WWF Living Planet Report 2024: Unser Ernährungssystem zerstört die (Tier-)Welt

WWF Living Planet Report 2024: Unser Ernährungssystem zerstört die (Tier-)Welt

25.04.2025

Die Wildtierbestände sind in den letzten fünfzig Jahren um fast drei Viertel geschwunden, wie der World Wide Fund for Nature (WWF) und die Zoological Society of London (ZSL) im 2024 publizierten „Living Planet Report“ festhalten. Doch was hat diese erschreckende Entwicklung mit globalen Wendepunkten und unserem Ernährungssystem zu tun?

Luchsmutter mit ihrem Jungen
© Staffan Widstrand, WWF

Anhand des Living Planet Index (LPI), der auf 5.495 Arten von Amphibien, Vögeln, Fischen, Säugetieren und Reptilien basiert, können die Zahlen der überwachten Wildtierbestände verglichen werden. Die Entwicklung ist besorgniserregend: Von 1970 bis 2020 sind sie um 73 % geschrumpft.

Gefährdete Arten in Österreich

Auch in Österreich sind zahlreiche Tierarten bedroht: Zwar konnten bereits ausgerottete Arten wie Seeadler oder Luchse wieder angesiedelt werden und sind wie die Wölfe wieder zurückgekehrt, allerdings sind sie durch illegale Jagd gefährdet. Weitere Arten wie Feldhamster, Bachforellen, Feldlerchen und Wildbienen leiden unter feindlichen Lebensbedingungen und dem Einsatz von Pestiziden.

Globales Ziel: 1,5 °C

Bei der UN-Klimakonferenz im Jahr 2015 verpflichteten sich 195 Nationen durch das Pariser Klimaabkommen dazu, die globale Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf unter 1,5 °C zu begrenzen. Aktuell steuern wir auf eine Erwärmung von 3 °C bis zum Ende des Jahrhunderts zu. Dadurch könnten mehrere katastrophale Kipppunkte erreicht werden.

Schwarzspecht und Seeadler in freier Wildbahn
Schwarzspecht und Seeadler © Wild Wonders of Europe, Markus Varesvuo, WWF

Folgenschwere Wendepunkte

Der LPI zeigt, dass die Natur in alarmierendem Tempo verschwindet. Viele kleine Veränderungen können plötzlich zu einschneidenden Kipppunkten führen, die oftmals irreversibel sind und katastrophale Folgen nach sich ziehen. Einige solcher Wendepunkte stehen kurz bevor: Wenn 20–25 % des Amazonaswalds zerstört werden, wird es weniger regnen. Eine solche Änderung des tropischen Klimas hat auch Folgen für die Biodiversität und das globale Klima. Aktuell wurden bereits 14–17 % des Amazonas gerodet.

Ein anderes Beispiel: Wenn die Eisschilder in Grönland und der Westantarktis schmelzen, steigt der Meeresspiegel um mehrere Meter. Gleichzeitig taut im großen Umfang Permafrost auf, wodurch enorme Mengen an Kohlendioxid und Methan emittiert werden und der Klimawandel weiter beschleunigt wird. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, regt der WWF eine Veränderung in den folgenden vier zentralen Bereichen an.

1. Naturschutz

Obwohl in den letzten Jahrzehnten viele Wildtierbestände erhalten oder vergrößert werden konnten, reichen diese isolierten Erfolge nicht aus. Der WWF fordert die rasche Umsetzung des Kunming-Montreal Global Biodiversity Frameworks (GBF) – ein völkerrechtlicher Vertrag der Vereinten Nationen aus dem Dezember 2022, dessen Ziele rund um biologische Vielfalt bis 2050 erreicht werden müssen.

Laut WWF könnten dadurch 30% der Erd-, Wasser- und Meeresflächen geschützt und 30 % der zerstörten Flächen wiederhergestellt werden.

2. Energie

Der Klimawandel wird maßgeblich davon beeinflusst, wie wir Energie produzieren und konsumieren. Wir müssen den Umstieg von fossilen Brennstoffen zu erneuerbarer Energie beschleunigen, um das gesteckte Klimaziel zu erreichen – laut WWF sollten die Investitionen verdreifacht werden, damit die globale Erwärmung unter 1,5 °C gehalten werden kann.

3. Finanzen

Laut dem „Living Planet Report“ hängen – weltweit gesehen – 55 % des Bruttoinlandsprodukts von der Natur ab, deren Wert in wirtschaftlicher Hinsicht nicht beziffert wird. Um unseren Planeten bewohnbar und gesund zu erhalten, sollten Aktivitäten und Geschäftsmodelle finanziell gefördert werden, die uns unseren Zielen rund um Nachhaltigkeit, Klima-, Natur- und Tierschutz näherbringen.

Dafür müssen Veränderungen auf globaler, nationaler und lokaler Ebene erfolgen. Ein besonderer Fokus sollte auf der Finanzierung eines nachhaltigen Ernährungssystems liegen.

Anteil der Lebensmittelproduktion am globalen Ressourcenverbauch: Die Lebensmittelproduktion benötigt 70 % des verfügbaren Wassers und 40 % der bewohnbaren Erdoberfläche und verursacht gleichzeitig 25 % der Treibhausgasemissionen.

4. Ernährung

Das globale Ernährungssystem ist ineffizient und äußerst irrational: Es trägt zur Abnahme der Biodiversität in Pflanzen- und Tierwelt bei, verringert die weltweiten Wasserressourcen, befeuert den Klimawandel und liefert dennoch nicht genug Nahrungsmittel für die Weltbevölkerung. Laut dem Report ist die Lebensmittelproduktion für 70 % des Wasserverbrauchs und 25 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich und beansprucht 40 % der bewohnbaren Erdoberfläche. Paradoxerweise untergräbt unser Ernährungssystem unser gesamtgesellschaftliches Vermögen, die Menschheit – jetzt und in der Zukunft – zu ernähren.

Was wir tun können

Um die Klimaerwärmung stoppen zu können, muss ein grundlegender Wandel stattfinden: Eine Proteinwende in der Landwirtschaft – weg von tierischen und hin zu mehr pflanzlichen Nahrungsmitteln – ist essenziell, da durch die Haltung von Tieren ein Großteil der Ressourcen verbraucht wird. Mit einem Umstieg von omnivorer zu vegetarischer Ernährung können die ernährungsbezogenen Emissionen um die Hälfte reduziert werden. Wer sich vegan ernährt, spart im Vergleich sogar zwei Drittel der Treibhausgasemissionen ein (Schlatzer & Lindenthal 2022).

Darüber hinaus müssen auf politischer Ebene Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren (30–40 % der produzierten Nahrungsmittel werden niemals gegessen) und um ein nachhaltiges, widerstandsfähiges und unabhängiges Ernährungssystem aufzubauen. Dann können Wildbienen weiterhin Pollen sammeln, Feldlerchen uns mit ihrem Gesang verzaubern und Luchse durch die Wälder stromern.

Wildbienen, Feldlerche, Großes Mausohr (Fledermausart), Feldhamster und Bachforelle
Wildbienen, Feldlerche, Großes Mausohr, Feldhamster und Forelle © Egger, Ola Jennersten – WWF Sweden, Anton Vorauer, Christoph Roland, Wild Wonders of Europe, Martin Falklind – WWF (von oben links nach unten rechts)

Unsere Zukunft

Was in den nächsten fünf Jahren passiert, wird unsere Zukunft maßgeblich beeinflussen. In diesen fünf Jahren müssen Entscheidungen getroffen und Aktionen gesetzt werden, damit die erwähnten Wendepunkte nicht erreicht und der Klimawandel, die Naturzerstörung und das Artensterben gestoppt werden können. Doch es gibt Hoffnung: Bei der UNO-Artenschutzkonferenz im Februar 2025 konnten sich die Nationen in Bezug auf die Finanzierung des Artenschutzes bis 2030 einigen.

Quelle: WWF. 2024. Living Planet Report 2024 – A System in Peril. Gland: Switzerland.

Der World Wide Fund for Nature (WWF) ist eine der größten internationalen Natur- und Umweltschutzorganisationen mit Sitz in der Schweiz. Sie wurde 1961 gegründet und setzt sich für die Konservierung und Wiederherstellung von Biodiversität, die Reduktion der von Menschen verursachten negativen Umweltauswirkungen und die nachhaltige Nutzung von natürlichen Ressourcen – für heutige und zukünftige Generationen – ein. Der Living Planet Report wird alle zwei Jahre veröffentlicht.

Dieser Artikel ist in unserer VEGAN.AT-Ausgabe 43 erschienen.