Jane Goodall: Verhaltensforscherin, UN-Friedensbotschafterin & Aktivistin

Jane Goodall: Verhaltensforscherin, UN-Friedensbotschafterin & Aktivistin

02.06.2025

Die wohl bekannteste Forscherin der Welt feierte 2024 ihren 90. Geburtstag: Dr. Jane Goodall reiste zu ihrem Jubiläum um die ganze Welt und machte dabei auch in Österreich Halt. Mit ihrem Vortrag zeigte sie, warum es angesichts aktueller Weltprobleme doch Hoffnung gibt – für jede:n, jederzeit und überall!


© Vincent Calmel

Liebe Dr. Goodall, Sie haben dieses Jahr Ihren 90. Geburtstag gefiert – herzliche Gratulation! Zu diesem Anlass sind Sie erneut um die Welt gereist, um Einblicke in Ihre Arbeit zu geben und die Menschen für die Umwelt zu sensibilisieren. Da die Zuhörer:innen so viele Informationen über Ihre Forschung, Projekte und Aufklärungsarbeit erhalten, fragen wir uns: Wie sieht denn ein gewöhnlicher Tag im Leben von Dr. Jane Goodall aus?

Meine Tage sind äußerst lang. Einen Großteil meiner Zeit verbringe ich mit Reisen, Vorträgen und Interviews. Wo ich gerade bin, versuche ich so viele Menschen wie möglich zu treffen, um mit ihnen über den Schutz unserer Umwelt und meine Gründe für Hoffnung zu sprechen. Ich denke, es macht den Menschen Mut zu hören, dass jede und jeder von uns jeden Tag etwas bewirken kann, um zu einer lebenswerten Welt beizutragen.

Im Laufe der Jahre hat sich Ihre Arbeit erheblich ausgeweitet: Von der anfänglichen Forschung in Gombe (Tansania) bis hin zu verschiedenen Projekten wie „Roots & Shoots“ (dt. „Wurzeln & Triebe“): Wann war der Punkt erreicht, an dem Sie erkannten, dass Ihre Arbeit nicht bei der Forschung aufhört?

Das war Mitte der 1980er Jahre, als ich an einer Konferenz teilnahm, wo es auch um die Lage der Primaten ging. Dort hörte ich von der Not der Schimpansen in ganz Afrika – ihr Lebensraum wurde zerstört, sie wurden für Buschfleisch gejagt und die Kleinsten wurden als Haustiere gehandelt. Es war furchtbar. Mir wurde klar, dass meine Forschung in Gombe nicht ausreichte. Ich musste meine Stimme erheben und im Namen der Schimpansen überall auf der Welt für ihren Schutz eintreten. Diese Erkenntnis führte dazu, dass ich mein geliebtes Gombe verließ und meinen Fokus auf ganzheitlichen Naturschutz, Umweltbildung und die Stärkung junger Menschen durch Programme wie „Roots & Shoots“ legte. Mir wurde klar, dass die Forschung nur ein Teil einer viel größeren Mission ist, Veränderungen anzuregen.

Dr. Goodalls Lebenswerk geht weit über die berühmte Verhaltensforschung zu Schimpansen hinaus. Über die letzten Jahrzehnte hat sie durch das Jane Goodall Institute, das weltweit in über 30 Ländern tätig ist, zahlreiche Bildungs- und Naturschutzprojekte umgesetzt, um ganzheitlich für Mensch, Tier und Umwelt aktiv zu sein.

LEBENSLAUF & MEILENSTEINE

1934 geboren in London

1957 erste Reise nach Kenia, Kennenlernen mit Paläoanthropologen Dr. Louis Leakey

1960 Beginn ihrer später weltbekannten Schimpansen-Forschung im heutigen Gombe-Stream-Nationalpark

1961 Zulassung als PhD-Kandidatin an der Cambridge University ohne höheren Schulabschluss aufgrund ihrer exzellenten Forschung in Gombe

1965 Gründung des Gombe Stream Research Center

1966 Erlangung des PhD in Ethologie an der Cambridge University

1977 Gründung des Jane Goodall Institute (JGI)

1986 Erstes Symposium zum Thema „Chimpanzees in Context“

1991 Gründung des internationalen Programms „Roots & Shoots“ für Kinder und Jugendliche

1993 Mitwirkung an der Publikation und Initiative „The Great Ape Project: Equality Beyond Humanity“

1994 Start des Entwicklungsprojekts TACARE in Dörfern rund um Gombe

2000 Gründung der Organisation „Ethologists for the Ethical Treatment of Animals“

2002 Ernennung zur UN-Friedensbotschafterin

2004 Ernennung zur Dame des British Empire durch Prinz Charles

2019 Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst I. Klasse von Bundespräsident Alexander van der Bellen

2020 Durchgehende Schimpansen-Forschung in Gombe seit 60 Jahren

2025 Verleihung der Presidential Medal of Freedom von US-Präsident Joe Biden

In Ihren Vorträgen betonen Sie oft, dass alles zusammenhängt. Dennoch ist die Wechselwirkung zwischen täglichen Entscheidungen und deren globalen Auswirkungen für viele Menschen nicht greifbar. Wie würden Sie dieses Zusammenspiel zwischen alltäglichen Entscheidungen, z. B. rund um Ernährung, und dem Naturschutz erklären?

Jede Entscheidung, die wir treffen, hat einen Welleneffekt. Wenn beispielsweise Wälder gerodet werden, um Nutzpflanzen für Viehfutter oder Palmölplantagen anzubauen, zerstört dies Lebensräume für Schimpansen und unzählige andere Arten. Kein Fleisch zu konsumieren oder Produkte zu wählen, die aus nachhaltiger Produktion stammen, kann die Notwendigkeit der Abholzung verringern. Ebenso trägt die Energie, die für die Produktion und den Transport von Lebensmitteln verwendet wird, zum Klimawandel bei, der sich nicht nur auf uns Menschen, sondern auch auf Wildtiere und Ökosysteme auswirkt. Indem wir bewusste Entscheidungen treffen – etwa pflanzliche Mahlzeiten essen, Lebensmittelabfälle reduzieren und nachhaltige, regionale Unternehmen unterstützen – können wir Lebensräume schützen und einen gesünderen, friedlicheren Planeten für alle Lebewesen schaffen.

Einer pflanzlichen Ernährung wird oft nachgesagt, dass sie den kleinsten ökologischen Fußabdruck hat, also die geringsten negativen Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt. Wie beurteilen Sie den Effekt des Veganismus auf die Umwelt?

Die Auswirkungen sind erheblich. Eine pflanzliche Ernährung benötigt im Vergleich mit einer Ernährung, die auf tierischen Produkten basiert, weitaus weniger Ressourcen – wie Land, Wasser und Energie. Außerdem verursacht sie weniger Treibhausgasemissionen, die ein Haupttreiber des Klimawandels sind. Indem wir uns für pflanzliche Lebensmittel entscheiden, schützen wir nicht nur die Umwelt, sondern verringern auch das Leiden der Tiere in Massentierhaltung. Sich vegan zu ernähren, entspricht der Idee, im Einklang mit der Natur zu leben. Es ist eine wirksame Möglichkeit, zu einer nachhaltigeren Zukunft beizutragen.


© Michael Neugebauer

Die Vegane Gesellschaft Österreich organisiert mit großem Erfolg „Vegucation“, eine einzigartige Fortbildung für Schüler:innen und Lehrer:innen zur rein pflanzlichen Küche und zu den ethischen und ökologische Aspekten einer veganen Ernährung. Wie würden Sie den Wert von Bildung für die Zukunft beschreiben und was muss die Bildung von heute für unsere zukünftigen Generationen leisten?

Ich bin fest davon überzeugt, dass Bildung der Schlüssel zur Schaffung einer besseren Welt ist. Sie stattet junge Menschen mit dem Wissen, den Fähigkeiten und der Empathie aus, die sie brauchen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Im Rahmen unseres Projekts „Roots & Shoots“, das in 65 Ländern auf der Welt – auch in Österreich – umgesetzt wird, erleben wir das jeden Tag. Wenn junge Menschen ermächtigt werden, sich für ihre unmittelbare Umwelt einzusetzen, entsteht eine unglaubliche Kraft. Unsere Aufgabe ist es, sie darin zu bestärken und ihnen ein Verständnis für unsere Verbundenheit mit der Natur, die Bedeutung von verantwortungsvollem Handeln und die Macht ethischer Entscheidungen zu vermitteln. Programme wie „Vegucation“ sind ein wichtiger Beitrag, weil sie junge Menschen befähigen, sich für unseren wunderschönen Planeten und seine Bewohner:innen einzusetzen.


Jane Goodall bei ihrem Vortrag im Oktober 2024 in Salzburg © Daniela Matejschek

Als Ausblick für unsere jüngeren Leser:innen: Was würden Sie einem jungen Menschen empfehlen, der in die Welt hinausschaut und versucht, seinen Platz in ihr zu finden?

Jungen Menschen würde ich sagen: Folge deiner Leidenschaft und glaube an deine Fähigkeit, etwas zu bewirken. Die Probleme der Welt können überwältigend erscheinen, aber jede:r Einzelne hat die Macht, etwas zu verändern. Finde zunächst ein Thema, das dir am Herzen liegt, sei es der Schutz der Tierwelt, die Bekämpfung des Klimawandels oder der Einsatz für soziale Gerechtigkeit. Mach kleine Schritte und hab keine Angst, große Träume zu haben. Umgib dich mit Gleichgesinnten und denke daran, dass wir gemeinsam stärker sind. Und das Wichtigste: Verliere nie die Hoffnung – Hoffnung ist es, die uns antreibt, aktiv zu werden und jeden Tag eine bessere Zukunft zu gestalten.

Herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute!

Das Interview wurde auf Englisch geführt und nach den Richtlinien des Jane Goodall Institute Austria auf Deutsch übersetzt.

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