Wie die EU-Milchlobby und die ÖVP Haferdrinks aus den Supermärkten verdrängen wollen

Wie die EU-Milchlobby und die ÖVP Haferdrinks aus den Supermärkten verdrängen wollen

16.02.2021

 

 

Juristische Hintergründe zum Änderungsantrag 171

Am selben Tag, als das Veggieburger-Verbot auf EU-Ebene verhindert werden konnte, passierte etwas Folgenschweres: Der Änderungsantrag 171 wurde von der Mehrheit des EU-Parlaments, sowie allen ÖVP-Abgeordneten am 26.10.2020 still und heimlich beschlossen. Obwohl die Begriffe „Milch“, „Joghurt“, „Käse“ etc. schon seit den 80er Jahren geschützt sind und von Herstellern pflanzlicher Produkte nicht verwendet werden dürfen, sieht der Antrag 171 extreme Verschärfungen dieses Bezeichnungsschutzes vor: Die Abbildung von milchähnlichen Getränken auf der Verpackung, Vergleiche mit Kuhmilch (z.B. „hat 75 % weniger CO2“) oder sogar Verpackungen, die Milchpackungen ähneln, sollen verboten werden.

Chronologie der Ereignisse

Seit den 1980er Jahren sind laut EU-Gesetzgebung Wörter wie „Milch“, „Joghurt“, „Käse“ oder „Butter“ speziell für Produkte reserviert, die aus „Sekretdrüsen“ gewonnen werden, also für Tierprodukte. Das bedeutet, dass Hersteller von Pflanzenmilch seither „Haferdrink“ auf ihre Packungen schreiben mussten. Konsument_innen oder Journalist_innen dürfen natürlich weiterhin „Hafermilch“ oder „Sojamilch“ sagen – das Gesetz bezieht sich nur auf den Bereich der Bezeichnungen auf den Packungen. Seit 2013 wurde das sogar in einer eigenen EU-Verordnung festgeschrieben (EU-Verordnung 1308/2013). Da allerdings der Markt für Pflanzendrinks jährlich um 10 % wächst, inzwischen schon 36 % der Haushalte zumindest einmal im Jahr derartige Produkte konsumiert haben und auf der anderen Seite in Österreich viel zu viel Milch produziert wird (Selbstversorgungsgrad von Konsummilch ist 170 %), wird die Milchlobby nervös. Es musste ein Gesetzesentwurf geschaffen werden, dass die Sichtbarkeit von Pflanzendrinks massiv reduziert, sodass die Produkte im Supermarkt unauffindbar werden. Der Nebeneffekt: Es sorgt für Verwirrung bei den Konsument_innen und verursacht Kosten bei den Hersteller_innen. Die Vorlage im Abänderungsantrag 171 erfüllt genau diese drei Zwecke.

Genaue Formulierung

Hier kann der Änderungsantrag 171 abgerufen werden. Der Antrag ist wie die geschützte Ursprungs- und Spezialitätenkennzeichnung formuliert (die zum Beispiel für Parmaschinken und derartige Produkte etabliert wurde), mit dem Unterschied, dass hier der Text auf den gesamten Milchsektor angewendet wird.
Insbesondere folgende Bestandteile sind besorgniserregend:

"Diese Bezeichnungen werden außerdem geschützt vor
a) jeder direkten oder indirekten kommerziellen Verwendung der Bezeichnung
ii) soweit durch diese Verwendung das Ansehen der Bezeichnung ausgenutzt wird
b) jeder widerrechtlichen Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn die Zusammensetzung oder der tatsächliche Charakter des Erzeugnisses oder der Dienstleistung angegeben ist oder zusammen mit Ausdrücken wie „à la“, „Typ“, „Verfahren“, „Fasson“, „Nachahmung“, „-geschmack“, „-ersatz“, „Art“ oder dergleichen verwendet wird"

Sie könnten bedeuten, dass

  • ein Produkt sich nicht mehr als "vegane Joghurtalternative auf Sojabasis" oder "rein pflanzliche Mandel-Alternative zu Käse" beschreiben dürfte,
  • auch Hinweise wie "laktosefrei/milchfrei/ohne Milch" in Zukunft verboten sein könnten, was auch für Allergenhinweise relevant wäre,
  • auch Produkthinweise wie "Buttergeschmack", "schmeckt wie Butter", "zerläuft wie Käse", "milchige Konsistenz" o.ä. verboten werden könnten,
  • das Abbilden der eigenen Produkte verboten werden könnte - ein Sojajoghurt unterscheidet sich optisch nicht von einem Kuhmilchjoghurt (Stichwort: "Nachahmung"),
  • die gleichen, für Milchprodukte typischen, Verpackungen nicht mehr verwendet werden dürfen,
  • Hinweise auf den Klimafußabdruck des Produkts im Vergleich zum tierischen Produkt nicht mehr gemacht werden dürfen (Stichwort: Ausnutzen des Ansehens).

Unserer Meinung nach sind besonders die ersten Punkte verheerend. Außerdem denken wir, dass die Transparenz für Verbraucher_innen schon durch den bestehenden Bezeichnungsschutz erheblich erschwert ist. Häufig haben pflanzliche Milchproduktalternativen keinen richtigen Produktnamen, sondern "nennen" sich häufig einfach "Hafer mild" oder sind schlichtweg nur nach der Marke benannt. Kund_innen können sich lediglich an den bekannten Verpackungen sowie an beschreibenden Hinweisen wie "Alternative zu... " oder "wie... zu verwenden" orientieren. Wenn diese Hinweise und auch Bilder wegfallen könnten, stellt sich die Frage, wie man die Produkte überhaupt noch erkennen soll?

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