Clean Meat: Chancen und Hürden beim Fleisch der Zukunft

Clean Meat: Chancen und Hürden beim Fleisch der Zukunft

25.01.2021

Die Forschung und Entwicklung von Clean Meat läuft derzeit auf Hochtouren und schon bald könnte es im Handel erhältlich sein. Aus technologischer Sicht läuft alles nach Plan, doch wie sieht es aus sozialer und psychologischer Sicht aus? Sind Konsument_innen bereit, Clean Meat zu konsumieren?

Fleisch ohne Tiere zu töten

Clean Meat – auch zellbasiertes, kultiviertes oder In-vitro-Fleisch genannt – ist echtes Fleisch, das aus tierischen Zellen hergestellt wird. Es hat das Potential, die Massentötung von empfindungsfähigen Tieren zu verhindern oder enorm zu reduzieren. Wenn auch die Herstellung von Clean Meat auf Zellen von lebenden Tieren angewiesen ist, so lässt sich deren Anzahl auf ein Minimum reduzieren und die Zellentnahme scheint ein (weitgehend) schmerzfreier Prozess zu sein. Den jährlich wegen unserer Ernährung geschlachteten über 70 Milliarden Landlebewesen könnte eine kleine Gruppe an Tieren gegenüberstehen, die theoretisch ein (weitgehend) an ihre Bedürfnisse angepasstes Leben führen könnten.

Neben ethischen Motiven kommen auch ökologische und gesundheitliche Motive zum Tragen. Clean Meat hat einen weit niedrigeren Wasser- und Flächenbedarf und emittiert weniger Treibhausgase als Fleisch von toten Tieren. Das kultivierte Fleisch verfügt über dasselbe Nährstoffprofil wie konventionelles Fleisch oder kann sogar verbessert sein. So ließe sich beispielsweise der Anteil an ungesättigten Fettsäuren senken, deren hoher Konsum sich negativ auf unsere Gesundheit auswirken kann. Die von der Massentierhaltung ausgehenden Gefahren von Antibiotikaresistenz und Pandemien entfallen ebenso.

Der Siegeszug von Clean Meat – Wunschtraum oder baldige Wirklichkeit?

So weit, so gut. Die offene Frage bleibt, ob Konsument_innen Clean Meat essen wollen. Die Unternehmensberatung Kearney blickt optimistisch auf den Fleischmarkt der Zukunft: Laut Prognosen soll Clean Meat etwa 2025 marktreif sein und sich bis 2040 zu einem Big Player entwickeln – zu einem derart großen, dass Clean Meat mit 35 % Umsatzanteil das konventionelle Fleisch mit 40 % beinahe einholen wird, während die restlichen 25 % auf vegane Fleischalternativen entfallen werden. Forschungsergebnisse kommen zum Schluss, dass etwa zwei von drei Konsument_innen Clean Meat probieren würden. Beinahe die Hälfte zieht es als regelmäßige Alternative zu konventionellem Fleisch in Betracht.

Vermarktung – Chancen und Herausforderungen

Die Konsument_innen verorten die größten Chancen im Tier- und Umweltschutz, während die stärksten Bedenken bzgl. (Un-)Natürlichkeit, Lebensmittelsicherheit, Gesundheit, Geschmack und Preis bestehen. Experimentelle Studien zeigen, dass die Bereitstellung von Information die Akzeptanz von Clean Meat erheblich fördert. Die Informationen sollten hierbei einfach verständlich sein, auf die Ähnlichkeiten zu Fleisch in puncto Geschmack, Textur und Nährstoffe fokussieren und nicht auf die Unähnlichkeiten des Produktionsprozesses.

Mit steigender Bekanntheit – etwa durch Medienberichterstattung und Markteinführung – wird erwartet, dass sich die Konsumbereitschaft von Clean Meat zum Teil von selbst erhöht. Die Macht von einfacher Informationskommunikation stützt eine chinesische Studie. Studienteilnehmer_innen, denen keine weitere Information über Clean Meat kommuniziert wird, stehen diesem zu 24,2 % positiv gegenüber. Die Bereitstellung von einfacher Information erhöht den Anteil der positiv eingestellten Personen auf 45,5 %. Der nennenswerte Pool an neutralen Personen stellt mit zielgruppenspezifischer Kommunikation ein großes Potential für zukünftige Konsumption dar.

Zielgruppe – Die zukünftigen Konsument_innen von Clean Meat

Hinsichtlich der soziodemografischen Zusammensetzung der Zielgruppe lässt sich sagen, dass männliche, jüngere, höher gebildete und liberale Personen eher von Clean Meat überzeugt sind. So scheinen Frauen mehr Bedenken wegen Lebensmittelsicherheit zu haben, Jüngere offener für neue Erfahrungen zu sein und Höhergebildete die Vor- und Nachteile analytischer abzuwägen und sich weniger auf (Un-)Natürlichkeit zu beziehen. Für Veganer_innen und Vegetarier_innen ist Clean Meat weit weniger interessant als für Omnivore.

Nomen est omen – Die Macht von Namen und Framing

Die Namensgebung von Produkten hat einen großen Einfluss auf unsere Wahrnehmung und Konsumbereitschaft. Studien sind zur Erkenntnis gekommen, dass „Clean Meat“ am positivsten besetzt ist und am stärksten mit Gesundheit, Natürlichkeit und gutem Geschmack verbunden wird. „Laborfleisch“, „kultiviertes Fleisch“ und „zellbasiertes Fleisch“ hingegen werden schlechter beurteilt. Sie verstärken den Eindruck von Unnatürlichkeit, der ohnehin das größte Vermarktungshindernis ist. Neutrale Namen gibt es nicht und jede Bezeichnung ruft bestimmte Assoziationen hervor. Es ist auch denkbar, dass Clean Meat eines Tages nur noch Fleisch heißt – so wie wir Eis aus der Kühltruhe auch nicht als künstliches Eis bezeichnen.

Nachhaltige Ernährung und Reduktion von Tierleid

Heute leben in Österreich etwa 9 % Vegetarier_innen und 1 % Veganer_innen. Wenn auch das Interesse an pflanzenbasierten Ernährungsformen stetig wächst, so scheint Fleisch für viele ein unverzichtbares Lebensmittel zu sein. Clean Meat verspricht Tierleid und Umweltprobleme effektiv zu minimieren und kann so als wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung unseres Ernährungssystems gesehen werden. Wenn auch Veganer_innen nicht die Zielgruppe von Clean Meat sind, so erwarten wir gespannt die Markteinführung von Clean Meat – das potentiell nicht weniger als eine Revolution des Lebensmittelmarktes oder auch die Abschaffung der Massentierhaltung verspricht.