Frischer Wind in der Gastronomie: Lehrlinge kochen jetzt fleischlos

Frischer Wind in der Gastronomie: Lehrlinge kochen jetzt fleischlos

25.08.2025

Seit dem 1. Juli 2025 bildet Österreich offiziell „Fachkräfte für vegetarische Kulinarik“ aus – als erstes Land weltweit. Nach Jahren der Vorbereitung und politischen Verhandlungen ist der neue Lehrberuf gestartet und stößt auf großes Interesse. In der Frühjahrsausgabe des VEGAN.AT-Magazins haben wir über die Hintergründe berichtet – nun zeigt sich, wie viel Potenzial in diesem neuen Berufsbild steckt.

Ein Lehrling richtet einen Teller mit veganem Tatar an.
© Tamara Janjuš

Lehrlingsbörse bringt Betriebe und Talente zusammen

Unmittelbar nach dem positiven Bescheid zur Einführung der Lehre hat die Vegane Gesellschaft Österreich eine Lehrlingsbörse ins Leben gerufen, die interessierte Betriebe und Bewerber:innen vernetzt. Die Resonanz ist beeindruckend: Es gingen über 100 Rückmeldungen von Personen ein, die sich für den neuen Ausbildungsweg interessieren. Auch auf Seiten der Betriebe ist das Interesse groß. Rund 50 Gastronomiebetriebe aus ganz Österreich – darunter Gasthäuser, gehobene Restaurants, Hotels und Betriebsküchen – haben sich bereits gemeldet. Siebzehn österreichische Betriebe haben laut Wirtschaftskammer bisher um einen Feststellungsbescheid zur Zulassung für die neue Kochlehre angesucht.

„Für viele junge Menschen und Betriebe eröffnet sich hier eine Möglichkeit, die es vorher nicht gab“, sagt Felix Hnat, Obmann der Veganen Gesellschaft Österreich. „Dass so viele auf uns zukommen, überrascht uns nicht – wir haben uns jahrelang für diese Ausbildung starkgemacht, weil wir wissen, wie groß das Potenzial ist.“

Der neue Lehrberuf stößt sowohl im Tourismusbereich als auch in der Spitzengastronomie auf Interesse: Das Hotel Hochschober auf der Turracher Höhe oder das Reduce Gesundheitsresort in Bad Tatzmannsdorf wollen künftig vegetarisch-vegane Fachkräfte ausbilden. Und der Haubenkoch Paul Ivić nimmt Lehrlinge in seinen Wiener Restaurants Tian und Tian Bistro auf.

Die vegane Küchenchefin Roberta Colombo, die am Erste Campus in Wien Lehrlinge vegetarisch-vegan ausbildet.
Vegan Chef Roberta Colombo bildet in Zukunft Lehrlinge in den Restaurants am Erste Campus aus. © Toni Rappersberger / food group by Erste

Erste Lehrverhältnisse angelaufen

Im Juli haben die ersten Lehrverhältnisse begonnen und ab dem Schulbeginn im Herbst ziehen weitere Betriebe nach. Dann soll auch die erste eigene Berufsschulklasse für vegetarische Kulinarik zustande kommen.

In Wien wurde die food group by Erste, die die Restaurants am Erste Campus betreibt, als Lehrbetrieb zugelassen. Sie beschäftigt mit Roberta Colombo bereits eine eigene vegane Köchin, die das Angebot optimiert und neue Ideen entwickelt hat. Künftig wird sie Lehrlinge in insgesamt zehn Küchen begleiten – vom Fine Dining über gutbürgerliche Küche bis zu Catering und Patisserie. „Diese Vielfalt gibt ihnen später die Möglichkeit, in ganz unterschiedlichen gastronomischen Bereichen Fuß zu fassen“, heißt es von der food group by Erste.

Auch zur oft gestellten Frage nach dem Umfang einer rein pflanzlichen Ausbildung bezieht man klar Stellung: „Um ein ausgewogenes veganes Gericht zu kochen, braucht es mindestens genauso viel Wissen wie beim Kochen mit Fleisch – wenn nicht sogar mehr. Es geht nicht nur um Geschmack, sondern auch um Nährstoffe, Technik und Kreativität. Die vegetarisch-vegane Küche bietet sogar mehr Lernmöglichkeiten als die klassische Ausbildung.“

Die Küchenchefin des veganen Restaurants Tisch, Rheta Benedek, und ihr Lehrling Colin Badura.
Im August begann der Münchner Colin Badura seine Lehrausbildung bei Küchenchefin Rheta Benedek im TISCH. © Gusto Guerilla / Colin Badura

Kochen ohne Kompromisse

Ein weiteres Beispiel für den gelungenen Start ist das vegane Restaurant TISCH. Dort bildet Küchenchefin Rheta Benedek aktuell den Münchner Colin Badura aus – er ist extra für die Ausbildung nach Wien gezogen. „Gäbe es die vegan-vegetarische Lehre nicht, hätte ich wahrscheinlich eine konventionelle Kochlehre in München gemacht“, erzählt er. „Aber mit Fisch und Fleisch zu arbeiten, wäre mir sehr schwer gefallen. Jetzt kann ich meinen Traum ohne Kompromisse umsetzen.“ Die Skepsis gegenüber der Lehre hält er für unbegründet: „Pflanzliche Küche ist enorm vielfältig und komplex. Es geht nicht um das Weglassen, sondern um das Kennenlernen neuer Zutaten, Techniken und Konzepte – und das verlangt mindestens genauso viel Fachwissen und Können.“

Ein Teller mit veganem Tatar aus Linsen und Roten Rüben mit pflanzlichem "Ei-Dotter", Salat und Brot.
Das ‚Beet Tatar‘ im TISCH auf Linsenbasis mit Dotter aus gelbem Tomatenmark. © Gusto Guerilla

Inhalte mit Zukunftsorientierung

Die Ausbildung zur Fachkraft für vegetarische Kulinarik ist der klassischen Kochlehre in Dauer und Abschluss gleichgestellt. Sie dauert drei Jahre und umfasst sowohl praktische Phasen im Betrieb als auch theoretische Module in der Berufsschule. Neben pflanzlicher Kochpraxis stehen auch Themen wie Menüentwicklung, Warenkunde, Hygiene, Nachhaltigkeit und Marketing auf dem Lehrplan. In rein veganen Betrieben müssen bestimmte Inhalte – etwa zum Umgang mit Milchprodukten und Eiern – über eine externe Schulung oder Kooperation mit anderen Lehrbetrieben vermittelt werden.

Vegucation liefert Expertise

Die Detailausarbeitung des Lehrplans erfolgt derzeit in enger Abstimmung mit dem Ministerium, der Wirtschaftskammer und fachlichen Expert:innengruppen, in denen auch die Vegane Gesellschaft vertreten ist. „Wir können unsere Inhalte aus über zehn Jahren Bildungsarbeit direkt einbringen – das sorgt für eine rasche Umsetzung und sichert Qualität“, erklärt Lisa Klein, Projektleiterin des multilateralen Bildungsprogramms Vegucation. „In den Expert:innengruppen bringen wir fundierte Unterrichtsmaterialien, mögliche Prüfungsfragen und Praxiskonzepte ein – vieles davon kann nahezu eins zu eins übernommen werden.“

Eine junge Frau bei der Kochausbildung gießt Teig in einen Topf.
© Tamara Janjuš 

Ein Berufsbild mit Perspektive

Die Einführung des Lehrberufs kommt in einer Phase, in der die Gastronomie unter einem akuten Fachkräftemangel leidet. Laut Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer waren mit Jahresende 2024 etwa 2.800 in Ausbildung – zehn Jahre zuvor waren es noch über 4.000. „Dieser neue Weg begeistert viele, die sich bisher nicht abgeholt gefühlt haben – weil er zeitgemäß und praxisnah ist“, sagt Felix Hnat. „Die Branche braucht frischen Wind und genau das leistet diese Ausbildung.“ Die fleischlose Lehre schafft nicht nur ein zusätzliches Angebot, sondern spricht gezielt junge Menschen an, die eine traditionelle Kochlehre nicht in Erwägung ziehen würden.