Leder

Leder

11.12.2014

Leder, nur ein Nebenprodukt der Fleischindustrie?

Leder gilt gemeinhin als Nebenprodukt der Fleischindustrie. Wenn es ohnehin entsteht, warum sollte es dann nicht auch genutzt werden? Zudem wird Leder als Naturprodukt wahrgenommen, welches eine lange Tradition hat und einem natürlichen Kreislauf angehört. Dass die Tierhäute tatsächlich ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor sind, ohne den viele Schlachtungen nicht rentabel wären, dass die österreichische Lederwirtschaft hauptverantwortlich für die Vergiftung von Flüssen wie der Raab ist, und dass das „Naturprodukt Leder“ so giftig und erbgutschädigend ist, dass es sogar beim Tragen die Gesundheit gefährdet, wissen die wenigsten.

Leder überall

Leder wird als Nebenprodukt der Fleischindustrie angesehen, das sinnvoll verwertet wird. Doch wie unwichtig ist Leder wirtschaftlich tatsächlich? – Laut Angaben des International Council of Tanners (ICT, eine Lederlobby) erwirtschaftet die Lederproduktion und -verarbeitung jährlich rund 54 Mrd. $. Im Vergleich dazu beträgt der gesamte addierte Handel mit den landwirtschaftlichen Rohstoffen Reis, Kaffee, Baumwolle, Rind-, Schaf- und Ziegenfleisch rund 54 Mrd. $, also in etwa gleich viel. Es gibt jedoch auch Tierarten, die nur aufgrund ihrer Haut gezüchtet werden (Krokodile, Schlangen, Eidechsen, Zebras, Kängurus …). Mehr als die Hälfte des produzierten Leders wird laut ICT in der Schuhindustrie verarbeitet, der Rest wird in den Bereichen Bekleidung, Handschuhe, Automobile, Möbel und Sonstiges verwendet. Da es für Leder und Lederprodukte keine explizite Kennzeichnungspflicht der Herkunft gibt, ist davon auszugehen, dass die in Österreich verkauften Produkte auf der ganzen Welt hergestellt werden.

Haltung und Tötung der Tiere

Mehr als 60% des verwendeten Leders stammt von Rindern; aber auch Ziegen-, Schafs- und Schweinsleder sind wirtschaftlich sehr relevant. Im Prinzip ist Leder chemisch behandelte Haut von Tieren, die ihnen bei ihrer Schlachtung abgezogen wird. Aufgrund der unterschiedlichen Tierarten, die dafür ausgebeutet werden, und der absolut nicht nachvollziehbaren Herkunft, bedeutet das für tierschutzbewusste Konsument:innen eine große Unsicherheit darüber, wie die Tiere gehalten wurden. Es ist davon auszugehen, dass die Tiere weltweit, auch in China und vielen anderen Ländern, unter miserabelsten Verhältnissen gehalten und brutal getötet werden. In der Landwirtschaft herrscht weltweit sehr starke Konkurrenz. Niemand kann es sich leisten, die Tiere besser zu behandeln, als es der Markt erlaubt. Es gibt sogar Länder ohne Tierschutzgesetze. Da es für Leder keine Bio-Kennzeichnung gibt, ist anzunehmen, dass die Tiere aus den denkbar schlimmsten Verhältnissen stammen.

Gerbung der Tierhäute

Das heutzutage am häufigsten eingesetzte Verfahren zur Gerbung von Tierhäuten ist die Chromgerbung. Gerbung ist notwendig, da sonst die Häute verfaulen bzw. verwesen würden und industriell nicht nutzbar wären. Pro Tonne gegerbter Tierhäute werden 55.000 Liter Wasser verschwendet. Es entstehen hochgiftige Chemieabfälle sowie ca. eine Tonne Feststoffabfall. Dabei werden Schwefelsäure, Ameisensäure und Chrom-Salze eingesetzt. In Österreich war die Ledergerbung über viele Jahre in den Schlagzeilen, weil durch das massenhafte Einbringen von Naphthalin-1,5-Disulphonat in die Raab durch die Gerbereien Boxmark und Wollsdorf-Leder ein Rechtstreit zwischen Ungarn und Österreich entbrannte. Die Raab musste um Millionen Steuergelder saniert werden. Die US-amerikanische Umweltbehörde empfiehlt, mit den verwendeten Stoffen nicht in Berührung zu kommen. Hunderttausende tragen jedoch freiwillig das „Naturprodukt Leder“, das durch die Gerbung sogar zu Sondermüll wird.

Arbeitsverhältnisse in der Lederindustrie

Aber was ist mit den Arbeitsplätzen? – Laut WKO Bereichsgruppe Leder arbeiten in Österreich 2.200 Menschen in 8 Großbetrieben, die 330 Mio. Euro umsetzen. Wird ein genauerer Blick auf die Lederprodukte geworfen, sieht das Bild global anders aus: China ist der weltweit größte Produzent von Lederschuhen bzw. Schuhen mit Lederanteil. Gleichzeitig ist das Land der aufgehenden Sonne nicht gerade für vorbildliche Arbeitsstandards bekannt – Kinderarbeit, Ausbeutung und schwere Gesundheitsschäden bei Arbeitenden sind oft an der Tagesordnung. Daher stellt sich in Österreich für menschenrechtsbewusste Konsument:innen die Frage, ob die Produktion von Lederprodukten ethisch und arbeitsrechtlich vertretbar ist.

Leder als Klimakiller

In einem über 100 Seiten dicken Report über die Situation des Amazonas-Regenwaldes in Brasilien prangert Greenpeace International die Lederindustrie an: Laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO ist Brasilien der größte Hersteller von gegerbtem Rindsleder weltweit. Die Rindfleisch- und Lederproduktion ist Hauptverursacher der Abholzung (für Futtermittel und Weideflächen) des Regenwaldes. Staatliche Stellen schätzen, dass 80% des Amazonas-Regenwaldes für die Viehzucht gerodet wurden. 600 Megatonnen CO2 (das ist mehr als Stromproduktion, Verkehr, Heizung und Industrie zusammen) werden alleine in Brasilien pro Jahr emittiert, weil die Viehzucht den Regenwald wortwörtlich auffrisst. Kann das „Naturprodukt Leder“ unter solchen Umständen noch als umweltfreundlich angesehen werden?

Produktionstrends Leder in Millionen Tonnen

Leder als Nebenprodukt?

Sowohl die oben schon erwähnten Umsatzzahlen der Produktion als auch die Welthandelszahlen sprechen eine klare Sprache: Der Welthandel mit Leder beträgt ca. 24 Mrd. $ – der Welthandel mit rotem Fleisch ebenfalls 24 Mrd. $. Das ist beides immerhin doppelt so viel wie der Welthandel mit Zucker (12 Mrd. $). Auch in Österreichs Schlachthöfen gilt Leder als das mit Abstand wichtigste Schlachtnebenprodukt. Noch dazu werden Österreichs Schlachthöfe von Steuergeldern subventioniert. So kassieren z.B. die Fleischereien Berger Fleischwaren (544.657,99 Euro), Ameco Handelsgesellschaft (574.945,26 Euro), Rudolf Jöbstl (781.627,31 Euro) und Norbert Marcher GmbH (781.627,31 Euro) massiv unsere Steuern! Nachzulesen ist dies in der Transparenzdatenbank. Nun stellt sich die Frage, ob und wie die Fleischwirtschaft ohne Subventionen und die Zusatzeinnahmen der Lederindustrie aussehen würde. Ist Leder wirklich ein Nebenprodukt? Hat es einen entscheidenden Einfluss auf das Geschäft der Fleischindustrie?

Stellung des Tiers in der Gesellschaft

Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass immer mehr Tiere Bewusstsein, Leidensfähigkeit, hohe Intelligenz und Sozialverhalten zeigen. Unser Verhalten gegenüber Tieren, das Mensch-Tier-Verhältnis und die Selbstverständlichkeit, mit der wir Tiere nutzen, haben sich seit Jahrhunderten nicht geändert. Sollten wir als Gesellschaft nicht versuchen, auch auf Schwache Rücksicht zu nehmen? Früher war es notwendig, Tiere zu jagen, um zu überleben. Aber ist es heute noch notwendig, leidensfähige Individuen wie Kühe oder Schweine unter qualvollen Bedingungen zu halten, sie nach einem kurzen Leben gewaltsam zu töten, sich mit ihren von den Kadavern abgezogenen Häuten zu kleiden und der Nachwelt Sondermüll und abgeholzten Regenwald zu hinterlassen?

Veganismus

Immer mehr Menschen stellen sich die Frage, was sich Tiere wünschen würden, wenn es um den Konsum von Tierprodukten geht. Es ist schwer vorstellbar, dass es eine Kuh oder ein Schaf gut finden würden, wenn wir ihre leiblichen Überreste zu Bekleidungs- oder anderen Konsumzwecken nutzen würden. Inzwischen gibt es in allen Bereichen des Lebens Alternativen: Sojamilch, Pflanzenfleisch und Kunstleder. Ebenso existiert das Wissen, diese Alternativprodukte richtig zu verarbeiten/ zuzubereiten. Auch in Österreich entscheiden sich immer mehr bewusste Konsument:innen für eben diese Alternativen und leben vegan.

Alternativen in der Praxis

Viele Menschen, die von der Lederindustrie enttäuscht sind, werfen zwar nicht gleich ihre alten Lederschuhe weg, unterstützen aber durch ihren Neukonsum umwelt- und tierfreundliche Alternativen. Sowohl in Schuhdiskontern als auch in Fairtrade-Spezialgeschäften oder Onlineshops gibt es immer mehr Schuhe aus Kunstleder. Textilfasern entwickeln sich laufend weiter, und auch bei Möbeln, Autositzbezügen oder Bekleidung haben wir die Wahl!

Zum Thema Wolle können Sie sich in einem eigenen Flugblatt informieren.