Stellungnahme: Regierung plant weiterhin keine Steuersenkung bei Pflanzenmilch

Stellungnahme: Regierung plant weiterhin keine Steuersenkung bei Pflanzenmilch

11.05.2023

Die Vegane Gesellschaft fordert seit langem ein Ende der steuerlichen Diskriminierung von Pflanzenmilch, die in Österreich mit 20 Prozent einem doppelt so hohen Steuersatz wie Kuhmilch unterliegt. Der Begutachtungsentwurf vom Abgabenänderungsgesetz 2023 stimmt pessimistisch, da weder Pflanzenmilch noch eine etwaige Steuersenkung enthalten sind.

Abgabenänderungsgesetz: Keine Spuren von Pflanzenmilch enthalten

Steuern sind eine zentrale staatliche Einnahmequelle. Allein durch die Umsatzsteuer flossen im letzten Jahr 35,4 Milliarden Euro in die Staatskassa (WKO 2023). Das entspricht einem Drittel der gesamten Einnahmen der Republik. Das Abgabenänderungsgesetz, das jährlich von der Regierung vorgeschlagen wird, ist somit ein heißes Eisen. Wie der Name suggeriert, dient es zur Änderung der Abgaben, also von Steuern, Gebühren und Beiträgen. Das Abgabenänderungsgesetz 2023 ist bis 12.05.2023 in Begutachtung.

Ein zentraler Teil des Abgabenänderungsgesetzes ist das Umsatzsteuergesetz. Es regelt, welche Waren- und Dienstleistungsgruppen wie hoch besteuert werden. Wir haben einen prüfenden Blick auf den Entwurf geworfen (RIS 2023). Was wir nicht gefunden haben, ist eine Senkung der Umsatzsteuer auf Pflanzenmilch. Die steuerliche Diskriminierung von Pflanzenmilch (20 Prozent USt) im Gegensatz zu Kuhmilch (10 Prozent USt) soll in Österreich also beibehalten werden.

Hintergründe: Lesen Sie mehr zum Thema Pflanzenmilch und Umsatzsteuer!

Pro & Contra: Pflanzenmilch weiter steuerlich diskriminieren?

Wir haben uns in die Regierung hineingedacht. Welche Argumente bringt sie beziehungsweise das ÖVP-geführte Finanzministerium vor, die für eine steuerliche Diskriminierung von Pflanzenmilch sprechen? Warum sind das bestenfalls Scheinargumente und warum braucht es eine Steuersenkung für Pflanzenmilch?

Pflanzenmilch wird – im Gegensatz zu anderen Getränken – wie Kuhmilch verwendet. Beispiele sind das Kochen und Backen sowie der Einsatz in Kaffee, Tee und Müsli. Somit handelt es sich bei Pflanzenmilch nicht um pflanzliche Getränke, die mit Apfelsaft, anderen Obst- und Gemüsesäften oder gar Soft Drinks zu vergleichen sind.

Zudem ist Pflanzenmilch einfach von anderen Getränken abzugrenzen. Sie basiert auf Hülsenfrüchten, Getreide oder Nüssen, während andere pflanzliche Getränke eher aus Obst und Gemüse gewonnen werden. Rechtlich könnte beispielsweise von „aus Hülsenfrüchten, Getreide oder Nüssen gewonnenen Getränken“ gesprochen werden.

Kokosmilch stellt eine Ausnahme unter den Pflanzenmilchsorten dar. Ihr Rohstoff muss zwingend importiert werden, aber sie spielt mengenmäßig eine untergeordnete Rolle. Der Großteil an Pflanzenmilch entfällt in Österreich auf Hafermilch (55 Prozent) und Sojamilch (17 Prozent) (Good Food Institute 2023). Beide Rohstoffe werden in Österreich angebaut und zu Pflanzenmilch verarbeitet, wie etwa die Eigenmarken von österreichischen Supermärkten zeigen.

Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass der größte Teil an Treibhausgasen im Ernährungssystem auf tierische Lebensmittel und nur ein kleiner Teil auf den Transport entfällt. Bei der Herstellung von pflanzlicher Milch, beispielsweise Soja-, Hafer-, Mandel- und Reismilch, werden wesentlich weniger Treibhausgase als bei jener von Kuhmilch emittiert (Poore & Nemecek 2018, ProVeg 2019).

Das zeichnet sich auch in der Ernährungsweise der Österreicher:innen ab. Hierzulande verursacht eine vegane Ernährung 0,4 t CO2-eq oder anders ausgedrückt um 70 % weniger Treibhausgase als die durchschnittliche tierproduktreiche Ernährung mit 1,5 t CO2-eq (Schlatzer & Lindenthal 2020). Folglich sprechen Nachhaltigkeitsüberlegungen glasklar für und nicht gegen eine Steuerreduktion von Pflanzenmilch.

Aus einer materiellen Perspektive sei angemerkt, dass zahlreiche Lebensmittelhändler:innen (wie REWE 2022; Gurkerl 2022) signalisiert haben, eine etwaige Senkung der Umsatzsteuer von Pflanzenmilch auch an die Konsument:innen weiterzugeben.

Aus einer symbolischen Perspektive sei hinzugefügt, dass eine höhere Steuer auf Pflanzenmilch falsche Signale an die Konsument:innen sendet. Es stellt sich die Frage, warum Menschen, die aus vielfältigen Motiven (Umwelt, Klima, Tiere, Gesundheit) keine Kuhmilch konsumieren können oder wollen, für ihre Entscheidung abgestraft werden.

Grundsätzlich geht es in der Forderung zur Senkung der Umsatzsteuer von Pflanzenmilch darum, pflanzliche Lebensmittel nicht gegenüber tierischen Lebensmitteln schlechter zu stellen und einen Ernährungswandel hin zu einer pflanzenreichen Kost zu erleichtern, der auch für die Bekämpfung der Klimakrise essenziell ist.

Das ist grundsätzlich richtig. Erstens ist aber zu beachten, dass einkommensschwächere Haushalte einen höheren Teil ihres Einkommens für Lebensmittel aufwenden müssen als einkommensstärkere Haushalte. In diesem Sinn würden sie auch stärker von einer Senkung der Umsatzsteuer profitieren.

Zweitens ist der Konsum von Pflanzenmilch in Österreich weit verbreitet. So konsumieren 20 % der Österreicher:innen mindestens einmal pro Woche Pflanzenmilch (Smart Protein 2021). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass Pflanzenmilch in allen Einkommensschichten konsumiert wird.

Drittens erlaubt es gerade die Steuersenkung von Pflanzenmilch, eine wesentliche Diskriminierung von pflanzlichen Alternativen im Vergleich mit tierlichen Produkten abzuschaffen. In Zeiten hoher Inflation, die vor allem auch den Lebensmittelbereich betrifft, sind Entlastungen bei alltäglichen Ausgaben, wie sie für die Ernährung zu tätigen sind, unerlässlich.

Zahlreiche Staaten in Europa unterwerfen Kuh- und Pflanzenmilch demselben Steuersatz, etwa Belgien, Dänemark, Finnland und Frankreich. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum eine Senkung der Umsatzsteuer für Pflanzenmilch auf das Niveau, das für Kuhmilch gilt, in Österreich nicht finanzierbar sein sollte.

Ausgegangen von einer Marktgröße für Pflanzenmilch von 83 Millionen Euro in Österreich würden durch eine Steuersenkung lediglich etwa 8 Millionen Euro an Steuereinnahmen entfallen. Potenziell könnte ein niedriger Preis zu einem höheren Umsatz führen und so könnten die entfallenen Steuereinnahmen auch ausgeglichen werden.

Grundsätzlich ist zu betonen, dass eine steuerliche Diskriminierung – wie sie im Fall von Pflanzenmilch in Österreich existiert – nicht durch etwaige Kosten- oder Effektivitätsbedenken legitimiert werden kann.

Fazit: Steuersenkung bei Pflanzenmilch essenziell für nachhaltigeres und faireres Ernährungssystem

Klima-, Umwelt- und Tierschutz sprechen klar für pflanzliche Alternativen zu Kuhmilch. Menschen, die sich klima-, umwelt- und tierfreundlich ernähren möchten und daher im Supermarkt zu Pflanzenmilch greifen, dürfen nicht länger steuerlich gestraft werden.

Eine Senkung der Umsatzsteuer bei Pflanzenmilch auf 10 Prozent ist daher essenziell für ein nachhaltigeres und faireres Ernährungssystem. Es ist ein Gebot der Stunde, dass dies auch von der österreichischen Regierung und der übrigen Politik erkannt und dementsprechend im Abgabenänderungsgesetz umgesetzt wird.

Petition: Setzen Sie mit uns ein Zeichen gegen die steuerliche Diskriminierung von Pflanzenmilch!

Quellen

Good Food Institute Europe. 2023. Österreich: Entwicklung des Marktes für pflanzliche Lebensmittel im Einzelhandel 2020-2022. https://gfieurope.org/wp-content/uploads/2023/03/Marktentwicklung-Plantbased-in-Osterreich-2020-2020-DE.pdf (Zugegriffen: 11.05.2023)

Gurkerl. 2022. Auf Expansionskurs: gurkerl.at erweitert Liefergebiet und vergrößert Lager auf 10.000 m2. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220922_OTS0149/auf-expansionskurs-gurkerlat-erweitert-liefergebiet-und-vergroessert-lager-auf-10000-m-bild (Zugegriffen: 11.05.2023)

Poore, Joseph; Nemecek, Thomas. 2018. Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Science 360 (6392): 987-992.

ProVeg. 2019. Plant Milk Report 2019. Berlin: ProVeg. https://proveg.com/wp-content/uploads/2019/10/PV_Plant_Milk_Report_281019-1.pdf (Zugegriffen: 11.05.2023)

REWE. 2022. BILLA und die Vegane Gesellschaft Österreich fordern steuerliche Gleichstellung von Kuhmilch und pflanzlichen Pendants. https://presse.rewe-group.at/news-billa-und-die-vegane-gesellschaft-oesterreich-fordern-steuerliche-gleichstellung-von-kuhmilch-und-pflanzlichen-pendants-?id=164327&menueid=24868&l=deutsch (Zugegriffen: 11.05.2023)

RIS. 2023. Entwurf. Abgabenänderungsgesetz 2023 – AbgÄG 2023. https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Begut/BEGUT_DE843B2C_058F_451F_BADE_F658BFEB4080/BEGUT_DE843B2C_058F_451F_BADE_F658BFEB4080.html (Zugegriffen: 11.05.2023)

Schlatzer, Martin; Lindenthal, Thomas. 2020. Einfluss von unterschiedlichen Ernährungsweisen auf Klimawandel und Flächeninanspruchnahme in Österreich und Übersee (DIETCCLU). Endbericht von StartClim2019.B in StartClim2019: Weitere Beiträge zur Umsetzung der österreichischen Anpassungsstrategie. Auftraggeber: BMLFUW, BMWF, ÖBf, Land Oberösterreich.

Smart Protein. 2021. ‘What consumers want: A survey on European consumer attitudes towards plant-based foods. Country specific insights’ European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme (No 862959). ProVeg International, University of Copenhagen, Ghent University, Innova Market Insights.

WKO. 2023. WKO STATISTIK. Steuereinnahmen des Bundes. Nach: BMF. http://wko.at/statistik/jahrbuch/budget-steuereinnahmen.pdf (Zugegriffen: 11.05.2023)

Anmerkung

* Alle in Anführungszeichen gesetzten Aussagen stellen keine realen Zitate dar, sondern wurden von der Veganen Gesellschaft basierend auf Erfahrungswerten in der politischen und gesellschaftlichen Debatte um Pflanzenmilch und Umsatzsteuer formuliert.