Vegane Ernährung in Kindheit und Jugend – Stimmen internationaler Fachorganisationen

Vegane Ernährung in Kindheit und Jugend – Stimmen internationaler Fachorganisationen

18.04.2023

Immer mehr internationale Fachgesellschaften positionieren sich positiv gegenüber einer veganen Ernährung in jeder Lebensphase. Neuere Studien bestätigen, dass eine gut geplante vegane Ernährung Kinder und Jugendliche mit ausreichend Energie und allen essenziellen Nährstoffen versorgt und zu einer guten Entwicklung beiträgt.

Wandel wird spürbar

Nachdem sich die öffentlichen Institutionen für Ernährung und Gesundheit in der DACH-Region in den letzten Jahrzehnten klar gegen eine vegane Ernährung für Kinder (und teilweise auch für Erwachsene) ausgesprochen haben, bekommen diese Stimmen mittlerweile Stück für Stück einen toleranteren Ton.

Das Ernährungskomitee der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) hat im Jahr 2019 ein Positionspapier veröffentlicht, in dem es sich umfassend mit den aktuellen Erkenntnissen und Empfehlungen zur veganen Ernährung von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzt (Rudloff et al. 2019). Darin kommt das Komitee zu dem Schluss, dass eine vegetarische Ernährungsweise im Kindes- und Jugendalter grundsätzlich angemessen sein kann. Die Voraussetzung dafür wäre, dass die Eltern umfassend informiert sind und bestenfalls eine kinderärztliche Betreuung in Kooperation mit einer Ernährungsberatung gewährleistet ist. Das Hauptargument für diese Vorsicht ist die Wachstumsphase und daher ein höherer Bedarf an Nährstoffen (Rudloff et al. 2019). In diesem Zusammenhang werden vor allem die Hauptrisiken für Nährstoffmängel angesprochen: Omega-3-Fettsäuren, Vitamin B12, Jod, Eisen sowie Zink. Eine vegane Ernährung wird nicht mehr als schädlich bezeichnet, stattdessen wird Wissen vermittelt, wie diese gesund und vollwertig umgesetzt werden kann.

Außerdem äußert sich die DGKJ mittlerweile weniger kritisch gegenüber einer veganen Ernährung in der Schwangerschaft und Stillzeit. Jedenfalls wird in dem Artikel auf den höheren Bedarf an Nährstoffen in dieser Zeit hingewiesen und es wird zu bedenken gegeben, dass die kindliche Entwicklung ohne ausreichende Versorgung mit den oben genannten Mikronährstoffen gefährdet ist. Es wird jedoch nicht explizit davon abgeraten, sondern lediglich nahegelegt, als Vegetarier:in oder Veganer:in regelmäßige ärztliche Kontrollen und eine Ernährungsberatung aufzusuchen (Rudloff et al. 2019).

Wo wir aktuell stehen – das sagen deutschsprachige Fachinstitutionen

Ende 2020 veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) die Ergebnisse der VeChi Youth Studie in ihrem 14. Ernährungsbericht. Darin wurden Gesundheitsdaten von Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren verglichen, die sich entweder vegan, vegetarisch oder von Fleisch ernähren.

Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die Versorgung mit den wichtigsten Nährstoffen und meisten Vitaminen bei der Mehrzahl der Teilnehmer:innen mit allen drei Ernährungsformen gut gesichert ist. Ähnliche Ergebnisse wurden bereits in der Vorgängerstudie VeChi Diet von Dr. Markus Keller und Team zur Altersgruppe 1–3 Jahre erbracht (Weder et al. 2019; Weder et al. 2022). Trotzdem empfiehlt die DGE eine vegane Ernährung für Kinder und Jugendliche weiterhin nicht. Näheres zu den beiden Studien haben wir in diesem Artikel zusammengetragen.

Insgesamt beziehen die meisten öffentlichen Institutionen in Deutschland und Österreich leider noch immer eine verhaltene oder sogar ablehnende Haltung gegenüber einer veganen Kinderernährung, darunter etwa das Netzwerk Gesund ins Leben, REVAN – Richtig essen von Anfang an, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die Nationale Ernährungskommission Österreich sowie die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde. Positiv bleibt allerdings anzumerken, dass die ÖGKJ und das Netzwerk Gesund ins Leben eine vegane Ernährung zwar nicht prinzipiell empfehlen, dafür jedoch klare Hinweise geben, worauf zu achten ist, wenn man sein Kind dennoch vegan ernähren möchte.

Es lohnt sich jedenfalls, einen Blick über die Grenzen des deutschsprachigen Raums hinaus zu wagen: International gibt es bereits einige Fachgesellschaften, die eine vegane Ernährung für Kinder als unbedenklich einstufen und die Thematik für Konsument:innen und Interessierte informativ aufbereiten.

Internationale Positionen zu veganer Kinderernährung

Australien

Healthdirect Australia: In den nationalen Ernährungsrichtlinien ist festgehalten, dass eine vegane Ernährung in allen Lebensphasen geeignet sein kann, sofern auf eine adäquate Nährstoffzufuhr geachtet wird. Über die vom Ministerium für Gesundheit und Altenpflege unterstützte Initiative „Pregnancy, Birth and Baby“ wird Eltern vermittelt, worauf es bei einer bedarfsgerechten veganen Ernährung für Kinder ankommt.

Link zu den Ernährungsrichtlinien: www.eatforhealth.gov.au
Link zu „Pregnancy, Birth and Baby“: www.pregnancybirthbaby.org.au

Großbritannien

British Dietetic Association (BDA): In Großbritannien erlebt die Haltung gegenüber einer veganen Ernährung für Kinder und Jugendliche schon seit einigen Jahren einen positiven Trend. Bereits 2017 hat der Verband britischer Diätolog:innen (BDA) bestätigt, dass eine gut geplante vegane Ernährung ein gesundes Leben in allen Altersgruppen fördern kann und für jede Lebensphase geeignet ist. Unterstützend dazu wurde ein Faktenblatt erstellt, das aufklären und bei der Orientierung helfen soll. Darin wird bezüglich der wichtigsten Nährstoffgruppen informiert und es wird betont, dass „wie bei jeder anderen Ernährung“ sichergestellt werden muss, dass der entsprechende Nährstoffbedarf erfüllt wird (British Dietetic Association 2021). 

Link zur Stellungnahme: www.bda.uk.com
Link zum Faktenblatt: www.bda.uk.com

Kanada

Canadian Paediatric Society (CPS): Kanada ist in der Ausrichtung von Ernährungsempfehlungen auf eine vegane Ernährung ebenfalls schon einige Schritte voraus. In den Richtlinien der Pädiatrischen Gesellschaft wird sowohl eine vegetarische als auch eine vegane Ernährung als für Kinder geeignet eingeordnet. Die CPS positioniert sich hier so, dass eine gut geplante vegane Ernährung in allen Lebensphasen eine gesunde Ernährung darstellen kann. Sie betont dabei ebenfalls, dass auf die Deckung aller wichtigen Nährstoffe sowie eine ausreichende Kalorienzufuhr geachtet werden soll, und empfiehlt, eine Ernährungsberatung oder ärztliche Betreuung zur Unterstützung hinzuzuziehen.

Link zur Stellungnahme: www.caringforkids.cps.ca

Nordic Council of Ministers

In den Nordic Nutrition Recommendations für die Länder Dänemark, Finnland, Island, Norwegen, Schweden, Färöer Inseln, Grönland und Åland aus dem Jahr 2012 heißt es klar, dass eine vegane Ernährung Kindern eine bedarfsgerechte Nährstoffversorgung und ein normales Wachstum ermöglichen kann, sofern eine Vitamin-B12-Supplementierung erfolgt. Der Bericht schlüsselt alle Nährstoff- und Vitamingruppen auf, denen bei einer veganen Ernährung besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte, und gibt Hilfestellungen, wie diese jeweils abgedeckt werden können.

Link zu den Richtlinien: www.norden.diva-portal.org

Neuseeland

Im Jahr 2015 hat das Gesundheitsministerium eine überarbeitete Auflage der eigenen Richtlinien für Kinder und Jugendliche zwischen 2 und 18 Jahren veröffentlicht. Darin wird der Standpunkt vertreten, dass es auch für Kinder und junge Menschen möglich ist, über eine gut geplante vegane Ernährung alle erforderlichen Nährstoffe aufzunehmen. In einem eigenen Kapitel wird auf alle wichtigen Nährstoffgruppen eingegangen und vermittelt, wie eine adäquate Ernährung zusammengestellt werden kann. Zudem wird auf Anlaufstellen hingewiesen, die Eltern zur Unterstützung aufsuchen können. Gesundheitsfachkräfte werden ebenfalls adressiert und in Bezug auf den respektvollen Umgang mit veganen Familien sensibilisiert.

Link zu den Richtlinien: www.health.govt.nz

Spanien

Asociación Española de Pediatría (AEP): 2020 veröffentlichte das Komitee für Ernährung und Stillen der spanischen Gesellschaft für Pädiatrie eine Position zu vegetarischer Ernährung bei Säuglingen und Kindern. Darin wird vor allem die Notwendigkeit angesprochen, dass sich Kinderärzt:innen mit einer vegetarischen bzw. veganen Ernährung gut auskennen sollten, um der wachsenden Zahl vegetarischer und veganer Familien gerecht zu werden (Redecillas-Ferreiro et al. 2020). Es wird darauf hingewiesen, dass es zwar noch unzureichend wissenschaftlich untersucht wurde, wie sich eine Ernährung ohne tierische Produkte langfristig auf die Entwicklung von Kindern auswirkt, aber es durch heutige Möglichkeiten immer leichter wird, eine ausgewogene vegetarische Ernährung umzusetzen und die Risiken von Mängeln zu reduzieren (Redecillas-Ferreiro et al. 2020). Auch wenn sich die AEP in diesem Beitrag ausführlich mit der gesundheitsgerechten Umsetzung einer vegetarischen oder veganen Ernährung auseinandersetzt, kommt sie trotzdem am Ende zu dem Schluss, dass eine omnivore oder zumindest ovo-lacto-vegetarische Ernährung für Kinder immer noch ratsamer wäre.

Link zur Homepage: www.analesdepediatria.org
Link zur Stellungnahme: www.reade.elsevier.com

USA

Academy of Nutrition and Dietetics (AND): Die Pionierin, wenn es um eine vegan-freundliche Haltung geht, ist die Academy of Nutrition and Dietetics aus den USA. Sie hat eine vegane Ernährung für alle Altersgruppen und Lebensphasen bereits 2016 in ihrer Veröffentlichung zu vegetarischer Ernährung empfohlen (Melina et al. 2016), in der auch die gesundheitsfördernden Eigenschaften betont werden.

Im Jahr 2018 hat die AND darüber hinaus eine eigene Empfehlung für Kinder und Jugendliche veröffentlicht, die im sogenannten VegPlate Junior aufbereitet ist (Baroni et al. 2018). Hierbei handelt es sich um einen Food-Guide für Kinder und Jugendliche, die sich vegan oder vegetarisch ernähren. Damit möchten die Verfasser:innen das Fehlen konkreter Richtlinien für eine fleischfreie Ernährung in der genannten Altersgruppe ansprechen. Die VegPlate Junior haben sie auf die Altersgruppe 6 Monate bis 17 Jahre ausgerichtet. Sie möchten damit sicherstellen, dass Eltern und Kinder, die sich bewusst und ausgewogen vegan ernähren wollen, dies auch gesundheitsförderlich tun können. Die VegPlate Junior richtet sich primär an Gesundheitsfachkräfte, die darin geschult werden sollen, gut informiert und reflektiert beraten zu können.

Link zur Stellungnahme: www.jandonline.org
Link zur VegPlate Junior: VegPlate Junior

 

 

American Academy of Pediatrics (AAP): Die AAP wirkt ebenfalls in den USA. Auch sie spricht sich für eine vegane Ernährung bereits in frühen Lebensphasen aus. Laut AAP ist eine gut geplante vegane Ernährung für Säuglinge, Kinder und Jugendliche geeignet. In ihrer Position beruft sie sich auf die AND. Im Gegensatz zur AND fokussiert sich die AAP allerdings auf den Begriff „Plant-based“ und fasst diesen weiter. Abschließend konkretisiert sie, dass auch eine ei- und milchfreie vegane Ernährung gesund und vollwertig sein kann.

Link zur Stellungnahme: www.healthychildren.org

Zum Schluss

Zum Abschluss möchten wir für alle, die sich selbst ausführlich mit den offiziellen Richtlinien auseinandersetzen möchten, auf ein weiteres wegweisendes Werk aus den USA hinweisen. Meghan Harrison und Kathryn Dewey von den „National Academies of Science, Engineering and Medicine“ haben zusammen mit ihren Kolleg:innen für das Komitee zur Erfassung existierender Richtlinien zu Ernährungsempfehlungen von Säuglingen und Kleinkindern unter zwei Jahren (Committee on Scoping Existing Guidelines for Feeding Recommendations for Infants and Young Children Under Age 2) eine Übersicht über die entsprechenden Richtlinien erstellt.

Damit bieten sie eine Zusammenstellung internationaler Empfehlungen dazu, was Kindern unter zwei Jahren gefüttert werden soll. In dem eigenen Punkt „Vegetarian and Vegan Diets“ gehen sie näher auf offizielle Richtlinien ein, die eine fleischfreie oder rein pflanzliche Ernährung aufgreifen. Eine Tabelle liefert eine Übersicht, auf welche Nährstoffgruppe die Richtlinien jeweils eingehen und wie die Positionierung zu sojabasierten und pflanzlichen Alternativen beim Zufüttern ausfällt (Harrison & Dewey 2020).

 

Wer sich für die praktische Umsetzung einer veganen Ernährung im Kindesalter interessiert, findet in den folgenden Beiträgen Informationen:

  • Artikel zu veganer Ernährung für Kinder
  • Broschüre zu veganer Ernährung für Kinder, Schwangere und Stillende
  • Broschüre zu Nahrungsergänzungsmitteln für Kinder
  • Webinar: „Nahrung für die Kleinsten: So gelingt die gesunde vegane Beikost“
  • Webinar: „Vegane Ernährung im Kindes- und Jugendalter“

Quellen

Alexy, Ute; Fischer, Morwenna; Weder, Stine; Längler, Alfred; Michalsen, Andreas; Sputtek, Andreas; Keller, Markus (2021). Nutrient intake and status of german children and adolescents consuming vegetarian, vegan or omnivore diets: Results of the vechi youth study. Nutrients, 13(5), 1707. https://doi.org/10.3390/nu13051707.

Alexy, Ute; Fischer, Morwenna; Weder, Stine; Längler, Alfred; Michalsen, Andreas; Keller, Markus. Vegetarische und vegane Ernährung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – VeChi-Youth-Studie. https://www.vechi-youth-studie.de/ergebnisse/ (Zugegriffen: 17.04.2023).

British Dietetic Association. (2021). Vegetarian, vegan and plant-based diet: food fact sheet.

Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. Der Wissenschaft verpflichtet – Ihr Partner für Essen und Trinken. Pressemappe zur Vorstellung des 14. DGE-Ernährungsberichts. 24. November 2020. https://www.dge.de/fileadmin/public/doc/pm/2020/14eb/Pressemappe-14-DGE-Ernaehrungsbericht.pdf (Zugegriffen: 17.04.2023).

Forschungsinstitut für pflanzenbasierte Ernährung. https://ifpe-giessen.de/vechi-diet-studie-2019/ (Zugegriffen: 17.04.2023).

Harrison, Meghan; Dewey, Kathryn (2020). Feeding Infants and Children from Birth to 24 Months: Summarizing Existing Guidance.

Melina, Vesanto; Craig, Winston; Levin, Susan (2016). Position of the Academy of Nutrition and Dietetics: vegetarian diets. Journal of the Academy of Nutrition and Dietetics, 116(12), 1970–1980.

Netzwerk Gesund ins Leben. Pflanzenbetont ins neue Jahr – Gesunde Ernährung für Mensch und Umwelt. https://www.gesund-ins-leben.de/netzwerk-gesund-ins-leben/aktuelle-meldungen/meldungen-2023/pflanzenbetont-ins-neue-jahr/ (Zugegriffen: 17.04.2023).

Plank, Renate (2019). Sicherheit und Risiken vegetarischer und veganer Ernährung in Schwangerschaft, Stillzeit und den ersten Lebensjahren. Monatsschrift Kinderheilkunde, 167 (Suppl 1), 22–35.

Redecillas-Ferreiro, Susana; Moráis-López, Ana; Moreno-Villares, José M. (2020). Position paper on vegetarian diets in infants and children. Committee on Nutrition and Breastfeeding of the Spanish Paediatric Association. Anales de Pediatría (English Edition), 92(5), 306–e1.

Rudloff, Silvia; Bührer, Christoph; Jochum, Frank; Kauth, Thomas; Kersting, Mathilde; Körner, Antje; Koletzko, Berthold; Mihatsch, Walter; Prell, Christine; Reinehr, Thomas; Zimmer, Klaus-Peter (2019). Vegetarian diets in childhood and adolescence. Molecular and cellular pediatrics, 6(1), 1–7.https://doi.org/10.1186/s40348-019-0091-z.

Weder, Stine; Hoffmann, Morwenna; Becker, Katja; Alexy, Ute; Keller, Markus (2019). Energy, macronutrient intake, and anthropometrics of vegetarian, vegan, and omnivorous children (1–3 years) in Germany (VeChi Diet Study). Nutrients, 11(4), 832.

Weder, Stine; Keller, Markus; Fischer, Morwenna; Becker, Katja; Alexy, Ute (2022). Intake of micronutrients and fatty acids of vegetarian, vegan, and omnivorous children (1–3 years) in Germany (VeChi Diet Study). European Journal of Nutrition, 61(3), 1507–1520.