Nicht das Gelbe vom Ei – Kücken, Hennen und Hähne in der Eierwirtschaft

Nicht das Gelbe vom Ei – Kücken, Hennen und Hähne in der Eierwirtschaft

24.11.2022

Der Wert von einem Hühnerleben ist knapp bemessen und in der Fleisch- wie auch Eierwirtschaft erreichen Hühner nur einen Bruchteil ihrer natürlichen Lebenserwartung. Doch Hühner sind höchst empfindsame Lebewesen mit faszinierenden kognitiven und sozialen Eigenschaften, die schnell entdeckt werden, wenn man sie nur aufmerksam betrachtet.

Lebenswege von Hühner in der Eierwirtschaft

Hierzulande gibt es 35 Elterntierbetriebe in der Eierwirtschaft. Dort leben Hähne und Hennen zusammen, deren Eier in einer von drei Brütereien künstlich ausgebrütet werden. Die Kücken werden nach dem Schlüpfen nach dem Geschlecht sortiert. Männliche Kücken von sogenannten Legerassen sind wirtschaftlich nicht interessant, sie wachsen im Vergleich mit ihren Artgenoss:innen von sogenannten Mastrassen zu langsam, werden großteils an ihrem ersten Lebenstag mit Gas getötet und als sogenannte Futterkücken für andere Tiere (73 Prozent) verwendet oder der Tierkörperverwertung (16 Prozent) zugeführt. Die restlichen männlichen Kücken stammen aus der Bio-Landwirtschaft und werden als sogenannte Bruderhähne großgezogen, ehe sie mit acht bis zehn Wochen geschlachtet werden. Weibliche Kücken werden dahingegen in einem der 1.200 Legehennenbetriebe untergebracht. Sie erreichen ein Alter von etwa 1 ½ Jahren, ehe ihre Legeleistung und damit das wirtschaftliche Interesse an ihnen nachlässt und sie in einem der drei Hühnerschlachthöfe in Österreich getötet werden.

Lebensbedingungen von Hennen in der Eierwirtschaft

Während ihres Lebens im Legebetrieb sieht sich die Henne mehr als bescheidenen Lebensbedingungen ausgesetzt. In der österreichischen Eierwirtschaft sind konventionelle Käfige zwar seit 2009 und ausgestaltete Käfige seit 2020 verboten, doch es dominiert die Bodenhaltung. Sechs von zehn Eiern stammen aus dieser Haltungsform, der Rest verteilt sich auf Freiland- (26 Prozent) und Bio-Freiland-Haltung (13 Prozent). In der Bodenhaltung teilen sich sieben bis neun Hennen einen Quadratmeter. In anderen Worten leben die meisten Hennen auf einer Fläche von zwei DIN-A4-Blättern. Tausende Tiere werden pro Halle gehalten, doch schon eine Gruppengröße von 50 Tieren ist für ein Huhn überfordernd. So leben sie in der Landwirtschaft in Dauerstress, zumal sie dort keine stabile Rangordnung etablieren können. Fehlende Bewegung und Beschäftigung kommen hinzu und führen zu physischen und psychischen Problemen.

Gerettete Hühner und ihr Leben nach der Landwirtschaft

Zu Recht kann man sich fragen: Muss es sein, dass hierzulande jährlich über 100 Millionen empfindungsfähige Hühner getötet werden? Das entspricht über 400 Hühnern, die ihr Leben verloren haben, seitdem Sie diesen Text lesen. Der Verein „Rette dein Huhn“ setzt hier an, rettet jährlich tausende Hühner vor dem Tod und vermittelt sie an artgerechte und schlachtfreie Plätze. Doch die Tiervermittlung ist schwierig: Im Fall von sogenannten ausrangierten Legehennen sind pro landwirtschaftlichem Betrieb hunderte bis tausende Tiere zu vermitteln. Im Fall von Hähnen gestaltet sich die Platzsuche durch das Sozialverhalten der Tiere schwierig. Während Hennen problemlos ohne Hahn und somit in einer gleichgeschlechtlichen Gruppe leben können, ergibt sich bei gemischtgeschlechtlichen Gruppen die Herausforderung, dass auf einen Hahn etwa zehn Hennen kommen sollen. Die Vermittlung der kleineren Anzahl an männlichen Hähnen ist damit ebenso schwierig wie jene der größeren Anzahl an weiblichen Hennen.

Auf Augenhöhe mit Hähnen am Lebenshof Veganimals

Am Lebenshof Veganimals im niederösterreichischen Weinviertel ist man sich der Problematik der begrenzten Lebensplätze mehr als bewusst. Daher wurde entschieden, Hähne in Not aufzunehmen. Heute leben 22 gerettete Hähne in einer Männergruppe am Hof sowie einige Gänse, Enten, Schwäne, Wachteln und Tauben und Ziegen, Schafe, Schweine, Hunde und Katzen. Magdalena, die den Lebenshof gemeinsam mit ihrem Mann betreibt, ist es wichtig, dass Hühner als Individuen und nicht als Masse gesehen werden: „Hühner sind sehr kluge Tiere und haben sozusagen eine gewisse Straßenschlauheit. Sie können sich die Gesichter von Menschen gut merken und erkennen sie auch nach längerem wieder und wissen, wer ihnen gut oder schlecht gestimmt ist.“

Zudem ist es den Lebenshofbetreiber:innen wichtig, Vorurteile zu Hähnen abzubauen: „Unsere Hähne leben sehr harmonisch miteinander und wie auch andere Hühner machen sie vieles zusammen. Es wird also gemeinsam geschlafen, geruht und gegessen. Interessant ist, dass Hähne ihre Essensrufe, die sie sonst an ihre Hühner richten, auch in der Männergruppe nutzen und ihr Essen brüderlich teilen.“ Natürlich gibt es hin und wieder auch Streit zwischen den Hähnen, doch der legt sich normalerweise schnell, spätestens nach einem Machtwort von den Gänsen.

Der Lebenshof versteht sich auch als Ort für Bewusstseinsbildung und versucht, ein Gefühl für die eigene Lebens- und Ernährungsweise zu schaffen. Viele der Tiere von Veganimals wären früher oder später an ihrem vorherigen Lebensort getötet worden. Die Hähne, die heute gackernd und krähend über den Lebenshof wachen, in der Erde picken und im Sand baden, hatten großes Glück. Ihren Artgenossen in der Landwirtschaft droht nach einem Tag bzw. einem oder zwei Monaten das Ende eines kurzen und oft leidvollen Lebens – ein Schicksal, gegen das mit einer veganen Lebensweise gekämpft werden kann.

Mehr Informationen zu Lebenshöfen (www.vegan.at/lebenshof) und zur Unterstützung von Hühnerrettungen (www.rettedeinhuhn.at) finden sich online!