Das Schweinesystem

Das Schweinesystem

14.11.2016

Matthias Wolfschmidt
Das Schweinesystem: Wie Tiere gequält, Bauern in den Ruin getrieben und Verbraucher getäuscht werden

ISBN 978-3100025463
1. Auflage: September 2016
S. Fischer Verlag
240 Seiten
€ 18,50

„Das Schweinesystem“ des Veterinärmediziners und foodwatch-Aktivisten Matthias Wolfschmidt ist ein aufklärerisch-informatives Werk und wagt einen Blick hinter die Kulissen der deutschen Tierhaltung. „Das System ist krank“ ist die zentrale Botschaft des Buches. Wolfschmidt erläutert auf bewegende Weise, unter welch qualvollen Bedingungen Rinder, Schweine und Hühner leben müssen, um für den Menschen Fleisch, Milch und Eier herzustellen. Seine Beschreibungen werden großzügig mit Zahlenmaterial hinterlegt und machen deutlich, dass Massentierhaltung kein Phänomen ist, das vor den Toren europäischer Länder stattfindet, und dass kranke Tiere und quälerische Haltungsbedingungen die Regel statt der Ausnahme sind. Wolfschmidt fordert nichts weniger als einen umfassenden Systemwandel: Strengere Gesetze zum Wohl der Tiere seien auf EU-Ebene überfällig, höhere Preise für tierische Lebensmittel notwendig. Besonders scharfe Kritik wird an der Lebensmittelindustrie geübt, die laut dem Autor für den Preisdruck und die resultierenden Missstände in der Tierhaltung verantwortlich zu halten ist.

Wie Tiere gequält werden

Kühe kämpfen mit Eutererkrankungen aufgrund hygienischer Bedingungen und ständiger, maximaler Milchproduktion. Ihre Körper sind bald ausgelaugt und Fruchtbarkeitsstörungen machen sich breit. Hühner wurden so gezüchtet, dass sie innerhalb weniger Wochen ihr Schlachtgewicht erreichen. Ihre Körper halten dem rasanten Wachstum nicht stand, Knochenbrüche sind die Folge. Schweine leiden häufig an Gelenkserkrankungen und Lungenentzündungen, die unter anderem durch die ständige Exposition mit deren Exkrementen und dem daraus entstehenden resultierenden Ammoniak entstehen. Diese Krankheiten treten in sehr ähnlichem Ausmaß in der konventionellen und biologischen Haltung auf.

Wie Bauern und Bäuerinnen in den Ruin getrieben werden

Unter immer wachsendem Preis- und Konkurrenzdruck verschlechtern sich nicht nur die Lebensbedingungen der Tiere massiv, sondern auch immer mehr Landwirte werden in den Ruin getrieben. Denn nicht nur in der Industrie schreitet die Industrialisierung voran, sondern auch in der Landwirtschaft: Melkroboter und automatische Fütterungsanlagen sind Standard im modernen Stall, erfordern jedoch hohe Anschaffungsinvestitionen, die meist nur große Landwirte und Landwirtinnen tätigen können. Kleine Bauern und Bäuerinnen halten dem Konkurrenzdruck nicht Stand und geben ihre Landwirtschaft auf. Es bilden sich immer größere Betriebe heraus, die mit Hilfe der neuen eingesetzten Maschinen und Technologien abertausende Tiere halten können.

„Unter dem gleichzeitigen Diktat der Kostenminimierung verkommen die Tiere zu Produktionsfaktoren, die es zu optimieren gilt. Dass es fühlende und leidensfähige Wesen sind, wird nebensächlich. Was zählt, sind die schiere Produktionsmenge und deren Erzeugungskosten.“ - Auszug aus „Das Schweinesystem“

Wie Verbraucher:innen getäuscht werden

Kaum ein Mensch möchte Produkte kaufen, die auf extrem qualvolle Weise hergestellt wurden. Einige von ihnen achten darauf tierische Produkte nur aus „guter“ Haltung zu beziehen. Lebensmittelkonzerne geben Unsummen für Werbung aus, die Konsument:innen fröhliche, weidende Kühe, glücklich im Boden scharrende Hühner und süße, rosarote Babyschweine zeigt und vormacht, dies seien die Bedingungen unter denen Fleisch, Milch und Eier hergestellt werden. Dass Schweinen ihre Schwänze abgezwickt und Hoden herausgerissen, Kühe enthornt und Küken die Schnäbel gekürzt werden – ohne Betäubung und völlig im Einklang mit dem Gesetz – möchte natürlich kaum ein:e Konsument:in wissen und zu verantworten müssen. Dass diese Maßnahmen „notwendig“ sind, weil die Tiere zusammengepfercht gehalten werden und deswegen zu Selbstverletzung, Verletzung anderer bis hin zu Kannibalismus neigen, würde die Umsatzzahlen vermutlich nicht gerade ansteigen lassen. Konsument:innen haben keine Möglichkeit zu erkennen, ob die Produkte von kranken oder gesunden Tieren stammen. Nach einer Schätzung des Autors stammt ein Viertel der tierischen Produkte von kranken Tieren – die Unterschiede zwischen biologischer und konventioneller Haltung sind minimal.

Fazit

„Das Schweinesystem“ ist ein Muss für alle, die sich für Tiere, Landwirtschaft und Ernährung interessieren. Die präsentierten Zahlen und Fakten unterstützen in Diskussionen mit Gesprächpartner:innen, die meinen, in der EU existieren ausreichend strenge Tierschutzgesetze, die Tiere respektieren und ihnen ein artgerechtes Leben ermöglichen. Es wird deutlich, dass von Tierschutzorganisationen veröffentlichte Videos über Zustände in der Tierhaltung und in Schlachthäusern keine Ausnahmen sind, sondern die traurige Regel. Auch Menschen, die „nur ein bisschen Bio-Fleisch essen“, sollten ihren Konsum überdenken.