Haferdrinkverbot – BMLRT reagiert auf unsere Protestmails

Haferdrinkverbot – BMLRT reagiert auf unsere Protestmails

02.04.2021

Ernstzunehmende Erklärung oder faule Ausrede?

Hintergrund: Seit den 1980er-Jahren dürfen Hersteller von pflanzlichen Milchalternativen Begriffe wie „Milch“, „Butter“ oder „Joghurt“ nicht auf die Verpackungen schreiben. Dieser sogenannte „Bezeichnungsschutz für Milch“ ist der Grund warum in der Vermarktung Begriffe wie „Sojadrink“ oder „Haferdrink“ verwendet werden.

Das EU-Parlament hat (mit Stimmen von ÖVP und FPÖ) den Änderungsantrag 171 beschlossen, der vorsieht, dass der Bezeichnungsschutz noch verschärft werden soll. Dann wären auch Begriffe wie „laktosefrei“, „Alternative zu Milch“, „cremig wie Butter“ oder Abbildungen von Sojadrink auf der Packung verboten.

Da die EU-Kommission neutral in der Frage ist, liegt nun der Ball beim Rat der EU, in dem auch Österreich vertreten ist. Wir haben aufgerufen, Protestmails an die zuständige Ministerin Elisabeth Köstinger zu schreiben. Ministeriumsombudsmann Gustav Fischer hat den besorgten Bürger_innen nun geantwortet.

Nimmt das Ministerium die Zweifel ernst? Wie ist die Position des Ministeriums zu bewerten? EU-Expertin und unsere Kollegin in Brüssel Ronja Berthold (fortan abgekürzt R.B.) von der European Vegetarian Union hilft uns bei der Interpretation der Antwort aus dem Landwirtschaftsministerium:

Antwort aus dem Landwirtschaftsministerium und Interpretation durch EU-Expertin 

"Sehr geehrte Damen und Herren!

Vielen Dank für Ihr Schreiben an Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundesministerin Elisabeth Köstinger betreffend die Bezeichnung von pflanzlichen Alternativen zu Milch. 

Aktuell wird die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) verhandelt. Darin ist auch die Gemeinsame Marktordnung (GMO) geregelt, in der die Bestimmungen des Bezeichnungsschutzes für Milch und Milcherzeugnisse verankert sind. Gegenwärtig sind Begriffsbestimmungen und Bezeichnungen von Milch, Molke, Butter, Käse, Joghurt etc. gem. Art. 78 im Anhang VII in der GMO-Verordnung aufgelistet und dürfen nur für Milch und Milcherzeugnisse verwendet werden. Die Bestimmungen zum Bezeichnungsschutz stammen aus dem Jahr 1987 und sind seither im Wesentlichen unverändert.“

R.B.: Das ist richtig, ergänzend könnte man noch hinzufügen, dass es eine Ausnahmenliste zu dieser Regelung gibt. Eine Kommissionsentscheidung listet für verschiedene Sprachen und Länder der EU Ausnahmen auf, die weiterhin Milchbezeichnungen tragen dürfen, weil sie „traditionell“ bekannt sind. Das betrifft Lebensmittelbezeichnungen wie „Erdnussbutter“ oder „Kokosmilch“. Diese Liste wurde seit über 10 Jahren nicht erneuert. 

„Derzeit laufen die Verhandlungen zur neuen GAP auf europäischer Ebene zwischen dem Rat der Europäischen Union (kurz Rat), dem EU-Parlament und der EU-Kommission. Den gemeinsamen Verhandlungen vorgelagert, haben im Oktober 2020 sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat ihre jeweiligen Positionen festgelegt. In der Position des Europäischen Parlaments ist jener Änderungsantrag enthalten, der die Ausweitung des Bezeichnungsschutzes für Milch und Milcherzeugnisse vorsieht.“

R.B.: Das österreichische Landwirtschaftsministerium ist sich also durchaus bewusst, dass die geltenden Bestimmungen geändert werden, und zwar dahingehend, dass weitere Eingriffe und Einschränkungen für Alternativprodukte bevorstehen. 

„Diese Ausweitung basiert nicht auf dem Vorschlag der Europäischen Kommission und ist auch nicht in der Ratsposition abgebildet.

R.B.: Das ist richtig, weder Kommission noch Rat hatten eine Änderung im Milchbezeichnungsschutz in ihren Positionen zur GAP-Reform vorgesehen. Der Änderungsantrag kam allein aus dem Europäischen Parlament.

„Wir bitten um Verständnis, dass wir uns bzgl. einzelner oder mehrerer Änderungsanträge des Europäischen Parlaments als Ko-Gesetzgeber kein Urteil anmaßen. Im Rahmen der Verhandlungen liegt es nun an der portugiesischen Ratspräsidentschaft (Vorsitz der EU-Mitgliedsstaaten) eine gemeinsame Position der Mitgliedstaaten für die weiteren Verhandlungen zu finden, welche wir dann bewerten können. Diesem Entscheidungsfindungsprozess können und wollen wir nicht vorgreifen.“

R.B.: Auch wenn die portugiesische Ratspräsidentschaft Hauptverantwortliche der Verhandlungen mit Kommission und Parlament ist, so kann und muss sie sich doch zu kritischen Themen ein Urteil anhand der Positionen der Mitglieder des Rates (Ministerien der Mitgliedsländer), bilden. Die Ratsmitglieder können der Präsidentschaft signalisieren, wie ihre Position zu den einzelnen Vorschlägen der Verhandlungspartner ist und tun dies auch. 

„Es darf festgehalten werden, dass die Stärkung des Bezeichnungsschutzes von Milch und Milchprodukten im Sinne des Verbraucherschutzes grundsätzlich begrüßt wird, unabhängig von konkreten Änderungsanträgen des Europäischen Parlaments.

Wir nehmen den Konsumenten- und Verbraucherschutz sehr ernst. Es ist uns wichtig, dass die Konsumentinnen und Konsumenten Klarheit über die Herkunft und Zusammensetzung von Lebensmitteln haben und nicht in die Irre geführt werden. Daher wollen wir auch eine Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Lebensmitteln und in der Gemeinschaftsverpflegung.

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ist es ein Herzensanliegen, unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft bestmöglich zu unterstützen und auf eine nachhaltige und ausgewogene Umsetzung zu achten.

Mit freundlichen Grüßen

Ombudsmann
DI Dr. Gustav Fischer“

R.B.: Das BMLRT begrüßt offenbar eigentlich die Änderungen, behauptet aber, es würde sich in den Verhandlungen nicht zu diesen äußern.

Fazit der Veganen Gesellschaft

Das Ministerium schreibt offen und ehrlich, dass es eine Verschärfung des Bezeichnungsschutzes (= Einschränkungen für pflanzliche Milchalternativen) begrüßen würde. Gleichzeitig wird behauptet, dass man formell nicht zuständig sei – obwohl Österreich faktisch sehr wohl die Position im Rat mitbestimmen kann. Es hat in Österreich Tradition, unbeliebte Gesetze mitzubeschließen und die Verantwortung auf die EU abzuschieben. Wir befürchten, dass das Ministerium auf der Seite der Kuhmilchlobby steht. Nichtsdestotrotz hoffen wir auf eine positive Überraschung sobald Mitte April der Trilog zu dem Unterthema in der EU startet.

Unsere Empfehlung an alle die Protestmails versendet haben und dem Landwirtschaftsministerium nun antworten möchten: Es wäre wichtig das Ministerium aufzufordern sich im Rat informell und formell gegen eine Ausweitung des Bezeichnungsschutzes auszusprechen.