Kollagen und Glycin – Versorgung bei veganer Ernährung
Kollagen und Glycin – Versorgung bei veganer Ernährung
Die Produktion von Kollagen nimmt im Laufe der Jahre ab. Um den damit einhergehenden Folgen wie Faltenbildung und Gelenksproblemen vorzubeugen, werden diverse Nahrungsergänzungsmittel wie Kollagenpulver und Glycin angeboten. Doch sind diese Produkte tatsächlich sinnvoll? Und was kann eine ausgewogene pflanzliche Ernährung beitragen?
Wofür wir Kollagen benötigen
Kollagen ist das im menschlichen Körper am häufigsten vorkommende Eiweiß. Es macht etwa ein Viertel der Gesamtproteinmenge aus und ist Bestandteil der Bindegewebe in Knochen, Haut, Muskeln, Gelenken und Knorpeln. Kollagen sorgt unter anderem dafür, dass die Haut elastisch und glatt bleibt, trägt zur Stabilität der Knochen bei, gewährleistet reibungslose Bewegungen und federt Stöße in den Gelenken ab.
Zusammensetzung und Bildung von Kollagen
Wie jedes Protein besteht Kollagen aus Aminosäuren, die in Form einer Kette miteinander verbunden sind. Im Fall von Kollagen bestehen diese Ketten vor allem aus den Aminosäuren Prolin und Glycin. Außerdem enthalten sie hydroxylierte Aminosäuren, insbesondere Hydroxyprolin und Hydroxylysin, die für eine Quervernetzung zwischen den verschiedenen Ketten und damit für Stabilität sorgen. Jeweils drei Aminosäureketten formen ein Kollagenmolekül und viele dieser Moleküle gemeinsam bilden eine Kollagenfaser. Kollagen besteht schließlich aus vielen Kollagenfasern.
Gebildet wird Kollagen von bestimmten Zellen, den sogenannten Fibroblasten. Dafür ist Vitamin C notwendig. Auch weitere Vitamine wie Vitamin E sowie Mineralstoffe wie Eisen, Zink und Selen sind an der Bildung von Kollagen beteiligt.
Je nach Gewebe muss das Kollagen unterschiedliche Anforderungen erfüllen: Bei Bändern und Sehnen ist die Reißfestigkeit besonders wichtig, Knochen sollen vor allem flexibel und Knorpel druckresistent sein. Daher unterscheidet sich der jeweilige Kollagenaufbau geringfügig. Insgesamt gibt es 28 unterschiedliche Kollagentypen.
Kollagenpräparate: Wissenschaftliche Belege fehlen
Der menschliche Körper kann Kollagen selbst herstellen, allerdings nimmt die Produktion ab dem 25. Lebensjahr ab und verlangsamt sich im Laufe der Jahre immer weiter. Als Folge davon bekommen wir Falten, Knorpel bilden sich zurück und es können Gelenksprobleme auftreten. Deshalb werden seit einigen Jahren Kollagenpräparate beworben. Neben Cremes und Lotionen mit Kollagenzusatz gibt es auch Kollagen zum Einnehmen in Form von Pulver oder Kapseln. Die Wirkung dieser Produkte ist jedoch umstritten. Die Studienlage ist widersprüchlich und es gibt nur einige wenige Studien, die einen leichten Effekt zeigen (Heldt-Döpel & Berling 2023). Diese stehen zudem unter Kritik, da sie großteils von Nahrungsergänzungsmittelhersteller: innen finanziert wurden (Rustad et al. 2022, Harvard 2021). Da eine Wirkung wissenschaftlich nicht bewiesen ist, darf in der EU nicht damit geworben werden, dass kollagenhaltige Nahrungsergänzungsmittel die Hautstruktur oder die Gelenksgesundheit verbessern.
Können wir Kollagen über Lebensmittel aufnehmen?
In einigen tierischen Lebensmitteln wie Gelatine und bestimmten Fleischsorten ist Kollagen enthalten. In pflanzlichen Lebensmitteln kommt es hingegen nicht vor. Bei der Verdauung wird Kollagen allerdings in seine einzelnen Aminosäuren zerlegt. Diese werden daraufhin dorthin transportiert, wo der Körper sie am dringendsten benötigt (Harvard 2021). Aus diesem Grund ist es unwichtig, ob man Kollagen im Ganzen konsumiert oder Lebensmittel mit Aminosäuren, aus denen Kollagen aufgebaut ist.
Vegane Kollagenpräparate
Kollagen kommt in pflanzlichen Lebensmitteln also nicht vor und kann auch nicht synthetisch hergestellt werden. Dennoch werden vegane Kollagenpräparate angeboten. Diese bestehen in der Regel aus verschiedenen Aminosäuren, die für die Kollagensynthese notwendig sind, sowie Vitamin C und gegebenenfalls weiteren Nährstoffen, die dabei benötigt werden oder unterstützend wirken könnten.
Wie bereits erwähnt, spielen bei der Kollagenbildung vor allem die Aminosäuren Glycin, Prolin, Hydroxyprolin und Hydroxylysin eine relevante Rolle. Drei dieser Aminosäuren, nämlich Glycin, Prolin und Hydroxyprolin, kann der Körper selbst herstellen. Sie müssen daher nicht über Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden. Hydroxylysin wird ebenfalls selbst gebildet, sofern ausreichend Lysin vorhanden ist. Somit verbleibt nur Lysin als essenzielle Aminosäure, die wir über die Nahrung aufnehmen müssen. Sie ist in proteinreichen pflanzlichen Lebensmitteln wie Hülsenfrüchten, Sojaprodukten wie Sojaschnetzeln und -granulat sowie in Nüssen und Ölsaaten reichlich enthalten. Wer sich ausgewogen vegan ernährt und die genannten Lebensmittel regelmäßig verzehrt, ist mit Lysin gut versorgt.
Lysin: Pflanzliche Quellen
Es gibt keine offiziellen Mengenempfehlungen für die Aufnahme von Lysin. Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE), die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) sowie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geben nur Referenzwerte für die Zufuhr von Protein insgesamt an, nicht aber für einzelne Aminosäuren. In der wissenschaftlichen Literatur werden Lysinwerte von rund 30 mg pro Kilogramm und Tag als bedarfsdeckend genannt (Tomé & Bos 2007). Bei einer 65 kg schweren Person macht das 1,95 g Lysin pro Tag. Dieser Bedarf wird bereits mit 68 g Sojaschnetzeln oder 100 g Kidneybohnen (berechnet im getrockneten Zustand) gedeckt. Ebenso reichen 200 g Tofu für die Lysinversorgung aus (BLS 3.02). Da man über den Tag verteilt viele verschiedene Lebensmittel zu sich nimmt, summiert sich die Lysinmenge auch bei geringeren Lebensmittelmengen schnell.
Lysingehalt pro 100 g Lebensmittel (BLS 3.02):
- Sojaschnetzel, -granulat, -medaillons (TVP) 2,9 g
- Kürbiskerne 2,3 g
- Bohnen, dick, getrocknet 2,0 g
- Kidneybohnen, getrocknet 1,9 g
- Sojabohnen, getrocknet 1,9 g
- Linsen, getrocknet 1,9 g
- Erdnuss 1,1 g
- Pistazie 1,1 g
- Tempeh 1,0 g
- Tofu 0,9 g
Glycin: Pflanzliche Quellen
Obwohl der Körper Glycin selbständig herstellen kann und somit gar keine Glycinzufuhr notwendig ist, werden immer mehr Glycinpräparate angeboten. Teilweise werden diese sogar ganz speziell Veganer:innen empfohlen, da sie angeblich schlechter mit Glycin versorgt wären.
In diesem Zusammenhang ist eine Studie interessant, die die Aufnahme einzelner Aminosäuren sowie deren Plasmakonzentrationen von Veganern im Vergleich zu Allesessern, Vegetariern und Männern, die kein Fleisch, aber Fisch essen, verglichen hat. Jede der Gruppen bestand aus jeweils 98 Teilnehmer. Ergebnis: Bei Veganern war die Plasmakonzentration von Glycin am höchsten. Der Wert lag um 16 % höher als bei Allesessern, obwohl Veganer sogar insgesamt weniger Protein verzehrten und auch etwas weniger Glycin als Allesesser aufnahmen. Die Zufuhr war bei den Veganern zudem höher als bei den Vegetariern und den Fischessern (Schmidt et al. 2016).
Der Körper produziert täglich ca. 2,5 g Glycin aus Serin (Alves et al. 2019). Zusätzlich werden etwa 2,5–3 g pro Tag über die Ernährung aufgenommen (Schmidt et al. 2016). Die Empfehlungen zur Supplementierung liegen häufig im Bereich von 1–3 g pro Tag, was problemlos über Lebensmittel abgedeckt werden kann. Teilweise werden von Nahrungsergänzungsmittelhersteller: innen und Influencer:innen sogar bis zu 10 g Glycin pro Tag empfohlen. Diese Empfehlung basiert allerdings lediglich auf einer einzigen Zellstudie, laut der eine Erhöhung der Glycinzufuhr auf 10 g pro Tag möglicherweise zu einer Erhöhung der Kollagensynthese führen könnte (Paz-Lugo et al. 2018). Es fehlen weitere Untersuchungsergebnisse, insbesondere auch Humanstudien, die diese These bestätigen. Vernünftiger ist es, sich an den Empfehlungen von Fachgesellschaften und wissenschaftlichen Institutionen zu orientieren, die Glycin nicht als essenzielle Aminosäure einstufen. Zudem sind mögliche negative Folgen einer langfristig hohen Einnahme noch nicht ausreichend untersucht worden.
Glycingehalt/100 g Lebensmittel (BLS 3.02):
- Erdnuss, entfettet 3,2 g
- Pilze, getrocknet 3,0 g
- Sojaeiweißkonzentrat 2,9 g
- Sojaschnetzel, -granulat, -medaillons (TVP) 2,3 g
- Kürbiskerne 2,2 g
- Nüsse 1,7 g
- Amarant 1,6 g
- Sesam 1,5 g
- Leinsamen 1,3 g
- Linsen 1,3 g
Prolin und weitere Nährstoffe
Bei der Aminosäure Prolin handelt es sich ebenfalls um eine nicht essenzielle Aminosäure, die der Körper ausreichend bilden kann. Zusätzlich kommt sie auch in den bereits genannten proteinreichen pflanzlichen Lebensmitteln wie Sojaprodukten, Hülsenfrüchten sowie Nüssen und Samen reichlich vor.
Vitamin C ist für die Bildung von Kollagen notwendig und daher oft auch veganen Kollagenpräparaten zugesetzt. Vitamin C ist allerdings in zahlreichen Obst- und Gemüsesorten wie Paprika, Brokkoli, Kiwi und Beeren stark vertreten. Ein Mangel ist bei einer ausgewogenen veganen Ernährung nicht zu befürchten. Auch die ausreichende Versorgung mit Eisen, Zink und Selen kann eine Rolle spielen.
Bohnen tragen nicht nur wegen ihres hohen Lysingehalts, sondern auch wegen weiterer wertvoller Inhaltsstoffe wie Eisen zur Kollagensynthese bei (Añazco et al. 2023).
Fazit: Kollagenbildung und Glycinzufuhr
Dass die Kollagenbildung im Laufe der Jahre abnimmt, ist ein ganz natürlicher Vorgang. Mit Kollagenpräparaten und Nahrungsergänzungsmitteln lässt sich der Kollagenabbau kaum beeinflussen. Eine ausgewogene Ernährung mit vielen Hülsenfrüchten, Sojaprodukten, Nüssen und Ölsaaten sowie frischem Obst und Gemüse liefert alle Bausteine, die für die Kollagensynthese benötigt werden. Positiv wirken sich zudem die Meidung von starker Sonneneinstrahlung, Rauchen und übermäßigem Alkoholkonsum sowie ausreichend Schlaf und Bewegung aus.
Quellen
- Alves A., Bassot A., Bulteau A.-L., Pirola L., Morio B. 2019. Glycine Metabolism and Its Alterations in Obesity and Metabolic Diseases. Nutrients (11:6), 1356. doi: 10.3390/nu11061356
- Añazco C., Ojeda P.G., Guerrero-Wyss M. 2023. Common Beans as a Source of Amino Acids and Cofactor for Collagen Biosynthesis. Nutrients (15:21), 4561. doi: 10.3390/nu15214561
- Bundeslebensmittelschlüssel (BLS 3.02). https://blsdb.de (Zugegriffen: 25.02.2025).
- Elmadfa I., Leitzmann C. 2023. Ernährung des Menschen. 7. Auflage. Stuttgart: Eugen Ulmer Verlag.
- Harvard T. H. Chan. School of Public Health. The Nutrition Source. 2021. Collagen. nutritionsource.hsph.harvard.edu/collagen (Zugegriffen: 24.02.2025).
- Heinrich P. C., Müller M., Graeve L., Koch H.-G. (Hg.) 2022. Löffler/Petrides Biochemie und Pathobiochemie. 10. Auflage. Berlin: Springer Verlag.
- Heldt-Döpel R., Berling N. 2023. Could collagen supplementation improve bodily functions? Physiological aspects of collagen supplementation: a narrative review. Ernaehrungs Umschau (70:11), 126-132. doi: 10.4455/eu.2023.019
- Paz-Lugo P., Lupiáñez J. A., Meléndez-Hevia E. 2018. High glycine concentration increases collagen synthesis by articular chondrocytes in vitro: acute glycine deficiency could be an important cause of osteoarthritis. Amino Acids (50:10), 1357–1365. doi: 10.1007/s00726-018-2611-x
- Rustad A. M., Nickles M. A., McKenney J. E., Bilimoria S. N., Lio P. A. 2022. Myths and media in oral collagen supplementation for the skin, nails, and hair: A review. J. Cosmet. Dermatol. (21:2), 438–443. doi: 10.1111/jocd.14567
- Schmidt J. A., Rinaldi S., Scalbert A., Ferrari P., Achaintre D., Gunter M. J., Appleby P. N., Key T. J., Travis R. C. 2016. Plasma concentrations and intakes of amino acids in male meat-eaters, fish-eaters, vegetarians and vegans: a cross-sectional analysis in the EPIC-Oxford cohort. European Journal of Clinical Nutrition (70), 306–312.
Bildquelle: Gundula Vogel