Breaking News: Die ÖGE veröffentlicht neue Empfehlungen zur veganen Ernährung
Breaking News: Die ÖGE veröffentlicht neue Empfehlungen zur veganen Ernährung
Ist eine vegane Ernährung gesund? Wie gelingt sie ausgewogen und bedarfsdeckend? Worauf sollte in besonderen Lebensphasen wie Schwangerschaft und Kindheit geachtet werden? All diese und viele weitere Fragen beantwortet die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) ausführlich in ihren neuen Umsetzungsempfehlungen zur veganen Ernährung.
Bisherige Empfehlungen
Lang hat sich die ÖGE in Hinblick auf vegane Ernährung zurückgehalten. Für Österreich galt offiziell die lediglich 1,5 Seiten kurze „Empfehlung der Nationalen Ernährungskommission (NEK) zur veganen Ernährung“ aus dem Jahr 2016, laut der „eine ausreichende Versorgung mit einigen Nährstoffen nicht oder nur schwer möglich“ wäre und von einer veganen Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie im gesamten Kindes- und Jugendalter „dringend abgeraten“ wird. Daneben existierte ein Positionspapier der Schwesterorganisation Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), ebenfalls aus dem Jahr 2016, sowie eine Ergänzung hinsichtlich Kindern, Jugendlichen, Schwangeren und Stillenden aus dem Jahr 2020. Diese waren zwar deutlich differenzierter als die NEK-Empfehlung, dennoch war die ablehnende Haltung gegenüber veganer Ernährung in vulnerablen Lebensphasen offensichtlich. Mit der kürzlich veröffentlichten Neubewertung änderte sich dies: Die DGE rät von einer veganen Ernährung in Schwangerschaft, Stillzeit und Kindheit nun nicht mehr ab. Zudem erklärt sie, dass eine vegane Ernährung äußerst umweltfreundlich und – unter bestimmten Voraussetzungen – als gesundheitsfördernd anzusehen ist.
Vegane Ernährung gewinnt an Bedeutung
In den letzten Jahren hat sich in Sachen vegane Ernährung viel getan: Nicht nur das Angebot an veganen Produkten und pflanzlichen Gerichten ist explosionsartig gestiegen, sondern auch die Zahl der Veganer:innen hat stark zugenommen. Das große Interesse macht sich zudem in der Wissenschaft bemerkbar: Immer mehr Studien zeigen, dass eine ausgewogene vegane Ernährung möglich ist und ökologische Vorteile mit sich bringt.
Mit ihren neuen FAQ trägt die ÖGE diesen Entwicklungen Rechnung und veröffentlicht ausführliche und zeitgemäße Fragen und Antworten sowie Empfehlungen für die praktische Umsetzung zur veganen Ernährung. Das über 60 Seiten umfassende Dokument geht gründlich auf die Frage ein, wie der Bedarf an kritischen Nährstoffen mit einer ausgewogenen veganen Ernährung gedeckt werden kann und wie eine praktische Umsetzung möglich ist. Neben diesen beiden Schwerpunkten werden viele weitere Details betrachtet: Worauf ist bei vulnerablen Gruppen wie Schwangeren, Stillenden und Kindern, aber auch Älteren, Menschen mit Beeinträchtigung sowie Sporttreibenden zu beachten? Ernähren sich Veganer:innen gesünder, umwelt- und ressourcenschonender als Allesesser:innen? Was ist von veganen Fertig- und Ersatzprodukten zu halten? Wie können pflanzliche Gerichte in die Gemeinschaftsverpflegung integriert werden? Wie kommt es zu den unterschiedlichen internationalen Empfehlungen? Warum sollte man bei Ratschlägen von Influencer:innen vorsichtig sein? Zudem gibt es Rezeptvorschläge, Hinweise, wo man qualifizierte Ernährungsberater:innen findet, sowie Informationen zu veganen Gütesiegeln.
Neue Erkenntnisse im Vergleich zur bisher gültigen Empfehlung
Die ÖGE geht auch auf die Frage ein, welche neuen Erkenntnisse die aktuelle Publikation im Vergleich zu den bisher gültigen Empfehlungen der Nationalen Ernährungskommission liefert. Sie fasst die Bewertung der Literatur seit der NEK-Publikation folgendermaßen kurz zusammen:
- Eine vegane Ernährung kann für gesunde Erwachsene gesundheitsfördernd sein, wenn Vitamin B12 supplementiert wird und auf eine bedarfsdeckende Zufuhr potenziell kritischer Nährstoffe geachtet wird.
- Aufgrund der weiterhin eingeschränkten Datenlage und des möglichen Risikos bei inadäquater Durchführung möchte die ÖGE keine Empfehlung für eine vegane Ernährung bei Kindern, Jugendlichen, Schwangeren, Stillenden und Senior:innen aussprechen. Sie rät jedoch – anders als die bisherigen NEK-Empfehlungen von 2016 – auch nicht explizit davon ab, sondern hält fest, dass in diesen Lebensphasen im Fall einer veganen Ernährung besonders fundierte Ernährungskompetenzen vorliegen müssen. Eine zuverlässige Supplementierung mit Vitamin B12 und ggf. mit weiteren potenziell kritischen Nährstoffen sowie eine gut geplante Lebensmittelauswahl sind von entscheidender Bedeutung. Eine Ernährungsberatung durch qualifizierte Fachkräfte wird ausdrücklich empfohlen.
Welche Bedeutung haben die neuen FAQ und wie können sie eingeordnet werden?
Die „FAQs und Empfehlungen für die praktische Umsetzung“ wurden von einer unabhängigen wissenschaftlichen Fachgesellschaft erstellt, die Forschungsergebnisse objektiv einordnet und deren Vorstand sich aus den renommiertesten Ernährungswissenschaftler:innen des Landes zusammensetzt. Sie sind daher auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und werden nicht durch besondere Interessen wie die Vermarktung von Nahrungsergänzungsmitteln oder tierischen Produkten beeinflusst. Zudem entstanden die Fragen und Antworten der ÖGE im engen Austausch mit der DGE, die sich im Rahmen ihres neuen Positionspapiers ebenfalls intensiv mit der aktuellen Studienlage auseinandergesetzt hat und sogar ein eigenes Umbrella-Review, also eine wissenschaftliche Arbeit mit höchster Evidenzstufe, durchgeführt hat.
Die FAQ der ÖGE gelten speziell für Veganer:innen in Österreich. Empfehlungen zur Lebensmittelauswahl und Supplementierung sind somit bestmöglich an deren Verfügbarkeit sowie die generelle Situation in Österreich angepasst.
Mit ihrer wissenschaftlichen Einordnung und den umfassenden Empfehlungen für die praktische Umsetzung ist die Publikation eine wichtige und hilfreiche Ressource für all jene (insbesondere gesunde Erwachsene), die sich vegan ernähren (möchten). Als Vegane Gesellschaft danken wir der ÖGE daher für die ausführlichen und praxisorientierten Informationen rund um die vegane Ernährung und hoffen, dass sie auch bei Ernährungsfachkräften, Politik und Medien entsprechende Beachtung finden.
Wir bedauern allerdings, dass die NEK trotz der aktuellen, wissenschaftlich fundierten und detaillierten Empfehlungen der ÖGE an der alten und undifferenzierten Empfehlung aus dem Jahr 2016 festhält und diese nicht überholt werden soll. Im Gegensatz zur rein wissenschaftlich arbeitenden ÖGE setzt sich die NEK aus zahlreichen weiteren Stakeholder:innen zusammen, die beispielsweise die Interessen der verschiedenen Ministerien, der Landwirtschaft oder der Lebensmittelindustrie vertreten. Positiv hervorzuheben ist jedoch, dass die neuen Umsetzungsempfehlungen der ÖGE vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) in Auftrag gegeben wurden und auch auf deren Website zu finden sind. Wir hoffen, dass diese zukünftig auch bei politischen Entscheidungen, wie etwa der Umsetzung der veganen Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung, Beachtung finden werden.
Es bleibt zu hoffen, dass in Zukunft viele weitere Studien mit vegan lebenden Menschen durchgeführt und somit Forschungslücken geschlossen werden. Aussagekräftige wissenschaftliche Ergebnisse in Hinblick auf die vegane Ernährung bei vulnerablen Gruppen wären besonders wünschenswert. Anhand von zusätzlichen Studien, die die vielen positiven Erfahrungen aus der Praxis hinsichtlich veganer Ernährung von Kindern, Schwangeren, Stillenden und älteren Menschen bestätigen, könnten die offiziellen Empfehlungen im Laufe der Zeit angepasst und vervollständigt werden.
Bildquelle: Ann H/Pexels