangelversorgung mit Eiweiß und/oder essentiellen Aminosäuren geben, der Hämoglobingehalt Hinweise auf die Eisenversorgung, ebenso können der Vitamin B12- und Folsäuregehalt und der Jodgehalt Hinweise auf die Versorgung geben. Pflanzliche Nahrungsmittel sind meist arm an Vitamin D, sodass der Versorgung mit diesem Vitamin besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Hunde sind nicht wie der Mensch in der Lage, Vitamin D durch Sonneneinstrahlung in der Haut zu bilden.
Ist es möglich und sinnvoll, Cholin und Carnitin bestimmen zu lassen?
Cholin wie auch Carnitin werden im Körper synthetisiert und sollten beim gesunden Hund - wenn alle dafür nötigen Aminosäuren und Vitamine zur Verfügung stehen - ausreichend synthetisiert werden. Es besteht die Möglichkeit, beide Substanzen im Blut nachzuweisen.
Welche pflanzlichen Lebensmittel sollte ein Hund nicht essen?
Vergiftungsfälle wurden beschrieben bei Weintrauben und Rosinen, Birkenzucker, Schokolade, Kaffee, Tee, Kakao, Zwiebel und Knoblauch, Hopfen bzw. Abfällen aus der Bierbrauerei, Makadamianüssen und Avocados. Diese Lebensmittel sollten nicht gegeben werden. Es wird auch immer vor blähendem Gemüse gewarnt (Erbsen, Bohnen, Linsen, Kohl, Paprika, Pilze, rohe Gurken). Allerdings gibt es hierbei große individuelle Unterschiede und in den meisten Fällen kommt es lediglich zu gesteigerter Flatulenz. Sollten Bauchkrämpfe auftreten, muss das betreffende Gemüse in Zukunft gemieden werden.
Kann eine vegane Ernährung für Hunde vorteilhaft sein, beispielsweise in Bezug auf Allergien, Körpergewicht, Krebserkrankungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen?
Es gibt eine Erkrankung, Urolithiasis aufgrund von Harnsäurekonkrementen, bei der vegetarische Ernährung empfohlen wird, da Milchprodukte und Eier im Gegensatz zu Fleisch oder Innereien keine Purine enthalten. Sojabohnen und Sojaprodukte enthalten dagegen relativ hohe Mengen an Purinen, ebenso Erbsen oder Bohnen, weshalb bei Hunden, die bereits Harnsäurekonkremente hatten, auf diese Eiweißquellen verzichtet werden muss. Zur veganen Ernährung von gesunden Hunden liegen keine Untersuchungen vor. Es ist anzunehmen, dass Hunde, die gegen eine bestimmte Fleischsorte allergisch sind, von einer veganen Ernährung zunächst profitieren, da sie mit dem Allergen nicht mehr in Berührung kommen. Den gleichen Effekt erzielt man aber, wenn die allergieauslösende Fleischsorte nicht mehr verfüttert wird. Übergewichtige Hunde sollten vorzugsweise weniger Energie aber ausreichend Eiweiß erhalten. Es könnte eventuell schwierig werden, eine vegane Ration zu erstellen, die genügend Eiweiß beinhaltet. Rückschlüsse vom Menschen auf den Hund können daher nicht gezogen werden. Zu Krebserkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt es zahlreiche Studien beim Menschen, für Hunde liegen jedoch keinerlei Informationen vor.
Während Hunde problemlos Stärke verdauen können, gelten Katzen als reine Carnivoren. Ist es auch möglich, Katzen vegan zu ernähren?
Auch Katzen besitzen Enzyme zur Stärkeverdauung, das heißt, sie können Stärke sehr gut verdauen. Richtig ist, dass Katzen reine Carnivoren sind und als solche auf spezifische Substanzen angewiesen sind, die nur im Tierkörper vorkommen (Taurin, Vitamin A) oder in ausreichender Menge in tierischen Nahrungsmitteln vorhanden sind.
Frau Prof. Iben, vielen herzlichen Dank für Ihre interessanten Informationen!
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