Interview mit Julian Schütter: Veganer Skirennläufer & Klima-Aktivist

Interview mit Julian Schütter: Veganer Skirennläufer & Klima-Aktivist

13.01.2025

Der 26-jährige Profi-Skirennläufer Julian Schütter aus Schladming war bis vor kurzem erfolgreicher ÖSV-Athlet in den schnellen Disziplinen Super-G und Abfahrt. Nach einer schweren Knieverletzung und einer Rückenoperation beendete er seine Karriere im Februar 2024. Bereits während seiner aktiven Zeit im Leistungssport lebte er vegan und war auch als Klima-Aktivist bekannt. Derzeit studiert er Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt erneuerbare Energien.


© Letzte Generation

Hallo Julian! Wie bist du Profi-Skisportler geworden? Und was hat dich an den schnellen Disziplinen fasziniert?

Ich bin wohl einfach in den Sport hineingewachsen. Mit drei Jahren habe ich Skifahren gelernt und während der Volksschulzeit bin ich meine ersten Rennen gefahren. Das hat mir Spaß gemacht und daraufhin habe ich mich für eine Hauptschule mit Ski-Schwerpunkt bei mir in der Nähe entschieden. Wir hatten Skifahren natürlich im Stundenplan, wurden von Trainer:innen betreut und mit den Jahren wurde es immer professioneller. Es hat sich dann schon bald abgezeichnet, dass mir der Slalom weniger liegt und dass meine Kerndisziplinen Abfahrt und Super-G werden – da hatte ich einfach mehr Talent.

Was waren deine größten Erfolge in dieser Zeit – sportlich und persönlich?

Die Silbermedaille bei der Junioren-EM war sicher ein sportlicher Höhepunkt; und auch, dass ich bei mehreren Rennen Weltcup-Punkte sammeln konnte. Auf der persönlichen Ebene war es mir besonders wichtig, dass es mir gelungen ist, als Sportler meine Reichweite zu nutzen, um das Thema Klimaschutz in den Fokus zu rücken. Ich habe auch einen offenen Brief mit Nachhaltigkeitsforderungen an die FIS (internationaler Ski-Verband) geschrieben, den 500 Athlet:innen unterzeichnet haben.

Seit wann ernährst du dich vegan? Und was hat dich zu dieser Entscheidung bewogen?

Ursprünglich wollte ich vor circa sechs Jahren ausprobieren, ob sich meine sportliche Leistung mit vegetarischer Ernährung verbessert. Ich hatte ohnehin schon länger kaum Milchprodukte gegessen und es war ein fließender Übergang zur veganen Ernährung – bei der ich dann geblieben bin. Ich habe mich sozusagen an das gute Gewissen gewöhnt! Tierwohl, Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz und Gesundheit sind schließlich lauter gute Gründe.


© Thomas Schrammel, ÖSV

Hast du durch die vegane Ernährung tatsächlich Veränderungen in deiner Leistungsfähigkeit und in deinem Wohlbefinden bemerkt?

Ich habe mich wohlgefühlt und es hat mir körperlich gutgetan. Meine Regeneration hat sich etwas beschleunigt und ich fühlte mich auch ein Stück beweglicher und geschmeidiger.

Vegan im Leistungssport: Wie waren die Reaktionen in deinem Umfeld? Kennst du vegane Ski-Kolleg:innen?

Da ich schon eine Weile vegetarisch gelebt habe, waren meine Kolleg:innen und Trainer gewohnt, dass ich das Extrawürschtel bin. Als ich dann vegan gegessen habe, war das für die meisten kein großer Unterschied mehr. Viele haben es aber nicht verstanden, ich war damit ein Außenseiter im Skisport. Ich habe natürlich von zahlreichen vegan lebenden Profi-Sportler:innen gehört, vom Gewichtheben bis zum Langstreckenlauf. In meiner Umgebung im Skisport ist es aber eine Seltenheit. Vielleicht hat es damit zu tun, dass der alpine Skisport recht konservativ ist. „Nur Fleisch macht Fleisch“ (also Muskeln) ist da oft die Devise.

Schon länger engagierst du dich für das Klima, unter anderem mit der „Letzten Generation“ und „Protect our Winters“. Klima-Aktivismus und Profi-Skisport – sicher oft ein schwieriger Spagat!

Ich wollte vor ein paar Jahren schon beinahe mit dem Skifahren aufhören, weil ich die ökologischen Auswirkungen des Skisports kaum noch mit meinem Gewissen vereinbaren konnte. Es ist mir dann aber gelungen, mit meiner Psychologin an meiner Ausrichtung zu arbeiten, sodass ich aus der Position des Sportlers Aktivismus betreiben konnte – das war sogar in den letzten vier bis fünf Jahren meine Kernmotivation. Von anderen Klima-Aktivist:innen ist auch nie Kritik gekommen, da ihnen bewusst war, dass es vor allem um den Systemwandel geht und dass ich als Sportler viele Menschen erreichen kann. Aus der Ski-Bubble kam eher leichter Widerstand oder Unverständnis.


© Letzte Generation

Wie bist du ursprünglich mit dem Thema Klimakrise in Kontakt gekommen?

Ich habe als Jugendlicher natürlich schon immer wieder etwas dazu gehört. Je mehr ich gelernt habe, desto mehr habe ich mir die Frage gestellt, warum niemand etwas unternimmt. Bei einer Veranstaltung von „Extinction Rebellion“ 2019 in Berlin hat Carola Rackete gesagt, dass eine um vier Grad heißere Erde nur noch eine halbe Milliarde Menschen ernähren könnte. Das könnte bis zum Ende dieses Jahrhunderts der Fall sein, also noch in meiner Lebenszeit. Das sind keine schönen Aussichten, weder für mich noch für andere. Da muss ich etwas tun!

Welchen Einfluss hat eine vegane Erährung aus deiner Sicht auf die Klimakrise?

Einen großen! Ich würde sogar sagen, dass sie einer der wichtigsten Aspekte des Klimaschutzes ist. Die Rinderhaltung produziert große Mengen des klimaschädlichen Gases Methan. Anstatt Wälder für den Futtermittelanbau abzuholzen, könnten diese Wälder CO2 binden. Bereits jetzt werden Ressourcen knapp – vegane Ernährung ist also auch hier und heute schon durch den geringeren Ressourcenverbrauch eine Anpassungsmaßnahme an die Klimakrise.

Was wünschst du dir und unserem Planeten für die Zukunft?

Überleben wäre fein! Im Ernst: Ich wünsche mir, dass unsere Zivilisation nicht zusammenbricht – aber dafür braucht es einen radikalen Wandel auf der Systemebene. Kurzfristig wünsche ich mir, dass wir es mit der „Letzten Generation“ schaffen, Klimaschutz als Grundrecht in der Verfassung zu verankern.

Danke für das Gespräch und weiterhin alles Gute, lieber Julian!

 

Dieser Artikel ist in unserem VEGAN.AT-Magazin Nr. 42 erschienen.

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