Vom landwirtschaftlichen Betrieb zum Lebenshof: Die Proteinwende ist nicht mehr aufzuhalten

Vom landwirtschaftlichen Betrieb zum Lebenshof: Die Proteinwende ist nicht mehr aufzuhalten

13.12.2023

Immer mehr Landwirt:innen sind gewillt, ihre Höfe umzubauen, zum Beispiel zu Lebenshöfen mit Gemüseanbau. Das österreichische Projekt LandVirte begleitet und unterstützt Bäuer:innen dabei, der Produktion von tierischen Produkten den Rücken zuzukehren und ihre Höfe nachhaltig zu gestalten – sowohl umwelt- und tierfreundlich als auch finanziell. Dadurch, dass immer mehr Höfe die Fleischproduktion aufgeben, erfolgt eine spürbare Wende hin zur Erzeugung von pflanzlichem statt tierischem Eiweiß.


Foto: Jan Engelhardt

Der Markt verändert sich und so auch die Landwirtschaft

Milch- und Fleischalternativen steigen seit einigen Jahren massiv und vor allem kontinuierlich an, während konventionelle Produkte dieser Art an Absatz verlieren. Dieser Wandel vom tierischen zum pflanzlichen Protein zeichnet sich auch bei den heimischen Bäuer:innen ab: Immer mehr Hofbesitzer:innen erkennen das Marktpotenzial und bewirken eine massive Veränderung im österreichischen Landwirtschaftssektor – und das sehr erfolgreich. In Österreich wird der Umstieg sogar teilweise von den Bundesländern gefördert. Mittlerweile neun Betriebe haben sich auf der LandVirte-Plattform registriert und zeigen vorbildhaft, dass das Konzept Lebenshof realisierbar und obendrein finanziell sicher sein kann.

Der Wandel beginnt im Kopf

Das Umdenken findet bei vielen Bäuer:innen dann statt, wenn es darum geht, den Hof der Eltern oder Großeltern zu übernehmen und die Nutztierhaltung fortzuführen. Andere stellen die Ernährung aus gesundheitlichen Gründen um, hinterfragen dann die Tierhaltung und -züchtung am eigenen Hof und kommen zu dem Schluss, dass der „Rinderwahnsinn“ ein Ende nehmen muss. So etwa auch die Besitzer:innen des gleichnamigen Lebenshofs aus Gföhl in Niederösterreich, der sich als Ort der Begegnung zwischen menschlichen und tierischen Lebewesen versteht. Lebenshof-Pionier Hubert wurde immer kritischer, vor allem in Bezug auf Tiertransporte und Schlachtung. Der Entschluss, den Hof umzustellen, stand fest, als er eine Anfrage zur Beherbergung sechs geretteter Schweine im Postkasten fand. Der Lebenshof war geboren.


Foto: Tanja Hauser

Vom Schwein zur Linse

Johannes und Maike Gräf betreiben den Hof Krachmacher Mühle in Nordbayern seit 2011. Sie stiegen bereits 2016 von einem Tag auf den anderen aus der Schweinemast aus, als sie Faschiertes im Supermarkt kauften, vor dem sie sich ekelten. Dann kam die Erkenntnis, dass das Produkt ausgerechnet von dem Schlachthof kam, an den sie selbst lieferten. Von diesem Tag an schauten sie nicht mehr zurück. Wichtig ist dem Paar vor allem der Aufbau eines finanziell unabhängigen Betriebs, der durch mehrere Standbeine erhalten wird. Auf den 50 Hektar Land rund um den Hof sind heute unterschiedliche Projekte in Arbeit, etwa die Vermietung von Stellplätzen für Wohnmobile sowie Bildungsarbeit und Hofpädagogik im Schweinestall, in dem mittlerweile nur mehr fünf statt hundert Tiere ihr Leben genießen dürfen. Zukunftsträchtig ist für Johannes Gräf vor allem der Anbau von Leguminosen wie Linsen und Kichererbsen, der mittlerweile auf einem Viertel der vorhandenen Ackerfläche umgesetzt und durch den die Proteinwende aktiv vorangetrieben wird.

Bereits über 1700 „Transfarmationen“ in der Schweiz

Was die Familie Gräf bereits vor einigen Jahren mit viel Mut und ohne Unterstützung wagte, können Hofbesitzer:innen nun in Begleitung des österreichischen Projekts LandVirte graduell umsetzen. Auch in der Schweiz gibt es einen Verein, der sich der Beratung von Landwirt:innen zu Hofumstellungen verschrieben hat. Über 170 Projekte begleitete der Hof Narr bereits, der Andrang ist groß und die Warteliste lang. Daran ist deutlich erkennbar, dass der Wille, etwas zu verändern, bereits da ist und stetig größer wird. Durch die mittlerweile unzähligen Erfahrungsberichte und erfolgreichen Umstellungen wird es Interessierten immer leichter gemacht, auch selbst erste Schritte in Richtung pflanzliche Landwirtschaft zu setzen.


Foto: Jan Engelhardt

Von Landwirt:innen zu LandVirt:innen

Für die sukzessive Umstrukturierung des eigenen Betriebs hat das Projekt LandVirte einen Leitfaden zusammengestellt, in dem das zuerst unmöglich scheinende Unterfangen in einzelne Schritte heruntergebrochen, bei der Entscheidungsfindung geholfen und vor allem auch die finanzielle Sicherheit der Bäuer:innen in den Vordergrund gestellt wird. Außerdem dient die Plattform dazu, die umgestalteten Höfe zu präsentieren und aufzuzeigen, was alles möglich ist. Vereine wie LandVirt oder das Schweizer oder deutsche Pendant (BeVeLa) legen Wert darauf, Austausch und Anregungen zu ermöglichen, um für jeden Hof einen individuellen Weg zu finden – denn keiner gleicht dem anderen.

Kontakt: Projekt LandVirte