Überfischung der Weltmeere

Überfischung der Weltmeere

06.07.2016

Besorgniserregend ist der Zustand der weltweiten Fischbestände: Über 90 % sind laut dem Weltfischereireport der UN-Welternährungsorganisation (FAO) überfischt oder an der Grenze zur maximalen Ausbeutung. Eine aktuelle Studie stellt nun die von der FAO berichteten offiziellen Fangzahlen in Frage. Demnach liegen die tatsächlichen Mengen sogar noch deutlich darüber, nämlich bei mehr als 50 %. Die Bestände sind also noch wesentlich stärker bedroht als bisher gedacht!

Weltweiter Fischkonsum

7-8 kg Fisch pro Jahr verzehrt jede Person in Österreich durchschnittlich. Laut dem österreichischen Lebensmittelbericht ist der Verbrauch von Fisch und Fischprodukten während der letzten 10 Jahre um fast 40 Prozent gewachsen – mit weiter steigender Tendenz. Dennoch liegt der österreichische Pro-Kopf-Konsum immer noch weit unter dem weltweiten Durchschnitt von 19 kg. Um diesen globalen Hunger nach Fisch zu stillen, werden jährlich immense 80 Millionen Tonnen Fisch gefangen. Hinzu kommen noch mal 67 Millionen Tonnen Fisch, die in Aquakulturen gezüchtet werden. Die mit Abstand größten Fangzahlen verzeichnet China, gefolgt von Indonesien und den USA.

Datensammlung der FAO

Seit Jahrzehnten tragen Mitarbeiter der FAO die Fischereidaten ihrer 194 Mitgliedsstaaten über Fangmengen, Fischkonsum und Fischereiwirtschaft zusammen. Sie werden als Grundlage für politische Entscheidungen zum weltweiten Fischfang genutzt. 28,8 % der weltweiten Fischbestände gelten laut FAO als überfischt und weitere 61,3 % als voll befischt, was bedeutet, dass diese bereits an der Grenze ihrer maximalen Ausbeutung stehen. Lediglich 9,9 % werden als „unterfischt“ angeführt. Damit sind nicht erschlossene oder neue Fischbestände gemeint. Der Anteil der Fischbestände, die sich auf einem biologisch nachhaltigen Niveau befinden, betrug im Jahr 1974 noch 90 Prozent, inzwischen sind es nur mehr gut 70 Prozent. Die Fischbestände im Mittelmeerraum zeigen ein besonders düsteres Bild: 93 % der bewerteten Bestände sind hier bereits überfischt. Und auch das Schwarze Meer ist mit 86 % Überfischung sehr stark betroffen.

53 Prozent höhere Fangmengen als bisher angenommen

Forscher haben nun die Gesamtmenge an gefangenem Fisch und Meeresfrüchten in mehr als 200 Ländern zwischen 1950 und 2010 aus verschiedenen Datenquellen rekonstruiert. Ihre Recherche ergab Werte, die über 60 Jahre hinweg durchschnittlich 53 Prozent höher waren als die von der FAO angegebenen, ohnehin schon alarmierend hohen Werte. Ein wesentlicher Grund: Die Zahlen der FAO umfassen nur Anlandungen – also das, was die Fischer an Land bringen. In der kommerziellen Fischzucht werden aber große Mengen Beifang tot oder halbtot ins Meer zurückgeworfen. Zusätzlich fehlen Daten aus der Sportfischerei sowie Fischerei zum Eigenbedarf, speziell in sogenannten Entwicklungsländern. In der aktuellen Studie wurden alle Faktoren miteinbezogen. 

Überfischung bedroht das Ökosystem Meer

Überfischung gilt als Hauptursache für den massiven Rückgang vieler Artenbestände in Meeresökosystemen. Dem Living Planet Report zufolge schrumpften die Meerestier-Populationen seit 1970 um die Hälfte. Makrelen und Thunfische sind besonders betroffen: Hier wurde ein Rückgang von über 70 Prozent beobachtet. Sollte auch weiterhin so konsumiert und gefischt werden wie bisher, könnten bereits im Jahr 2050 die Ozeane leergefischt sein, schätzt die Umweltorganisation WWF. Die Auswirkungen der Fischerei auf die Meeresumwelt sind komplex, wie am Beispiel Kabeljau zu sehen ist. Wird der Raubfisch tonnenweise herausgefischt, profitieren seine Beutefische. Deren Bestände nehmen dadurch sprunghaft zu. Die Arten fressen Zooplankton, das aber auch die Nahrungsgrundlage der Kabeljaularven ist. Somit verstärkt die erhöhte Zahl der Beutefische den Druck auf den Kabeljau.

Leidensfähigkeit von Fischen

Galt früher noch die Annahme, dass Fische nur festen, unabänderlichen Verhaltensweisen folgen und keine Schmerzen empfinden können, weiß man heute, dass Fische weitreichende kognitive Fähigkeiten haben. Forschungsergebnisse zeigen, dass sie empfindungsfähige Wesen sind, die Angst, Stress und Schmerzen erleiden können. Ihr Schmerzsystem ähnelt demjenigen von Vögeln und Säugetieren: Sie besitzen Schmerzrezeptoren, die über neuronale Bahnen mit dem Gehirn verbunden sind. Dennoch müssen Fische in der Regel vor ihrer Tötung nicht betäubt werden.

Gesund ohne Fisch

Aufgrund der enthaltenen Omega-3-Fettsäuren wird Fisch häufig als gesundes Lebensmittel angepriesen. Dabei wird gerne übersehen, dass die zunehmende Verschmutzung der Meere auch an Wildfischen nicht spurlos vorübergeht: Sie sind oft mit Schwermetallen wie Quecksilber belastet. Fische aus Aquakulturen können wiederum Antibiotika-Rückstände enthalten. Um sich ausreichend mit Omega-3-Fettsäuren zu versorgen, müssen aber weder Tiere getötet noch das Ökosystem Meer zerstört werden: Omega-3-Fettsäuren sind unter anderem in Leinsamen und Leinöl, Chiasamen, Hanfsamen und Hanföl, Walnüssen und Walnussöl sowie Algenprodukten enthalten.

Quellen

  • Food and Agriculture Organization of the United Nations (2014): The State of World Fisheries and Aquaculture. Opportunities and challenges.
  • Pauly D, Zeller D (2016): Catch reconstructions reveal that global marine fisheries catches are higher than reported and declining. Nat Commun. 7(10244): 9 pp.
  • WWF, Zoological Society of London, Institute of Zoology (2015): Living Blue Planet Report. Species, habitats and human well-being.
  • Ministerium für ein lebenswertes Österreich (2015): Aquakultur 2020 und EU-Ministerkonferenz in Mondsee.
  • Europäische Kommission (2015): Kommission plant Fangmöglichkeiten für 2016: Nordsee und Atlantik machen Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit, erhebliche Überfischung im Mittelmeer. Pressemitteilung, 02 Juni 2015.
  • WWF (2009): Unsere Ozeane: geplündert, verschmutzt und zerstört. WWF-Bericht über die Bedrohung der Meere und Küsten.