Kühe und Hennen im Fokus – Über die Natürlichkeit des Milchgebens und Eierlegens

Kühe und Hennen im Fokus – Über die Natürlichkeit des Milchgebens und Eierlegens

25.01.2021

Säugetiere geben Milch, Vögel legen Eier – kaum ein anderer biologischer Vorgang ist mit so viel Natürlichkeit verbunden. Schließlich stehen Milch und Eier in engster Verbindung mit dem Nachwuchs der betroffenen Tiere und somit auch mit dem Arterhalt. Dass sich der Mensch tierische Produkte, die für die Fortpflanzung oder den Nachwuchs bestimmt sind, zunutze macht, hat jedoch nichts mit Natürlichkeit, sondern mit soziokulturellen Werten und Normen zu tun. Die Vorstellung, dass der Mensch über der Natur und Tierwelt stünde, führt zu einem Ernährungssystem, das nicht nur die Umwelt zerstört, sondern auch die Leben von Lebewesen – unabhängig davon, ob sie für deren Fleisch, Milch oder Eier gehalten werden.

(Un-)Natürlichkeit: Warum Kühe Milch geben und Hennen Eier legen

Wie auch Menschen geben Kühe nur Milch, wenn sie Nachwuchs zu versorgen haben. Aus diesem Grund wird eine Kuh etwa einmal pro Jahr künstlich befruchtet, damit sie Milch auf einem maximalen Hoch gibt. Damit das Kälbchen nicht seine Milch trinkt, die für den Menschen bestimmt ist, werden Mutter und Kind sofort bis wenige Stunden nach der Geburt voneinander getrennt. Die emotionale Tortur für die beiden ist nur schwer vorstellbar. Weibliche Kälber erwartet meist dasselbe Schicksal wie ihre Mütter, ihre Brüder hingegen landen mit etwa 6 Monaten als Kalbfleisch am Teller. Nicht selten werden sie in berüchtigten Tiertransporten quer durch Europa zur kostengünstigen Mast gekarrt. Was die Milchleistung angeht, so produzierte eine österreichische Kuh Mitte des 20. Jahrhunderts etwa 1.700 kg Milch pro Jahr, während es heute 7.200 kg sind – oder mehr als 4 Mal so viel. Dass der Körper der Kuh nicht für derart hohe Milchmengen ausgelegt ist, zeigt sich in weit verbreiteten Euterentzündungen, Stoffwechsel- und Klauenerkrankungen.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei Hühnern ab. Das Bankivahuhn, die wildlebende Stammform des Haushuhnes, legt etwa 12 Eier pro Jahr. Zuchtbedingt sind es bei den sogenannten Legehennen in unserer Landwirtschaft heute über 300 Eier pro Jahr. Häufige Folgen sind Erkrankungen der Legeorgane, Osteoporose und Knochenbrüche. Der menschliche Eingriff in die Reproduktion geht jedoch noch weiter. Denn Kücken werden heute in der Landwirtschaft nicht mehr von ihren Müttern ausgebrütet. In sogenannten Elterntierbetrieben leben Hennen und Hähne zusammen und ihre befruchteten Eier werden in Brütereien künstlich ausgebrütet. Die Kücken werden nach dem Schlüpfen geschlechtlich sortiert – die Weibchen kommen in einen Legebetrieb, die Männchen erwartet an ihrem ersten Lebenstag der Tod. In beiden Fällen lernen die Kücken ihre Eltern niemals kennen und können die sonst für Vögel so typische Verbindung zu ihren Müttern nicht aufbauen.

Endstation Schlachthof: Das kurze Leben von Kühen und Hennen

Dass Fleisch auf gewaltvolle Weise durch die Tötung eines Tieres entsteht, ist allseits bekannt. Doch dass auch an Milch und Eiern Blut klebt, offenbart sich erst bei einem genaueren Blick. Die Landwirtschaft unterwirft Tiere einer nüchternen Kosten-Nutzen-Kalkulation. Solange die Milch- und Eierleistung rentabel genug ist, leben die Tiere. Sobald keine Höchstmengen mehr erbracht werden, werden die Kühe und Hennen geschlachtet und so sterben sie lange vor dem Ende ihrer natürlichen Lebenserwartung. Sogenannte Milchkühe leben im Schnitt 5 statt 20 Jahre, die sogenannten Legehennen sind mit 1,5 statt 8 Jahren am Ende ihres Lebens angelangt. Die ausgelaugten Körper stellen meist nur Fleisch minderer Qualität dar und insbesondere bei Hühnern werden eigene Mastrassen für die Fleischproduktion eingesetzt. Der Tod von Kühen in der Milchwirtschaft und Hühnern in der Eierwirtschaft muss der Produktion und Konsumption ebendieser Lebensmittel angerechnet werden.

Karnismus: Warum wir Milch und Eier konsumieren

Selten hinterfragen wir unsere Alltagsgewohnheiten und unsere Ernährung ist ein exzellentes Beispiel dafür. Als omnivore Lebewesen haben wir die physiologische Fähigkeit, eine breite Palette an Lebensmitteln zu verdauen. Was wir schließlich essen, hängt weniger von natürlichen, sondern vielmehr von soziokulturellen Faktoren ab. Sozialpsychologin Melanie Joy bezeichnet als Karnismus das Glaubenssystem, das Menschen zur Rechtfertigung einer Dominanz gegenüber Tieren und deren Klassifizierung in essbar und nicht-essbar anwenden. Der Konsum von Tierprodukten wie Kuhmilch und Hühnereiern wird hierbei gemäß der 3 Ns – als normal, natürlich und notwendig – konstruiert. Wie fragil die Argumentation hinter dem Tierkonsum ist, zeigt ein einfaches Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, ihre Katze oder Hündin bringt Nachwuchs zur Welt. Wie jede Mutter kümmert sie sich liebevoll um ihre Kinder. Sie beschützt, putzt und ernährt sie. Würden Sie der frischgebackenen Mutter ihre Babys wegnehmen, um ihre Milch selbst zu trinken? Die Antwort wird in den wenigsten Fällen „Ja“ lauten, alleine der Gedanke an Katzen- oder Hundemilch ist für viele mit Ekel verbunden. Wenn wir es als amoralisch empfinden, einer Katze oder Hündin die Kinder zu stehlen und ihre Milch zu trinken, so können wir einer Kuh nicht dasselbe Schicksal zumuten.

Ausweg: Veganismus aus Respekt vor Lebewesen

Der Veganismus ist eine Lebensweise, die versucht, alle Formen von Ausbeutung an Tieren zu vermeiden. Zentral ist hier die pflanzliche Ernährung, die tierische Produkte ausschließt. Aus ethischen Motiven – wie dem Respekt vor empfindungsfähigen Lebewesen – entscheiden sich immer mehr Menschen für eine vegane Lebensweise. Milch und Eier werden dabei als Produkte erkannt, die von Tieren für sich selbst und nicht für uns hergestellt wurden. Denn niemand braucht Kuhmilch – außer einer Kuh für ihr Kalb. Und niemand braucht ein Hühnerei – außer einer Henne für ihr Kücken.