Neue Ernährungsempfehlungen: Unser Engagement für mehr Pflanzlichkeit

Neue Ernährungsempfehlungen: Unser Engagement für mehr Pflanzlichkeit

18.11.2024

Ausgangssituation im Jahr 2016: Wir starten mit der Kampagne „Vegane Option“. Mit der Hilfe des Juristen Petr Kudelka setzen wir uns in den folgenden Jahren engagiert dafür ein, dass in öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Kasernen und Schulen standardmäßig ein veganes Gericht angeboten wird. Große Fortschritte gibt es jedoch nur bei den Mensen. Bei allen anderen Institutionen scheitern unsere Bemühungen mit Verweis auf die Nationale Ernährungskommission (NEK). Laut deren offizieller Empfehlung vom 3. November 2016 ist eine ausreichende Versorgung mit einigen Nährstoffen bei veganer Ernährung nicht oder nur schwer möglich. Im Fall von Schwangerschaft, Stillzeit, Kindheit und Jugend wird sogar dringend davon abgeraten.

Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE):

Als wissenschaftliche Fachgesellschaft informiert die ÖGE über neue Erkenntnisse aus dem Bereich der Ernährungsforschung und wertet diese aus. Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) publiziert sie die für Österreich und Deutschland gültigen Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr.

Nationale Ernährungskommission (NEK):

Als fachliches Beratungsgremium verabschiedet die NEK Empfehlungen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Zu den Mitgliedern zählen Forscher:innen sowie Vertreter:innen von verschiedenen Ernährungsverbänden, Ministerien, Kammern und einigen NGOs.

Als problematisch empfinden wir zudem verschiedenste Fehlinformationen, die über manche Websites und Social Media verbreitet werden. Diese reichen von pflanzlichen Lebensmitteln, die angeblich mit Vitamin B12 versorgen, bis hin zu diversen nicht essenziellen Substanzen, die laut einigen Influencer:innen und Nahrungsergänzungsmittelhersteller:innen bei einer veganen Kost supplementiert werden müssten.

Lösungsansatz

Unser Wunsch nach überarbeiteten offiziellen Ernährungsrichtlinien wird immer größer. Wir schließen uns daher der internationalen Kampagne „Dietary Guidelines Initiative“ an. Unsere Ziele:

1. Lebensmittelbasierte Ernährungsempfehlungen: Die allgemeinen Empfehlungen sollen pflanzlicher werden, also weniger Tierprodukte enthalten und Alternativen wie Hülsenfrüchte, Tofu und Pflanzenmilch beinhalten. In Österreich wird bis dato die Ernährungspyramide verwendet, die das Gesundheitsministerium herausgibt. Wir setzen uns für ein Tellermodell ein, bei dem sich pflanzliche und tierische Proteinquellen in einer gemeinsamen Lebensmittelgruppe befinden.

2. Empfehlungen zur veganen Ernährung: Wir wünschen uns eine objektive, wissenschaftlich fundierte Einschätzung – mit klaren Handlungsempfehlungen, die zeigen, wie eine vegane Ernährung gut und ausgewogen umgesetzt werden kann.


© cherryandbees/stock.adobe.com

Dialog mit Schlüsselakteur:innen

In den folgenden Jahren suchen wir immer wieder den Austausch mit zentralen Persönlichkeiten aus dem Ernährungs- und Gesundheitsbereich. Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass wir allen Beteiligten sehr für ihre Offenheit danken. Trotz unserer hartnäckigen Art hören uns alle zu und zeigen Verständnis für unser Anliegen. Selbst Gesundheitsminister Johannes Rauch nimmt sich Zeit, um sich mit uns zu treffen. Unterstützung erfahren wir insbesondere von Karl-Heinz Wagner, dem Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE). Er ist daran interessiert, dass sich die ÖGE als Fachgesellschaft klar positioniert und die Empfehlungen in Form von praxisorientierten FAQ auf den aktuellen wissenschaftlichen Stand bringt.

Auch in puncto lebensmittelbasierter Empfehlungen tut sich einiges: Im Jahr 2021 wird unsere Ernährungswissenschafterin Katharina Petter zum Mitglied der NEK berufen – ein Quantensprung, denn ab diesem Zeitpunkt darf sie die nationalen Ernährungsempfehlungen offiziell mitgestalten und unter anderem über die neuen Ernährungspyramiden abstimmen.

Die neuen österreichischen Ernährungsempfehlungen

2024 ist es schließlich so weit: Die neuen Empfehlungen für omnivore, vegetarische und vegane Ernährung werden publiziert.

1. Omnivore und vegetarische Ernährungspyramide

Die Menge an tierischen Lebensmitteln wird in der neuen österreichischen Ernährungspyramide erfreulicherweise deutlich reduziert: Statt wie bisher vier bis fünf Portionen Fleisch und Fisch pro Woche sollen nun nur noch maximal drei auf den Tellern landen. Auch die empfohlene Menge an Milch und Milchprodukten hat sich von drei auf zwei Portionen pro Tag reduziert.

Stattdessen liegt der Fokus auf pflanzlichen Lebensmitteln: Erstmals gibt es eine eigene Lebensmittelgruppe für Hülsenfrüchte und daraus hergestellte Produkte. Mindestens drei Portionen pro Woche sollten es davon sein.

Darüber hinaus existiert nun eine eigenständige Pyramide für vegetarische Ernährung – ein absolutes Novum, das zusätzlich deutlich macht, in welche Richtung die offiziellen Ernährungsempfehlungen gehen: viel mehr pflanzlich, weniger tierisch! Die neuen Pyramiden wurden im Dezember 2024 veröffentlicht.


Die neuen Pyramiden für Ernährung mit und ohne Fisch und Fleisch | © BMSGPK

2. Der gesunde und nachhaltige Teller

Ein besonderes Anliegen sind uns lebensmittelbasierte Empfehlungen in Form eines Tellermodells, da Linsen, Bohnen und Tofu hierbei aufgrund der gemeinsamen Proteingruppe als gleichwertig mit Fleisch, Eiern und Kuhmilchprodukten angesehen und gegeneinander ausgetauscht werden können. International entscheiden sich immer mehr Fachgesellschaften dazu, ihre lebensmittelbasierten Empfehlungen in Form eines Tellers darzustellen. Da er deutlich einfacher als die Pyramide aufgebaut ist, ist er in der Regel auch leichter verständlich. Aus diesem Grund setzen wir bei der Veganen Gesellschaft seit einigen Jahren auch auf den veganen Ernährungsteller.

Es freut uns sehr, dass sich das Gesundheitsministerium nach längeren Diskussionen dazu entschieden hat, ergänzend zur Ernährungspyramide einen „gesunden und nachhaltigen Teller“ herauszugeben und leicht auffindbar auf der Website zu veröffentlichen. Für die praktische Veranschaulichung hat das Ministerium sogar ein eigenes Kochbuch in Auftrag gegeben, das über den Broschürenservice des Sozialministeriums bestellt werden kann. Im Rahmen einer Arbeitsgruppe innerhalb der NEK durften wir die Rezeptauswahl mitgestalten. Die fertige Broschüre enthält nicht nur viele vegane Gerichte, sondern auch Vorschläge, wie jedes nicht vegane Rezept rein pflanzlich abgewandelt werden kann.


Der gesunde und nachhaltige Teller | © BMSGPK/Fotostudio Mayer mit Hut | Anmerkung: von uns abgewandelte Version, tierische Lebensmittel in Grau

3. Empfehlungen und FAQ zur veganen Ernährung

Aus den anfangs erwähnten Gründen sind offizielle österreichische Empfehlungen für die vegane Ernährung von zentraler Bedeutung für unsere Arbeit, weshalb wir an deren Umsetzung besonders zielstrebig gearbeitet haben. Auch wenn sich unser Wunsch nach einer Überarbeitung der NEK-Position nicht erfüllt hat, freuen wir uns sehr über die neuen Empfehlungen der ÖGE. Als wissenschaftliche und unabhängige Fachgesellschaft garantiert sie eine objektive Einordnung der aktuellen Studienlage. Mit über 60 Seiten Text und fast 20 Seiten Quellenangaben ist das Dokument nicht nur sehr fundiert, sondern auch bedeutend umfangreicher als erwartet.

Der praxisorientierte Fokus der Fragen und Antworten stellt eine ideale Ergänzung zum neuen Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung dar. Diese hat die vegane Ernährung komplett neu bewertet und kommt zu dem Schluss, dass sie – sofern gut umgesetzt – gesundheitsfördernd und äußerst umweltfreundlich ist.

In beiden Publikationen wird eine vegane Ernährung für vulnerable Gruppen wie Kinder, Schwangere und Stillende zwar weiterhin nicht empfohlen, gleichzeitig wird nun aber nicht mehr explizit davon abgeraten. Sie sind damit ein bedeutender Meilenstein für die Anerkennung und Verbreitung der veganen Ernährung.


Kochbuch „Gesund essen, gut fürs Klima“ und FAQs und Empfehlungen zur veganen Ernährung | © VEGAN.AT

Links

Website der ÖGE
BMSGPK: Der gesunde und nachhaltige Teller
ÖGE: Vegane Ernährung
Kochbuch: „Gesund essen, gut fürs Klima“