Hitler war Nichtraucher! (Aber kein Vegetarier.)

Hitler war Nichtraucher! (Aber kein Vegetarier.)

10.05.2015

Vegetarisch oder vegan lebende Menschen kennen den hartnäckigen Mythos, dass einer der entsetzlichsten Diktatoren unserer Geschichte, Adolf Hitler, Vegetarier gewesen sei. Letzteres ist historisch zwar falsch [1], es gibt aber eine Erklärung für den nach wie vor oft zitierten Irrglauben: die Propaganda-Maschinerie der NS-Zeit. Unter der Federführerschaft Joseph Goebbels' bemühte man sich verbissen darum, Hitler als anti-alkoholischen, fleischarm lebenden und nicht-rauchenden Asketen darzustellen. Die angebliche Selbstkontrolle über den (Führer-)Körper sollte vorbildhaft symbolisieren, wie hingebungsvoll sich der „Führer“ in die Dienste des Reiches stellte. Dieses Bild zielte – leider sehr erfolgreich – unter anderem darauf ab, die Disziplin der deutschen Massen für das Wohl und die Ausweitung des Dritten Reichs zu stärken. Sollten sich Nichtraucher_innen schämen, weil sie sich in übler Gesellschaft befinden? 

Viele spätere Hitler-Biografien (aber nicht alle [2]!) haben die Fehlinformation unhinterfragt übernommen und dadurch dazu beigetragen, den Mythos aufrecht zu erhalten. Im Alltag entkommt, unter anderem deshalb, kaum ein tierrechtsbewusster Mensch diesem vorgebrachten Hinweis, der gleich einem Totschlag-Argument jegliche Diskussions-Fairness im Keim zu ersticken droht: „Hitler war doch auch Vegetarier!“ Ein haltloses Mantra, das innerhalb einer Veganismus-Debatte jeder Logik entbehrt. Erstens, aber nicht ausschlaggebend: Die Nazis ließen vegetarische Organisationen sogar verbieten und Hitler selbst war zwar kein Vegetarier, jedoch der fleischlosen Diät via Lippenbekenntnis zugeneigt. Er hielt sie jedoch nur fallweise ein [3]. Zweitens, und wirklich wichtig: Diese Hitler-Andeutung ist nur vorgeblich ein „Argument“. In Wirklichkeit aber handelt es sich dabei um eine Abwertungs-Taktik. Hier wird der ethische Anspruch von Veganismus maßlos abqualifiziert, indem das moralische Empfinden gegenüber Tieren mit der Nazi-Ideologie verknüpft wird. Die Botschaft lautet eigentlich: Wie könnten Vegetarismus oder Veganismus ethisch sein, wenn sich auch Hitler dafür begeisterte? Außerdem ist es eine Ablenkungs-Taktik, um den relevanten Fragen einer rein pflanzlichen Ernährungsweise auszuweichen. Die Widersinnigkeit dieser Strategie verdeutlicht auch folgendes Beispiel: Wer würde jemals auf die Idee kommen, einen nicht-rauchenden Menschen mit dem Hinweis zu konfrontieren, dass Hitler doch auch Nichtraucher gewesen sei? Niemand – und das zu recht. Warum? Weil es tatsächlich absolut keine Rolle spielt, was ein psychopathischer Diktator in seinem Privatleben für Vorlieben hatte. Oder sollten sich Nichtraucher:innen tatsächlich schämen, weil sie sich in solch übler Gesellschaft befinden?

Eine Möglichkeit wäre, auf derartige Übergriffe seitens solcher „Diskussions-Partner:innen“ gar nicht einzugehen, sondern auf die Notwendigkeit einer fairen und sachlichen Auseinandersetzung hinzuweisen. Falls Interesse am ethischen Anspruch von pflanzlicher Ernährung bestehen sollte, wird sich das Gespräch mit dieser vorgebrachten Bitte in eine gute Richtung entwickeln können. Falls nicht, tut man wohl besser daran, sich nicht mit abgeworfenen Blendgranaten zu beschäftigen. Jegliches Ernst-Nehmen derartiger Rhetorik stärkt nämlich die Unmöglichkeit, sich verständlich zu machen – weil es im Grunde gar nicht darum geht, verstanden zu werden.

Quellen

[1] Dione Lucas (1964): The Gourmet Cooking School Cookbook, Seite 89

[2] z.B. Thomas Fuchs (2000): A Concise Biography of Adolf Hitler, Seite 78

[3] ebd

Autorin

Elisa Ludwig von Politicas - Die linke Perspektive www.politicas.at

Foto

Foto creative commons: www.flickr.com Fotograf "Freenerd"