Schwein im Glück?

Schwein im Glück?

21.01.2020

Wünsche und Realität im Leben der Borstentiere

„Hunde schauen zu uns auf, Katzen schauen auf uns herab und Schweine behandeln uns als ebenbürtig”, soll Winston Churchill einst gesagt haben. Tatsächlich sind uns Schweine in vielerlei Hinsicht äußerst ähnlich. Sie schätzen als gesellige Wesen das Zusammensein mit anderen, kümmern sich hingebungsvoll um ihren Nachwuchs und überraschen mit ihrer außerordentlich hohen Intelligenz. Auch die Anatomie und Physiologie von Mensch und Schwein weisen auf eine enge Verwandtschaft hin. Umso erschreckender, dass die Borstentiere von uns getötet und verspeist werden. In Österreich ist Schwein unter den Fleischsorten mit Abstand am beliebtesten und pro Person und Jahr werden 37 kg Schweinefleisch konsumiert. Eine grauenhafte Tatsache für die Umwelt und Gesundheit – aber vor allem für die über 5.000.000 Schweine, die hierzulande jährlich ihr Leben verlieren.

In österreichischer Landwirtschaft lebende Schweine, (c) Verein Gegen Tierfabriken

Schlaue Schweine

Menschliche und nicht-menschliche Tiere haben unabhängig von ihrer Intelligenz ein Recht auf Leben und die Achtung ihrer Würde. Doch da sogenannte „Nutztiere” oftmals als dumm und primitiv dargestellt werden, sei darauf hingewiesen, dass Schweine zu den intelligentesten Tieren weltweit zählen. So übertreffen ihre kognitiven Fähigkeiten jene von Hunden und Kleinkindern. Sie verfügen über einen ausgesprochen guten Orientierungssinn und finden ihr Zuhause auch nach weit zurückgelegten Strecken wieder. Dank ihrem ausgeprägten Gedächtnis können sie sich drei Jahre an andere Lebewesen erinnern. Außerdem kennen sie ihren eigenen Namen und wedeln bei Glücksgefühlen mit ihrem Schwanz. In vielerlei Hinsicht ähneln sie unseren „Haustieren” – wenngleich sie aufgrund des menschlichen Willens ein komplett anderes Schicksal erwartet.

Über Entdeckungen, Entspannung und Ernährung

Schweine sind mit überaus großer Neugierde ausgestattet. Voller Hingebung gehen sie ihrem großen Entdeckungsdrang nach. Mit dem Rüssel voraus werden Böden umgegraben, denn der nächste Leckerbissen ist hoffentlich nicht weit entfernt, bevorzugt werden Früchte, Samen, Wurzeln und Knollen. Neben abwechslungsreicher und süßer Nahrung stehen bei den Borstentieren Schlammbäder hoch im Kurs. Da sie nur an der Nase Schweißdrüsen besitzen und Wasser wenig Abkühlung bietet, suhlen sie sich gerne im Schlamm. Das schützt überdies vor Sonnenbrand, Fliegen und Parasiten. Zu Unrecht werden Schweine als schmutzige Tiere bezeichnet. Sie legen großen Wert auf Reinlichkeit und trennen ihre Lebensbereiche strikt voneinander. Freiwillig würde ein Schwein seinen Schlafplatz niemals als Toilette benutzen.

Treue Freund:innen und liebende Mütter

Schweine sind überaus soziale Lebewesen und empfinden vielfältige Emotionen, wie Liebe, Freude, Trauer und Angst. Als Herdentiere kommen sie einander bei Not zu Hilfe und verteidigen ihre Artgenossen gegenüber Feinden. Sie formen stabile Freundschaften und verbringen mit ihren besten Freund:innen den Großteil ihrer Zeit, sei es, wenn sie Nase an Nase schlafen oder gemeinsam die Gegend erforschen. Wie wir Menschen pflegen Schweine als Säugetiere eine sehr intensive Beziehung zu ihrem Nachwuchs. Vor der Geburt bauen Schweine schützende, bis zu einem Meter hohe Nester für ihre Kinder. Während des Stillens geben Mutterschweine sanfte Töne von sich, die an beruhigenden Gesang erinnern. Doch degradiert man Schweine zu Fleischlieferanten, geht der Blick auf ihre artspezifischen und individuellen Bedürfnisse schnell verloren.

Schweine in der Landwirtschaft

Schweine fristen in der Landwirtschaft ein mehr als tristes Dasein. Sie leben in unscheinbaren Hallen, die an Fabrikanlagen, nicht an Ställe erinnern. 99 von 100 österreichischen Schweinen verbringen keinen einzigen Tag, keine einzige Stunde an der frischen Luft im Freien. Das Abschleifen von Zähnen, Kupieren von Schwänzen und Kastrieren von männlichen Schweinekindern ohne jegliche Betäubung klingt nach grausamen Praktiken der Vergangenheit, gehört aber zum legalen Alltag der Gegenwart. In Österreich sind diese äußerst schmerzvollen Eingriffe bei bis zu sieben Tage alten Ferkeln erlaubt. Neben diesen Torturen leiden die Tiere unter extrem beengenden Lebensbedingungen und fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten. Einem „Mastschwein” stehen höchstens 0,7 m2 Platz zur Verfügung. Eine „Zuchtsau” wird zur Geburt und zum Stillen ihrer Kinder in einen Kastenstand gesperrt – beinahe bewegungsunfähig und durch Gitterstäbe von ihrem Nachwuchs getrennt. Folgen der unwürdigen Lebensbedingungen sind Langeweile, Depressionen und Aggressionen, die etwa zu gegenseitigem Ohren- und Schwanzbeißen führen. Nach etwa sechs Monaten hat ein „Mastschwein” sein Schlachtgewicht erreicht und wird getötet, um im Kindesalter als Schnitzel am Teller zu landen.

Zahlen zu Österreich, Quelle: Statistik Austria (2019)

Kein einziger Strohhalm

Laut der österreichischen Tierhaltungsverordnung muss Schweinen nicht einmal ein einziger Halm Stroh zur Verfügung stehen. Der Großteil der Schweine „lebt” auf steinharten Vollspaltenböden. Durch die bis zu 2 cm breiten Spalten fallen Urin und Kot in eine Güllegrube – praktisch für die Landwirt_innen, eine Folter für die Tiere. Ihr kurzes Leben verbringen sie ununterbrochen über den eigenen Exkrementen, ohne jemals angenehm liegen zu können. Atemwegs- und Gelenkserkrankungen bei den meisten Schweinen sind die Folge. Eine wesentliche Verbesserung wäre ein Liegebereich ohne Spalten und mit Stroheinstreu. Diese Alternative wird bereits in zahlreichen Ländern praktiziert, scheitert in Österreich jedoch am politischen Willen. Die aktuelle Kampagne des Vereins Gegen Tierfabriken setzt sich für ein Verbot von Vollspaltenböden ein.

Haltungsformen Österreich, Quelle: Statistik Austria (2010)

Sorgenfreies Schweineleben

Im Tierparadies Schabenreith leben acht Hängebauchschweine und vier Hausschweine. Heute können sie ein sorgenfreies Leben führen, doch das war nicht immer so. Konstantin wurde als Ferkel in einer Tonne der Tierkörperverwertung entsorgt und konnte noch lebend geborgen werden. Gin und Tonic konnten dem Horror der Massentierhaltung entfliehen. Ihr schlechter physischer und psychischer Zustand hat sich dank liebevoller Pflege schnell gebessert. Wichtig ist für die lebhaften Tiere, dass sie viel Platz haben, um ihrer Neugier nachgehen zu können. Besonders das Graben und Suhlen im Freien zählt neben dem Kuscheln zu ihren Lieblingsaktivitäten. Doris Hofner-Foltin vom Tierparadies Schabenreith erzählt gerne vom Zusammenleben mit den Schweinen: „Als wir eingezogen sind, hatten wir kein Tor, aber zwei Schweine. Sie sind gerne zum Nachbarn gegangen und haben seine frisch gewaschene Wäsche verziert. Johann war auch ein begnadeter Wächter: Einmal hat er einen Einbrecher verjagt, der sich an den antiken Möbeln bereichern wollte. Es sei erwähnt, dass Johann 500 kg wog und 2,5 m lang war.”

Schweine sind unsere Freunde

Schweine haben wie alle Lebewesen ein Recht auf Leben in Freiheit. Auf Lebenshöfen, wie dem Tierparadies Schabenreith (OÖ), Happy Pigs & Friends (NÖ) und Ferkelfroh (BGLD), haben viele Schweine ein Zuhause gefunden, in dem sie bis zu ihrem natürlichen Lebensabend ohne Ausbeutung leben dürfen. Bei Besuchen dieser Lebenshöfe können Interessierte mehr über diese faszinierenden Tiere lernen. Jeder und jede kann tagtäglich ein Zeichen für Schweine setzen, indem Fleisch vom Speiseplan gestrichen wird. Dank Fleischalternativen im Lebensmittelhandel und pflanzlicher Rezepte geht das ganz einfach. Nehmen Sie an unserem "Veganen Monat" teil - die Schweine werden sich freuen!

Schwein in Freiheit, (c) Tierparadies Schabenreith