Authentisch mit Leib und Seele: "Swing Kitchen"-Geschäftsführerin Irene Schillinger

Authentisch mit Leib und Seele: "Swing Kitchen"-Geschäftsführerin Irene Schillinger

20.05.2016

Irene Schillinger hat sich bereits während ihres Studium der Publizistik und Politikwissenschaften intensiv dem Tierschutz gewidmet und war Mitarbeiterin und Aktivistin bei “Vier Pfoten”. Bei einer Anti-Pelz-Aktion hat sie ihren jetzigen Ehemann, Karl “Charly” Schillinger kennengelernt, mit dem sie gemeinsam das seit 1793 im Familienbesitz befindliche Gasthaus Schillinger in Großmugl auf 100 % pflanzliche, aber nichtsdestotrotz traditionelle “Österreichische Hausmannskost” umgestellt hat. Seit 2015 ist Irene Schillinger Geschäftsführerin der veganen Burgerkette “Swing Kitchen”.

Hallo Irene! Kurz zu deiner Geschichte: Wie kam es überhaupt dazu, dass du dich für Veganismus interessiert hast?

Als junges, pferdeverrücktes Mädchen konnte ich nicht verstehen, warum manche Tiere geliebt und gestreichelt werden und andere namenlos, tot und zerstückelt im Kühlschrank aufbewahrt werden, und auf welchen Kriterien diese Unterscheidung zwischen Heimtier und Nutztier beruht. Ich bin daher mit 12 Jahren Vegetarierin geworden. Dann war es nur eine Frage der Zeit, bis ich vor bald 20 Jahren den nächsten Schritt zum Veganismus gemacht habe. Seit ich selbst Mutter bin, geht mir das Leid der anderen Säugetiermütter, die ihre Leben als Milchlieferantinnen fristen müssen, sogar noch mehr zu Herzen.

Was war deine härteste Aktion als Tierschutzaktivistin und was würdest du als erfolgreichste Aktion bezeichnen?

Meine härteste, da muss ich nicht lange nachdenken, war 1992 in Pardubice/Tschechien ein unglaublich brutales Pferderennen, das wir versucht haben durch Blockade der Rennbahn zu verhindern. Das brachte mir unzählige blaue Flecken und eine volle Ladung Tränengas ins Gesicht ein (lacht). Unmittelbar und kurzfristig am erfolgreichsten waren sicher die Jagdaktionen, weil eben an diesem Tag keine Tiere erschossen wurden. Das war ein schönes Gefühl.

Vielen kennen dich und deinen Mann Charly vor allem als vegane Unternehmer_innen im berühmten Dorfgasthaus von Großmugl. Wie bist du schlussendlich in der Gastronomie gelandet?

Gastronomie hat mich schon immer interessiert. Meine Akademiker-Eltern haben da ziemlich die Nase gerümpft und wollten, dass ich studiere. Aber schon während des Studiums habe ich in einer Bar gejobbt. Als ich viel später meinen Mann Charly kennenlernte, war ich begeistert von der Möglichkeit, im Gasthaus seiner Mama eigene Rezepte ausprobieren zu können. Und als sie an Krebs erkrankte und nach und nach Hilfe benötigte, war ich zur Stelle. Charly und ich haben den Betrieb 2001 übernommen und – wie manche sagen – zu einem Mekka der veganen Sehnsuchtsküche gemacht. In dieser Phase haben wir sehr viel ausprobiert und aus Fehlern und Erfolgen gelernt. Diese Erfahrungen kommen uns jetzt sehr zugute.

Tierrechte und Veganismus liegen dir offenbar sehr am Herzen. Dabei denkt man aber nicht unbedingt an Fast Food und Burger. Wie kam es zur Idee, ein veganes Burger-Restaurant zu eröffnen?

Unser Gasthaus in Großmugl hat uns gezeigt, dass wir unglaublich viel bewirken können. Ein gutes Essen erklärt oft mehr als 100 durchdiskutierte Nächte. Denn wenn man erst einmal verstanden hat, dass es überhaupt nicht notwendig ist, Tiere für unsere Nahrung zu benützen, weil auch rein pflanzliche Speisen wohlschmeckend, sättigend und gesund sind, dann sind die Köpfe auch für ethische Argumente frei und zugänglich. Aber auch bei omnivor bleibenden Gästen ist es ja so, dass für jede konsumierte vegane Speise eine tierliche nicht produziert und zubereitet werden muss. Hier haben wir also echten Einfluss darauf, die Produktion von Fleisch- und Tiermilchprodukten stetig zu drosseln. Mit dieser Erkenntnis haben wir nach einem Konzept gesucht, das uns erlaubt, viele Filialen zu eröffnen, die alle den gleichen hohen Qualitätsansprüchen genügen ohne dass wir selbst stets vor Ort sein müssen – sonst kämen wir über zwei Standorte ja nicht hinaus … Ein selbst entwickeltes Rezept für ein Burger-Patty hat uns die Entscheidung schließlich einfach gemacht und die Idee einer veganen Systemgastronomie-Kette mit Burgerthema lag damit für uns einfach auf der Hand.

Was zeichnet euer Konzept aus und unterscheidet es von anderen vergleichbaren Konzepten?

Veganismus geht, so wie ich ihn zumindest verstehe, über den (eigenen) Tellerrand weit hinaus. Wir achten daher generell auf unseren ökologischen Fußabdruck und verwenden ausschließlich kompostierbare Verpackungsmaterialien, die von uns nach Gebrauch auch tatsächlich einer Kompostieranlage zugeführt werden. Wir kaufen Bio-Fair-Trade-Kaffeebohnen und Orangen für den frisch gepressten Orangensaft, verwenden Emaille statt Plastik-Tabletts und vieles mehr. Nicht zuletzt ist uns auch ein respektvoller und wertschätzender Umgang mit und unter unseren Mitarbeiter_innen wichtig. Die Löhne sind bei rund 30 % über den branchenüblichen.

Kaum ein großes Unternehmen kommt heute ohne Unternehmensethik und gesellschaftliche Verantwortung, sog. „Corporate Social Responsibility“ und Ethik-Kodizes, aus. Bei vielen bleibt es oft nur beim “Greenwashing” durch Marketingmaßnahmen. Warum sollte bei euch auf einmal alles besser sein?

Ich kann nicht beurteilen, wie das in anderen Betrieben ist, aber wir sind einfach 100 % authentisch. Das, was wir hier machen, ist die Verwirklichung unserer Ideale. Dafür stehen wir auch privat und in jeder Lebenslage. Wir wollen einfach unseren Beitrag dazu leisten, unsere Welt zu einem besseren Ort zu machen. Fast alle unserer Mitarbeiter_innen teilen diesen Zugang und es ist total schön gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Irene Schillinger im Büro

Du bist Jungunternehmerin mit zwei Kindern im Alter von 9 bzw. 11 Jahren. Wie ist das zu bewältigen?

Das ist nicht leicht und natürlich immer eine Gratwanderung. Nachdem die beiden aber mittlerweile erst um 14 bzw. 15 Uhr von der Schule heimkommen, habe ich wochentags viele Stunden, die ich voll und ganz der Firma widmen kann. Ich arbeite auch viel und gerne nachts, wenn die Kinder schon schlafen – gücklicherweise brauche ich sehr wenig Schlaf (lacht). Die späteren Nachmittagsstunden bis zum Abend gehören dafür zu 100 % meinen Kindern. Ich glaube, wir haben einen ganz guten Takt gefunden.

Wie gut läuft das Pilotrestaurant in der Wiener Schottenfeldgasse nach nunmehr einem guten Jahr? Wer ist das Publikum und was sagen die Gäste?

Unsere erste Swing Kitchen in der Schottenfeldgasse hat einen echten Senktrechtstart hingelegt. Die Umsätze haben vom ersten Tag an alle unsere Erwartungen übertroffen. Unser Publikum ist bunt gemischt – mehr Frauen als Männer und mehrheitlich zwischen 20 und 35 Jahre alt, mehr als die Hälfte unserer Gäste ernährt sich nicht vegetarisch oder vegan. Die Kund_innen-Zufriedenheit ist laut einer Umfrage, die wir jetzt ganz aktuell gemacht haben, sehr hoch. Und was mich besonders freut: Ganz viele Gäste fiebern richtig mit uns mit und sind begeistert von unserer schnellen Expansion und unserem wirtschaftlichen Erfolg. Ich weiß das sehr zu schätzen; es ist schon sehr ungewöhnlich, als Unternehmerin so gemocht zu werden.

Nach weniger als einem Jahr wurde mittlerweile eine zweite Filiale in der Operngasse eröffnet. Wo soll das alles noch hinführen?

Wir werden heuer zwei weitere Filialen eröffnen, eine davon wird bereits unser erster Franchisenehmer betreiben. Nachdem wir also demnächst mit unserem Franchise-System auf den Markt gehen, ist einem schnellen, internationalen Wachstum fast keine Grenze gesetzt. Vorerst informelle Anfragen von potentiellen Franchisenehmer_innen haben wir bereits dutzende quer durch Europa und die USA.

Also theoretisch kann sich jede Person als Franchisenehmer_in bewerben und euer Konzept an einem beliebigen Standort umsetzen? Was für Kriterien müssen für so eine Franchisepartnerschaft gegeben sein?

Unsere Franchisepartner sind investitionsfreudige Personen, die über betriebswirtschaftliche Erfahrung sowie das notwendige Eigenkapital verfügen, um ein Swing-Kitchen-Restaurant selbsttätig führen zu können. Geeignete Standorte sind gut frequentierte Lagen in Städten über 100.000 Einwohner_innen in Österreich und in nächster Zukunft in Deutschland.

Was ist euer Trick, dass das Konzept überall so gut funktioniert?

Vielleicht funktioniert es gerade deshalb so gut, weil wir keinen Trick haben. Wir sind authentisch und mit Leib und Seele bei der Sache. Wir haben viele Jahre an der Ausarbeitung dieses Konzepts gearbeitet. Und nun zeigt sich: Die Zeit ist offenbar reif für ein Unternehmen wie unseres. Fantastische Mitarbeiter_innen bewerben sich laufend bei uns, die sich als Teil unserer Swing Kitchen und der guten Sache betrachten. Und die Resonanz unserer Kund_innen ist überwältigend. Es ist doch fantastisch, dass man Menschen mit Themen wie Nachhaltigkeit, Respekt und Mitgefühl begeistern kann!

Irene, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg mit der Swing Kitchen!

Ich danke euch und wünsche auch euch weiterhin viel Erfolg!