Kein Schwein gehabt? Das traurige Leben von Schweinen in der Tierindustrie

Kein Schwein gehabt? Das traurige Leben von Schweinen in der Tierindustrie

08.04.2021

von DI Ines Haider, Referentin beim VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN (VGT)

Jährlich werden in Österreich etwa 5,1 Millionen Schweine geboren, gemästet und geschlachtet (Statistik Austria). Hierzulande werden im Durchschnitt 62,6 kg Fleisch pro Kopf gegessen, davon entfällt ca. die Hälfte, etwa 36,4 kg, auf Schweinefleisch (Zahlen von 2019) (Statistik Austria Versorgungsbilanz). Der Anteil an Bio-Schweinen liegt in Österreich bei nur 2,8 Prozent (Bio Austria). Ein Blick hinter die Kulissen der Tierindustrie.

Foto: VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN

Schweine im Käfig

Das Leben der Schweine beginnt in einem Zuchtbetrieb. Die Muttersau wird in den allermeisten konventionellen Betrieben in einem Kastenstand gehalten, einem körpergroßen Käfig, in dem sie sich nicht bewegen kann, außer um kurz aufzustehen oder sich hinzulegen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Mutter sich auf ihre Kinder legt und diese erdrückt.
Die Industrie bezeichnet Kastenstände gar als „Ferkelschutzkörbe“. In der Natur würde eine Muttersau sich ein Nest bauen. Durch den weichen Untergrund wären die Ferkel nicht gefährdet, erdrückt zu werden. Früher war es erlaubt, Muttersäue ihr gesamtes Leben lang, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr, in einen Kastenstand zu sperren. Seit 2013 wurde diese Zeit auf maximal einige Wochen verkürzt. Heute sind Kastenstände bis auf wenige Tage laut Gesetz verboten, die Übergangsfrist läuft allerdings noch bis 2033 (1THVO).

Kein guter Start ins Leben

Die ersten Lebenswochen der kleinen Schweinekinder sind leider nicht geprägt von mütterlicher Liebe und Zuneigung. Bereits im Alter von weniger als einer Woche werden die männlichen Schweinekinder ohne jede Betäubung kastriert. Das ist billiger, als jedes einzelne Tier zu betäuben und es ist eine riesige Qual für die Tiere, denen ohne Schmerzausschaltung die Samenstränge durchgeschnitten und die Hoden entfernt werden. Außerdem werden den Ferkeln die Schwänze gekürzt, damit sie sie nicht gegenseitig anknabbern. Eine Verhaltensstörung, die durch die reizarme Umgebung auftritt. Auch das Kürzen der Eckzähne ist erlaubt (1THVO). 
All dies sind Maßnahmen, um die Tiere den viel zu engen Haltungsbedingungen anzupassen. Viele Ferkel sterben auch während dieser Zeit, sie werden als Ausfallquote einberechnet und landen in Mülltonnen vor den Betrieben.

Langeweile und Unbequemlichkeit

Nach der Ferkelaufzucht kommen die kleinen Schweine in einen Mastbetrieb. Dort werden sie einige Monate lang gefüttert und auf engstem Raum gehalten, bis sie getötet werden. Laut Gesetz muss einem Schwein in einem konventionellen Mastbetrieb gerade einmal 0,7 Quadratmeter Platz zur Verfügung stehen (1THVO). Einen Auslauf oder gar eine Weide gibt es in den allermeisten Fällen nicht. Die meisten Schweine in konventioneller Haltung verbringen ihr Leben auf einem Vollspaltenboden. Dabei handelt es sich um einen Boden aus Beton, der von Spalten durchzogen ist. Durch diese können die Exkremente der Tiere durchfallen und ersparen dabei das Ausmisten des Stalls. Dass die Tiere darauf niemals bequem liegen können und viele Verletzungen davontragen, wird dabei nicht beachtet.
Bei Schweinen auf Vollspaltenböden können zahlreiche Gelenkverletzungen vom harten Boden (Oberländer), Schleimbeutelentzündungen und Augenreizungen durch die aufsteigenden Gase (Guyer) beobachtet werden. Im Gesetz ist weder eine weiche Einstreu aus Stroh noch ein adäquates Beschäftigungsmaterial vorgesehen, da dies die Spalten verkleben würde. Dadurch leben die Tiere in einer völlig reizarmen Umgebung, was nicht selten zu Fehlverhalten, wie dem Schwanzbeißen, führt. Der VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN kämpft gerade für ein Verbot der Vollspaltenboden-Haltung und fordert verpflichtende Stroh-Einstreu sowie mehr Platz. Mehr Informationen finden sich unter www.vgt.at/vollspalten.

Das erste Mal Sonne sehen

Ihren letzten Weg treten die Schweine nach ca. sechs Monaten im Mastbetrieb an. Ihre natürliche Lebenserwartung läge bei 10 bis 12 Jahren. Sie werden auf Tiertransporter verfrachtet, die sie zum Schlachthof bringen. Dabei sehen die allermeisten Schweine zum ersten und einzigen Mal die Sonne. Im Schlachthof treffen konventionelle Schweine mit Bio-Schweinen zusammen. Eigene Bio-Schlachtungen gibt es kaum, das Ende sieht für fast alle Tiere gleich aus.
Im Zuge des Schlachthofskandals 2015 hat der VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN die tragischen Zustände in Schlachthöfen aufgedeckt. Ein brutaler Umgang mit den Schlachttieren steht eigentlich überall an der Tagesordnung. Die Tiere werden oft illegal mit Elektroschockern getrieben und geschlagen. Eine häufige Methode zur Betäubung der Tiere vor der Schlachtung stellt die CO2-Betäubung dar, die den Schweinen große Schmerzen verursacht. Das Gas soll das Bewusstsein der Tiere ausschalten, führt allerdings auch zu Reaktionen mit den Schleimhäuten, was sehr schmerzhaft für die Schweine ist. Der Schlachthofskandal hat gezeigt, dass alle Betäubungsformen sehr oft nicht richtig funktionieren und Tiere im Moment der Schlachtung bei Bewusstsein waren (VGT). Ein trauriges Ende eines leidvollen Lebens.

Schwein gehabt

Nicht alle Schweine fristen ein derart tragisches Dasein. Manche haben das Glück, ihr Leben auf einem Lebenshof verbringen zu dürfen. Auf Höfen wie dem Tierparadies Schabenreith in Oberösterreich, dem Verein Ferkelfroh im Burgenland oder Happy Pigs & Friends in Niederösterreich dürfen zahlreiche Schweine eine glückliche Zeit bis zu ihrem natürlichen Lebensabend verbringen und ihre natürlichen Verhaltensweisen ausleben. Um den Schweinen zu helfen kann jede_r Einzelne bei seinem/ihrem eigenen Konsum ansetzen. Schweine wollen geliebt und nicht gegessen werden! Heute gibt es bereits zahlreiche rein pflanzliche Alternativen zu Fleisch, sodass kein Tier mehr sein ganzes Leben lang leiden und schließlich sterben muss. Die Schweine werden es Ihnen danken.

Quellen

Statistik Austria: Anzahl der untersuchten Schlachtungen 2010 bis 2019. https://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/land_und_forstwirtschaft/viehbestand_tierische_erzeugung/schlachtungen/index.html

Statistik Austria: Versorgungsbilanzen für Fleisch nach Arten 2014 bis 2019. http://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/land_und_forstwirtschaft/preise_bilanzen/versorgungsbilanzen/index.html

Bio-Austria: Statistik. https://www.bio-austria.at/bio-bauern/statistik/

1. Tierhaltungsverordnung (1THVO): Anlage 5: Mindestanforderungen für die Haltung von Schweinen. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20003820

Oberländer, S. (2015): Untersuchungen zum Vorkommen von akzessorischen Bursen bei Mastschweinen. Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität München.

Guy, J.H., Rowlinson, P., Chadwick J.P. & Ellis, M. (2002): Health conditions of two genotypes of growing-finishing pig in three different housing systems: implications for welfare. Livestock Production Science 75 (3): 233-243.

VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN (2015): Schlachthofskandal in Österreich: Der größte Tierschutz-Skandal Österreichs der letzten Jahre. https://vgt.at/actionalert/schlachthofskandal/index.php