Faktencheck: Wie gesund ist Soja?

Faktencheck: Wie gesund ist Soja?

12.04.2023

Dass Fleisch und andere tierische Lebensmittel aufgrund ihrer negativen Effekte auf die Umwelt deutlich reduziert werden sollten, gilt mittlerweile als unbestritten. Eine ideale nachhaltige Alternative sind die proteinreichen Hülsenfrüchte. Unter ihnen sticht die Sojabohne hervor, denn sie enthält besonders hohe Mengen an hochwertigem Eiweiß. Viele Menschen sind jedoch wegen widersprüchlicher Aussagen bezüglich der gesundheitlichen Wirkung verunsichert. Wir unterziehen die vielseitige Hülsenfrucht daher einem Faktencheck: Wie gesund sind Tofu, Sojamilch und Co. wirklich?

Welche Nährstoffe liefert Soja?

Mit beachtlichen 38 Prozent Eiweißanteil zählt die Sojabohne zu den proteinreichsten pflanzlichen Lebensmitteln. Darüber hinaus zeichnet sich das Eiweiß durch eine hohe biologische Wertigkeit aus. Es kann also vom Menschen gut für die Bildung von körpereigenem Protein genutzt werden. Auch das Fettsäuremuster ist günstig: Enthalten sind viele ungesättigte Fettsäuren, darunter wertvolle Omega-3-Fettsäuren, und stattdessen nur wenige der eher ungewünschten gesättigten Fettsäuren. Außerdem versorgt die Sojabohne mit nennenswerten Mengen an Eisen, Kalzium und Zink, einigen B-Vitaminen und vielen Ballaststoffen. Das alles macht Soja zu einem hervorragenden Nährstofflieferanten.

Quelle: Bundeslebensmittelschlüssel (BLS – Version 3.02)

Welche Bedeutung haben Phytoöstrogene?

Phytoöstrogene gehören zur Gruppe der sekundären Pflanzenstoffe. Pflanzen produzieren sie beispielsweise infolge einer Stressreaktion auf Infektionen oder Nährstoffmangel sowie zur Bekämpfung von Pathogenen. In der Sojabohne kommen sie in Form von Isoflavonen vor. Deren wichtigste Vertreter sind Genistein, Daidzein und Glycetin. Aufgrund ihrer strukturellen Ähnlichkeit mit dem weiblichen Sexualhormon 17β-Östradiol können Phytoöstrogene an die Östrogenrezeptoren des Menschen andocken.

Die große Besonderheit ist, dass sie selektiv fast nur an den zellschützenden Östrogenrezeptor Beta binden, der gegen überschießende hormonelle Effekte wirkt und beispielsweise verhindert, dass das Wachstum von Gebärmutterschleimhaut oder Brustgewebe in eine unkontrollierte Wucherung ausartet. Die Bindungsneigung für den Östrogenrezeptor Alpha, der die bekannten Östrogeneffekte vermittelt, ist dahingegen marginal. So ist sie beim Östrogenrezeptor Beta im Vergleich mit Östradiol ca. 3-mal geringer, beim Östrogenrezeptor Alpha jedoch ca. 1.000-mal geringer (Rizzo & Baroni 2018).

Als weitere Besonderheit kommt hinzu, dass Soja-Isoflavone bei niedrigem Östrogenspiegel der Frau – wie in den Wechseljahren – wie Östrogen wirken, bei einem hohen Spiegel jedoch gegenteilig (Mörixbauer 2019a). Außerdem hängt ihre Wirkung vom Gewebe ab: Bei den Knochen, dem Herz-Kreislauf-System und der Haut übernehmen sie wie die körpereigenen Hormone eine Schutzfunktion, während sie bei den Brustzellen auf die vorhandenen Östrogene hemmend wirken. Die Bezeichnung „Phytoöstrogen“ ist somit irreführend, da es sich um keine pflanzlichen Hormone handelt. Treffender ist der Begriff „selektive Östrogen-Rezeptor-Modulatoren“, wie Isoflavone fachsprachlich auch bezeichnet werden (Rizzo & Baroni 2018).

Welche gesundheitlichen Vorteile hat Soja?

Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass der Verzehr von Sojalebensmitteln mit einem geringeren Risiko für verschiedene Erkrankungen einhergeht. Insbesondere in epidemiologischen Studien aus Asien wurde bei regelmäßigem Konsum ein geringeres Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen festgestellt (Mörixbauer 2019b). Weitere Studien belegen den risikosenkenden Effekt von Sojaprodukten auf den Blutdruck und die positive Auswirkung von Sojaprotein auf die Blutfettwerte (Leitzmann & Keller 2020, S. 199). Auch zur Prävention verschiedener Krebserkrankungen kann Soja beitragen (Rizzo & Baroni 2018).

Ein hoher Sojakonsum bzw. eine entsprechende Aufnahme von Isoflavonen senkt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur das Risiko für Brust- und Prostatakrebs, sondern verbessert die Prognose bei diagnostiziertem Brustkrebs sogar (Mörixbauer 2019a). Zudem können Hitzewallungen in den Wechseljahren gelindert werden (Mörixbauer 2019a). Schließlich haben verschiedene Untersuchungen ergeben, dass Isoflavone aus der Sojabohne dem durch die Menopause bedingten Knochenverlust entgegenwirken können, indem sie die Knochenresorption senken und die Knochenbildung fördern (Zheng et al. 2016).

Hat Soja bei Männern hormonelle Auswirkungen?

In der Vergangenheit wurden Bedenken laut, dass Soja eine verweiblichende Wirkung auf Männer haben und zu Libido- und Fertilitätsstörungen führen könnte. Im Rahmen einer 2021 veröffentlichten Metaanalyse wurden alle dazu durchgeführten Studien gemeinsam betrachtet und analysiert. Das Ergebnis ist eindeutig: Weder der Verzehr von Sojaprotein noch die Einnahme von isolierten Isoflavonen hat eine Auswirkung auf den Testosteron- oder Östrogenspiegel von Männern – und zwar unabhängig von der eingenommenen Menge und der Einnahmedauer (Reed et al. 2021).

Stört Soja die Schilddrüsenfunktion?

Auch in Hinblick auf die Schilddrüse kann Entwarnung gegeben werden. Theoretisch können Isoflavone zwar die Bildung von Schilddrüsenhormonen reduzieren, diese Hemmung ist jedoch in Anwesenheit von Jod reversibel (Mörixbauer 2019b). Bei gesunden Menschen mit ausreichender Jodversorgung haben Soja-Isoflavone keine negativen Auswirkungen auf die Schilddrüse (Melina et al. 2016). Auch Menschen, die Schilddrüsenmedikamente einnehmen, können weiterhin Sojaprodukte konsumieren, sollten aber mit Ärzt:innen oder Diätolog:innen Rücksprache halten und ihre Schilddrüsenhormone überwachen (The Association of UK Dietitians 2022).

Ist Soja für Kinder geeignet?

Sojalebensmittel wie Tofu, Tempeh und Sojamilch stellen aufgrund ihres hohen Anteils an hochwertigem und gut verfügbarem Protein eine ideale Eiweißquelle für Kinder und Jugendliche dar. Auch wenn noch weitere Forschung zum Thema wünschenswert wäre, weisen die vorhandenen Studien darauf hin, dass Sojakonsum im Kindesalter keine unerwünschten hormonellen Auswirkungen hat und die Pubertätsentwicklung nicht beeinflusst. Stattdessen wird anhand der sogenannten „Early Intake“-Hypothese davon ausgegangen, dass das Brustkrebsrisiko von Frauen deutlich gesenkt werden kann, wenn diese bereits im Kindes- und Jugendalter regelmäßig Sojaprodukte verzehrt haben (Messina et al. 2017). Eine umfangreiche Übersichtsarbeit zu Säuglingsnahrung auf Sojabasis zeigt zudem, dass diese für Kinder eine sichere Option darstellt und ihr Wachstum und ihre Entwicklung mit jenen Kindern vergleichbar ist, die mit Säuglingsnahrung auf Kuhmilchbasis oder Muttermilch gefüttert wurden (Vandenplas et al. 2014).

Welche Sojaprodukte sind empfehlenswert?

Eine gesunde pflanzliche Ernährung sollte vorwiegend aus un- und wenig verarbeiteten Lebensmitteln bestehen. Neben weiteren wertvollen Inhaltsstoffen wie Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen liefern diese besonders viele sekundäre Pflanzenstoffe. So unterscheidet sich auch der Isoflavongehalt in Sojalebensmitteln stark: Je nach Verarbeitungsgrad kann er um bis zu 90 Prozent abnehmen (Rizzo & Baroni 2018). Besonders empfehlenswert sind also ganze Sojabohnen wie Edamame und Sojanüsse sowie wenig verarbeitete Produkte wie Tofu und Sojamilch. Auch fermentierte Produkte wie Tempeh und Miso können sich positiv auswirken. Soja-Isoflavone aus fermentierten Produkten werden vermutlich leichter aufgenommen und könnten so eine stärkere Wirkung erzielen (Izumi 2000).

Wie viel Soja ist gesund?

Um von den positiven Wirkungen der Soja-Isoflavone zu profitieren, dürfte eine Aufnahme von mindestens 60–100 mg pro Tag sinnvoll sein (Rizzo & Baroni 2018). Das entspricht 2,5–4 Portionen Soja, die jeweils ca. 25 mg Isoflavone enthalten. Eine Portion sind beispielsweise 100 g Tofu, 250 ml Sojamilch oder 20 g Sojanüsse, also geröstete Sojabohnen. Diese Zufuhrmenge gilt als sicher (EFSA 2015; AICR 2021). Zwei bis drei Portionen täglich entsprechen zudem den Mengen, die in asiatischen Studien üblicherweise verzehrt wurden, in denen positive Effekte mit Sojakonsum einhergingen (Mörixbauer 2019a).

Aus der Wissenschaft: Regelmäßiger Sojakonsum wirkt sich auf die Gesundheit positiv aus

Studien mit asiatischen Teilnehmer:innen zeigen einen stärkeren Zusammenhang zwischen Soja und Gesundheit als jene mit Menschen aus westlichen Ländern. Die Gründe sind vielschichtig, unter anderem spielen die verzehrte Menge und die Art der Lebensmittel eine Rolle. Während Asiat:innen vor allem traditionelle, wenig verarbeitete Produkte wie Tofu, Miso, Tempeh und Sojamilch zu sich nehmen, werden in den USA und in Europa häufig Isolate und stark verarbeitete Sojaprodukte gegessen.

Ein weiterer Grund dürfte die individuell unterschiedliche Fähigkeit zur Equol-Produktion sein. Manche Menschen können das Soja-Isoflavon Daidzein mit Hilfe bestimmter Darmbakterien zum Stoffwechselprodukt Equol umwandeln, das wiederum deutlich besser als andere Soja-Isoflavone an den zellschützenden Östrogenrezeptor Beta bindet. Bei regelmäßigem Sojakonsum, wie er bei vielen Asiat:innen sowie europäischen Vegetarier:innen und Veganer:innen der Fall ist, ist die Fähigkeit zur Equolbildung signifikant erhöht (Mörixbauer 2019a). Damit wird auch das Krebsrisiko stärker gesenkt.

(nach Rizzo & Baroni 2018)

Quellen

AICR (American Institute for Cancer Research). 2021. Soy: Intake Does Not Increase Risk for Breast Cancer Survivors. www.aicr.org/cancer-prevention/food-facts/soy/(Zugegriffen: 10.02.2023).

EFSA ANS Panel (EFSA Panel on Food Additives and Nutrient Sources added to Food). Scientific opinion on the risk assessment for peri- and post-menopausal women taking food supplements containing isolated isoflavones. EFSA Journal, 2015 (13(10):4246), 1–342. doi:10.2903/j.efsa.2015.4246.

Izumi, Tohru; Piskula, Mariusz Konrad; Osawa, Sachiko; Obata, Akio; Tobe, Koichiro; Saito, Makoto; Kataoka, Shigehiro; Kubota, Yoshiro; Kikuchi, Mamoru. Soy isoflavone aglycones are absorbed faster and in higher amounts than their glucosidesin humans.The Journal of Nutrition, 2000 (130), 1695–1699. doi: 10.1093/jn/130.7.1695.

Leitzmann, Claus; Keller, Markus. 2020. Vegetarische und vegane Ernährung. 4. Auflage. Stuttgart: Eugen Ulmer.

Melina, Vesanto; Craig, Winston; Levin, Susan. Journal of the Academy of Nutrition and Dietetics, 2016 (116), 1970–1980. doi: 10.1016/j.jand.2016.09.025.

Messina, Mark; Rogero, Marcelo Macedo; Fisberg, Mauro; Waitzberg, Dan. Health impact of childhood and adolescent soy consumption. Nutrition Reviews, 2017 (75), 500–515. doi: 10.1093/nutrit/nux016.

Mörixbauer, Angela. Soja, Sojaisoflavone und gesundheitliche Auswirkungen. Teil 1. Ernährungs Umschau, 2019 (3), 160–169. doi: 10.4455/eu.2019.012.

Mörixbauer, Angela. Sojaisoflavone und gesundheitliche Auswirkungen. Teil 2. Ernährungs Umschau, 2019 (6), 354–362. doi: 10.4455/eu.2019.024.

Reed, Katharine E.; Camargo, Juliana; Hamilton-Reeves, Jill; Kurzer, Mindy; Messina, Mark. Neither soy nor isoflavone intake affects male reproductive hormones: An expanded and updated meta-analysis of clinical studies. Reproductive Toxikology, 2021 (100), 60–67. doi: 10.1016/j.reprotox.2020.12.019.

Rizzo, Gianluca; Baroni, Luciana. Soy, Soy Foods and Their Role in Vegetarian Diets. Nutrients, 2018 (10), 43. doi: 10.3390/nu10010043.

The Assosciation of UK Dietitians. 2022. Soya foods and your health: Food Fact sheet. www.bda.uk.com/resource/soya-foods.html (Zugegriffen: 07.02.2023).

Vandenplas, Yvan; Guiterrez Castrellon, Pedro; Rivas, Rodolfo; Jimenez Gutièrrez, Carlos; Diaz Garcia, Luisa; Esevez Jimenez, Juliana; Anzo, Anahi; Hegar, Badruil; Alarcon, Pedro. Safety of soya-based infant formulas in children. British Journal of Nutrition, 2014 (111: 8), 1340–1360. doi: 10.1017/S0007114513003942.

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