Vegane Ernährung in der Kindheit – ein Überblick

Vegane Ernährung in der Kindheit – ein Überblick

03.03.2025

Kindheit und Jugend sind sensible Lebenszeiten, in denen die Versorgung mit lebensnotwendigen Nährstoffen eine besonders wichtige Rolle spielt. Durch das Wachstum ist der Nährstoffbedarf erhöht und Ernährungsfehler können sich schnell in Form von Entwicklungsstörungen bemerkbar machen. Die Aufgabe der Ernährung besteht in diesen Lebensjahren darin, eine gute körperliche und geistige Entwicklung zu fördern und gleichzeitig dazu beizutragen, ernährungsabhängigen Krankheiten vorzubeugen.

Geeignet in jeder Lebensphase

Sich gesund und ausgewogen pflanzlich zu ernähren, ist in jedem Lebensalter möglich. Das gilt auch für die Kindheit: Immer mehr Studien zeigen, dass eine bedarfsdeckende vegane Ernährung bereits in den ersten Lebensjahren gut umsetzbar ist und eine gesunde Entwicklung des Kindes unterstützt.

Wer seinen Nachwuchs vegan ernähren möchte, sollte sich allerdings ausführlich mit der Ernährung auseinandersetzen. Wesentlich ist, dass das Kind mit allen Nährstoffen ausreichend versorgt ist. Das ist wichtig, damit es sich körperlich und geistig gut entwickeln kann.

Unsere ausführliche Broschüre „Vegane Ernährung für Kinder“ mit vielen Praxistipps und kindertauglichen Rezepten kannst du gratis bei uns bestellen oder als PDF herunterladen.

In unserer Liste „Nahrungsergänzungsmittel für Kinder“ bekommst du zudem einen detaillierten Überblick über geeignete Supplemente für Kinder und Säuglinge und die dem jeweiligen Lebensalter entsprechende richtige Dosierung.

 

Was sagen die Fachgesellschaften?

Die Einschätzungen fallen unterschiedlich aus. Die Academy of Nutrition and Dietetics (A.N.D.) aus den USA erklärt bereits seit vielen Jahren, dass eine gut geplante vegane Ernährung für Kinder und Jugendliche geeignet ist (Melina et al. 2016). Dem schließen sich verschiedene ernährungswissenschaftliche und kinderärztliche Fachgesellschaften aus der ganzen Welt an, unter anderem der Verband britischer Diätolog:innen sowie die kanadischen und die US-amerikanischen Gesellschaften für Kinder- und Jugendmedizin. Unterstützende Statements gibt es zudem von verschiedenen Gesundheitsministerien, beispielsweise aus Australien, Neuseeland und Portugal.

„Die Academy of Nutrition and Dietetics ist der Ansicht, dass gut geplante vegetarische Ernährungsformen, einschließlich der veganen Ernährung, gesund und ernährungsphysiologisch bedarfsgerecht sind und gesundheitliche Vorteile hinsichtlich der Vorbeugung und Behandlung bestimmter Krankheiten haben. Diese Ernährungsformen sind für Menschen in jeder Lebensphase geeignet, einschließlich Schwangere, Stillende, Kleinkinder, Kinder, Jugendliche und Sportler:innen.“ (Melina et al. 2016)

Die Empfehlungen im deutschsprachigen Raum sind verhaltener. Mittlerweile wird jedoch auch hierzulande nicht mehr explizit von einer veganen Ernährung im Kindesalter abgeraten. Mit Verweis auf die weiterhin eingeschränkte Datenlage möchte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) derzeit weder eine eindeutige Empfehlung dafür noch dagegen aussprechen (Klug et al. 2024). Die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) schließt sich dieser Einschätzung an (Österreichische Gesellschaft für Ernährung 2024). Beide Fachgesellschaften erklären, dass fundierte Ernährungskompetenzen der Eltern sehr wichtig sind. Auch die Ernährungskommissionen der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) sowie der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) formulieren sehr vorsichtig. Sie geben aber konkrete Handlungsempfehlungen, was bei einer veganen Ernährung beachtet werden sollte (Plank et al. 2019; Rudloff et al. 2019).

Studien mit vegan lebenden Kindern

Auch wenn immer mehr Studien mit vegan lebenden Kinder veröffentlicht werden, ist die Datenlage nach wie vor eingeschränkt.

Für eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2023 wurden alle früheren Studien zu vegan lebenden Kindern analysiert und gemeinsam ausgewertet. Die Analyse hat ergeben, dass vegane Kinder und Jugendliche mit vielen Nährstoffen besser als allesessende versorgt sind. Dazu zählen die Vitamine C, E und Folat, die Mineralstoffe Magnesium und Kalium, mehrfach ungesättigte Fettsäuren sowie Ballaststoffe. Vorteilhaft ist zudem, dass sie weniger gesättigte Fettsäuren und Cholesterin zuführen und dass ihr Cholesterinspiegel niedriger ist. Andererseits nahmen vegane Kinder und Jugendliche in dieser Auswertung von einigen anderen Nährstoffen weniger als omnivore auf. Das betrifft vor allem Protein und Vitamin B2, aber auch die Versorgung mit Kalzium, Jod, Eisen, Zink und Selen war teilweise nicht so gut.

Besonders interessant ist die Frage, wie sich vegane Kinder und Jugendliche entwickeln. Laut der Übersichtsarbeit sind die Körpermaße der verschiedenen Ernährungsgruppen vergleichbar. So gab es bei Gewicht und BMI keine Unterschiede. Die veganen Teilnehmer:innen waren zwar in der Gesamtauswertung geringfügig kleiner, jedoch waren sie zum Teil auch jünger als die omnivore Vergleichsgruppe, wodurch sich der Größenunterschied relativiert (Koller et al. 2023).

Erfreulich ist, dass vegan ernährte Kinder und Jugendliche in neueren Studien großteils gut mit Vitamin B12 versorgt sind (Weder et al. 2022; Koller et al. 2023), während sie früher oft zu wenig aufnahmen. Das zeigt, dass das Wissen rund um vegane Ernährung zugenommen hat. Vegane Eltern sind heute deutlich besser darüber informiert, auf welche Nährstoffe gezielt geachtet werden sollte.

Worauf sollte geachtet werden?

Muttermilch ist die ideale Ernährung während der ersten Monate. Sie versorgt den Säugling mit allen notwendigen Nährstoffen. Kann oder möchte eine Mutter nicht stillen, kann sie auf Formulanahrung auf Sojabasis zurückgreifen. Zwischen dem 5. und 7. Monat kommt üblicherweise Beikost in Form von Brei oder Baby-led Weaning hinzu. Als Brei eignet sich beispielsweise ein Gemüse-Kartoffelbrei, der mit einer Eisenquelle wie Hirseflocken, Haferflocken oder roten Linsen versehen und etwas Leinöl zur Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren angereichert wird.

Wie auch für Erwachsene ist für Kinder eine abwechslungsreiche Kost auf Basis von viel frischem Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Vollkorngetreide und hochwertigen Ölen notwendig. Aufgrund ihrer kleinen Mägen nehmen Kinder unter Umständen zu wenig Kalorien auf. Konzentrierte Energie liefern Fette in Form von Avocados, Nüssen, Samen, Nussmusen und Tahin, Sojaprodukte und Trockenfrüchte. Hülsenfrüchte, Tofu und andere Sojaprodukte versorgen mit Eiweiß. Vitamin B12 muss supplementiert werden, sobald das Kind nicht mehr den Großteil seiner Energie über die Muttermilch aufnimmt. Vitamin D wird entweder durch Sonnenschein in der Haut produziert oder über Supplemente eingenommen. Als Eisenquellen stehen unter anderem Hirse, Quinoa, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen, Trockenfrüchte sowie grünes Blattgemüse zur Verfügung. Zur besseren Aufnahme ist ein gleichzeitiger Verzehr von Vitamin C in Form von frischem Obst oder Gemüse wichtig. Kalzium nimmt das Kind unter anderem durch dunkelgrüne Gemüsesorten wie Brokkoli und Pak Choi, angereicherte Sojamilch, Tofu oder auch Tahin und Mandelmus auf. Die Versorgung mit Jod sollte unbedingt sichergestellt werden – je nach Lebensalter durch jodiertes Speisesalz, gelegentlich kleine Mengen Algen oder Supplemente. Zink liefern Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Tofu und Nüsse. Die Versorgung mit den längerkettigen Fettsäuren DHA und EPA kann durch Supplemente auf Algenölbasis oder ggf. auch durch Leinöl sichergestellt werden.

Mögliche Vorteile von veganer Ernährung im Kindesalter

Die Zahl übergewichtiger Kinder nimmt rapide zu. Damit steigt auch die Verbreitung von sogenannten „Wohlstandskrankheiten“ wie Diabetes mellitus Typ II und Bluthochdruck bereits im Kindesalter dramatisch. Die Gründe sind neben Bewegungsmangel ein Überangebot an Energie, tierischen Lebensmitteln, die neben vielen gesättigten Fettsäuren und Eiweiß auch viel Salz enthalten, sowie Zucker. Gleichzeitig sind allesessende Kleinkinder häufig mit Folsäure, ungesättigten Fettsäuren, Vitamin D und Eisen unterversorgt. Eine vegane Ernährung kann das Risiko für diese Erkrankungen nachgewiesenermaßen deutlich reduzieren. Zusätzlich enthält vegane Kost viel Folsäure – das Mangelvitamin der Allgemeinbevölkerung – sowie präventiv wirkende Substanzen wie sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe.

Kurze Checkliste: Worauf gezielt achten?

  • Eine abwechslungsreiche Ernährung, bestehend aus Hülsenfrüchten, Tofu und anderen Sojaprodukten, Vollkorngetreide, Gemüse und Obst, Nüssen, Samen und Nussmusen sowie hochwertigen Ölen.
  • Konzentrierte Energie liefern Fette in Form von Avocados, Nüssen, Nussmusen und Tahin, Sojaprodukte und Trockenfrüchte.
  • Hülsenfrüchte spielen eine wichtige Rolle, denn sie liefern hochwertiges Eiweiß sowie viele weitere wichtige Nährstoffe wie Eisen, Zink und B-Vitamine (außer Vitamin B12). Auch Sojaprodukte wie Tofu zählen dazu.
  • Vitamin B12 muss in Form von Nahrungsergänzungsmitteln und/oder angereicherten Produkten ergänzt werden.
  • Auf ausreichend Jod achten – je nach Lebensalter können jodiertes Speisesalz, Meeresalgen wie Nori oder Supplemente zur Versorgung beitragen. Für kleine Kinder sind Nahrungsergänzungsmittel empfehlenswert.
  • Vitamin D sollte ergänzt werden, sofern das Kind nicht ausreichend Sonne ausgesetzt ist.
  • Der Bedarf an der Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure wird durch  ½–1 Teelöffel Leinöl oder 2 Teelöffel bis 1 Esslöffel Rapsöl gedeckt. Die längerkettigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA können durch Algenöl zugeführt werden.
  • Auf ausreichende Quellen für Eisen (z. B. Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte), Kalzium (z. B. Tofu, angereicherte Pflanzenmilch) sowie Zink (z. B. Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen) achten.
  • Mit regelmäßigen Bluttests kann der Versorgungszustand des Kindes überprüft werden. Als Alternative zur Blutabnahme kommen nicht invasive Überwachungsmethoden wie Urintests (z. B. zur Überprüfung des Jodstatus) sowie Ultraschalluntersuchungen zur Abklärung der Knochengesundheit in Frage.

Weiterführende Infos

Quellen

  • Klug A., Barbaresko J., Alexy U., Kühn T., Kroke A., Lotze-Campen H., Nöthlings U., Richter M., Schader C., Schlesinger S., Virmani K., Conrad J., Watzl B. on behalf of the German Nutrition Society (DGE). (2024). Update of the DGE position on vegan diet – Position statement of the German Nutrition Society (DGE). Ernährungs Umschau (71:7); 60–84.
  • Koller A., Rohrmann S., Wakolbinger M., Gojda J., Sellinger E., Cahova M., Světnička M., Haider S., Schlesinger S., Kühn T., Keller J. W. (2023.) Health aspects of vegan diets among children and adolescents: a systematic review and meta-analyses. Critical Reviews in Food Science and Nutrition, 1–12.
  • Melina V., Craig W., Levin S. (2016.) Position of the Academy of Nutrition and Dietetics: vegetarian diets. Journal of the Academy of Nutrition and Dietetics, 116 (12), 1970–1980.
  • Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE). 2024. Vegane Ernährung – FAQs und Empfehlungen für die praktische Umsetzung, Wien.
  • Plank, R. (2019.) Sicherheit und Risiken vegetarischer und veganer Ernährung in Schwangerschaft, Stillzeit und den ersten Lebensjahren. Monatsschrift Kinderheilkunde, 167 (Suppl. 1), 22–35.
  • Rudloff S., Bührer C., Jochum F., Kauth T., Kersting M., Körner A., Koletzko B., Mihatsch W., Prell C., Reinehr T., Zimmer K. (2019.) Vegetarian diets in childhood and adolescence. Molecular and cellular pediatrics, 6 (1), 1–7.
  • Weder S., Keller M., Fischer M., Becker K., Alexy, U. (2022.) Intake of micronutrients and fatty acids of vegetarian, vegan, and omnivorous children (1-3 years) in Germany (VeChi Diet Study). European Journal of Nutrition (61), 1507–1520.