Studien mit vegan lebenden Menschen

Studien mit vegan lebenden Menschen

07.11.2016

Die Adventist Health Study 2 und die EPIC-Oxford Study sind die zwei wichtigsten und größten Studien, die bisher mit vegan lebenden Menschen durchgeführt wurden. Sie zeigen beeindruckende Ergebnisse.

Viele unterschiedliche Studien beschäftigen sich mit den Auswirkungen einer veganen Lebensweise auf die menschliche Gesundheit. Sie zeichnen ein recht deutliches Bild: Eine vegane Ernährung ist nicht nur besonders nährstoffreich, sondern kann Übergewicht vorbeugen und das Risiko für chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus II, Bluthochdruck oder auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzieren. Allerdings sind nicht alle Unterschungsergebnisse gleichermaßen aussagekräftig. 

Entscheidend hierbei ist neben den Auftraggeber:innen das Sudiendesign: Es beschreibt, wie die empirische Fragestellung untersucht werden soll und legt fest, welche Indikatoren wann, wie oft, wo und wie an welchen Objekten erfasst werden sollen. So erlauben die ermittelten Korrelationen in einigen Studien nur begrenzte Rückschlüsse. Häufig ist auch die Fallzahl – also die Anzahl der Studienteilnehmer:innen – sehr gering. Wir geben einen kleinen Überblick, welche Studien aus wissenschaftlicher Sicht besonders relevant sind und was die wichtigsten Untersuchungen mit vegan lebenden Menschen bisher herausgefunden haben.

Wissenschaftliche Aussagekraft

Die sogenannte Evidenz bezeichnet in der Medizin den empirisch erbrachten Nachweis, dass beispielsweise ein Präparat oder eine Therapieform wirksam sind. Die wissenschaftliche Aussagefähigkeit von Studien wird durch Evidenzlevel beschrieben.

Schwächste Evidenz

Diese Studien werden durchgeführt um zu ermitteln, ob weitere Forschung in dem Bereich berechtigt ist, liefern jedoch keine überzeugende Evidenz. Hierzu zählen In-vitro-Studien, die außerhalb eines lebenden Organismus, etwa im Reagenzglas, durchgeführt werden. Ebenso haben tierexperimentelle Studien eine sehr schwache Evidenz. Abgesehen von ethischen Aspekten können ihre Ergebnisse in der Regel nicht einfach auf den Menschen übertragen werden, da der Mensch ganz anders reagieren kann als andere Tierarten. Fallstudien beschreiben die Krankheitsgeschichte von einer oder manchmal mehreren Personen, die in einem wissenschaftlichen („peer-reviewed“) Journal veröffentlicht werden. Sie dienen oft der Hypothesenbildung, können aber keine endgültigen Antworten liefern. Schließlich haben auch Korrelationsstudien nur eine schwache Evidenz. Sie vergleichen Essgewohnheiten und Krankheitsraten unter verschiedenen Gruppen an Menschen. Bei diesen Studien kann lediglich ein Zusammenhang (eine sogenannte Korrelation) zwischen zwei Faktoren festgestellt werden, aber keine Kausalität. Korrelationsstudien sind mit Problemen durchsetzt, weil es viele Faktoren gibt, die die Gesundheit beeinflussen, aber nicht alle kontrolliert werden können. Außerdem kann die Nahrungsaufnahme der Menschen nur grob geschätzt werden.

Bessere Evidenz: Epidemiologische Forschung

Epidemiologische Studien können zeigen, dass zwei Faktoren gemeinsam auftreten – jedoch nicht, dass einer den anderen verursacht. Unbekannte Ursachen können der Grund sein, dass zwei Faktoren miteinander assoziiert sind. Ein Beispiel: Wenn Forscher:innen herausfinden, dass Menschen mit einem geringen Obstverzehr häufiger Krebs bekommen, würde man gerne daraus schließen, dass Obst eine krebsvorbeugende Wirkung hat. Es könnte aber auch sein, dass sich Menschen mit höherem Obstkonsum mehr bewegen. Die krebsprotektive Wirkung könnte also auch durch den Sport verursacht sein – oder durch eine Kombination aus beidem.

Korrelationsstudien (siehe oben) sind die schwächsten unter den epidemiologischen Studien. Höhere Evidenz haben die folgenden:

Retrospektive Studien vergleichen vergangene Essgewohnheiten zwischen Menschen mit und ohne einer bestimmten Krankheit. Beispiel: Wenn Menschen mit Herzkrankheiten mehr gesättigte Fettsäuren gegessen haben, könnte man daraus schließen, dass gesättigte Fettsäuren etwas mit Herzkrankheiten zu tun haben. Der Hauptnachteil besteht darin, dass Menschen sich oft nicht mehr genau daran erinnern, was sie vor Jahren gegessen haben.

Mit Querschnittsstudien lässt sich der Gesundheitszustand einer oder mehrerer möglichst repräsentativer Untersuchungsgruppen – etwa Veganer:innen und Fleischesser:innen – zu einem bestimmten Zeitpunkt bestimmen. Beispielsweise kann die durchschnittliche Nährstoffzufuhr, die Nährstoffversorgung im Körper oder auch die Häufigkeit bestimmter ernährungsabhängiger Erkrankungen untersucht werden. Sie liefern eine Momentaufnahme der untersuchten Messwerte und erlauben deshalb nur eine eingeschränkte Aussagen über kausale Zusammenhänge.

Prospektive Kohortenstudien sind Langzeitstudien, die die Studienteilnehmer:innen über einen definierten Zeitraum hinweg beobachten. Entsprechend ihrer Ernährungsweise werden sie in Gruppen eingeteilt (z. B. vegan, vegetarisch, Mischkost) und es wird beobachtet, welche Krankheiten die Menschen im Laufe der Zeit bekommen. Notwendig sind eine hohe Teilnehmer:innenzahl und ein langer Zeitraum, dafür haben sie unter den epidemiologischen Studien das meiste Gewicht.

Beste Evidenz: Interventionsstudien

Anhand von Interventionsstudien wird untersucht, wie sich gezielt veränderte Einflussfaktoren – etwa die Umstellung auf vegane Ernährung – auf das Krankheitsrisiko oder den Krankheitsverlauf auswirken. Dabei wird eine Interventionsgruppe mit einer Kontrollgruppe verglichen. Interventionsstudien gibt es als randomisierte kontrollierte Studie sowie als nichtrandomisierte kontrollierte Studie. Randomisiert bedeutet, dass die Zuordnung zu einer Untersuchungsgruppe nach dem Zufallsprinzip erfolgt. So können beispielsweise die Effekte von Nahrungsergänzungsmitteln, bestimmten Lebensmitteln oder Marker für Erkrankungen, wie beispielsweise Cholesterin, untersucht werden. Die randomisierte kontrollierte Studie gilt als Goldstandard in der Ernährungsforschung, da sie am besten dazu geeignet ist, kausale Zusammenhänge festzustellen.

Auch Meta-Analysen wird eine hohe Evidenz zugeschrieben. Dabei wird eine große Anzahl kleiner Studien statisch analysiert und ausgewertet.

Es ist jedoch wichtig, sich die Gesamtheit aller Studien anzusehen, um Ergebnisse aus der Ernährungsforschung zu verstehen. Eine einzelne Studie kann kaum aussagekräftige Antworten liefern.

Die größten Studien mit Veganer:innen

Die zwei wichtigsten und gleichzeitig größten Studien mit vegan lebenden Menschen sind die Adventist Health Study 2 aus den USA und die EPIC-Oxford Study aus England. Bei beiden handelt es sich um prospektive Kohortenstudien, in denen eine große Anzahl von Veganer:innen über einen langen Zeitraum hinweg beobachtet wurden.

Adventist Health Study 2 (AHS-2)

Mit mehr als 96.000 Teilnehmer:innen ist die 2002 begonnene AHS-2 die weltweit größte Studie mit vegan lebenden Menschen. 4.000 Veganer:innen werden mit 4 Gruppen verglichen: Ernährung mit Fleisch (= omnivor), selten Fleisch, Fisch aber kein anderes Fleisch und ovo-lacto-vegetarisch. Die Teilnehmer:innen gehören zu den Siebenten-Tags-Adventist:innen; einer christlichen Glaubensgemeinschaft, die sich für einen gesunden Lebensstil ausspricht. Tabak und Alkohol werden selten konsumiert, viele ernähren sich vegetarisch oder vegan. Durch die homogene Zusammensetzung eignen sich Adventist:innen besonders gut dafür, die Auswirkungen verschiedener Ernährungsweisen auf die Gesundheit zu untersuchen. 

Bisherige Ergebnisse der AHS-2

  • Veganer:innen hatten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein um 42 % reduziertes Risiko für Herzkrankheiten.
  • Veganer:innen hatten ein um 15 % niedrigeres Sterblichkeitsrisiko gegenüber Fleischesser:innen innerhalb der AHS-2.
  • Der BMI, die Blut-Cholesterinwerte sowie das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck und Metabolisches Syndrom waren bei den Veganer:innen am niedrigsten.
  • Das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 von Veganer:innen war halb so hoch wie das der Fleischesser:innen.
  • Veganer:innen hatten ein um 50 % geringeres Risiko für Bluthochdruck im Vergleich zu Fleischesser:innen.
  • Veganer:innen hatten ein um 16 % niedrigeres Risiko für alle Krebsarten und ein um 34 % niedrigeres Risiko für frauenspezifische Krebsarten als Fleischesser:innen.
  • Veganer:innen hatten ein reduziertes Risiko für Darmkrebs.

EPIC-Oxford Study

Seit 1993 läuft die EPIC-Oxford Study (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition). Von den 65.000 Teilnehmer:innen aus Großbritannien leben etwa 2.600 vegan. Sie werden mit Fleischesser:innen, Fischesser:innen und Lakto-Ovo-Vegetarier:innen verglichen. 

Bisherige Ergebnisse der EPIC-Oxford Study

  • Alle Studienteilnehmer:innen, einschließlich der Veganer:innen, hatten eine um 48 % niedrigere Sterblichkeitsrate als die britische Durchschnittsbevölkerung.
  • Veganer:innen hatten ein um ca. 30 % reduziertes Risiko für ischämische Herzkrankheiten.
  • Veganer:innen hatten den niedrigsten BMI und das niedrigste Risiko für Diabetes mellitus Typ II sowie Bluthochdruck.
  • Veganer:innen hatten ein um 40 % niedrigeres Risiko für grauen Star.
  • Veganer:innen hatten ein um ca. 30 % reduziertes Risiko für Divertikulose (Ausstülpungen der Dickdarmwand) .
  • Veganer:innen, die weniger als 525 mg Calcium pro Tag zu sich nahmen, hatten ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche.
  • 52 % der Veganer:innen hatten Vitamin-B12-Serumwerte unterhalb des Normbereichs.
  • Veganer:innen hatten ein um 19 % erniedrigtes Risiko für alle Krebsarten.

Metaanalyse von 1999

Neben der AHS-2 und der EPIC-Oxford Study gibt es einige weitere kleinere prospektive Kohortenstudien, die sich mit der Gesundheit und der Lebenserwartung vegetarisch und vegan lebender Menschen beschäftigen. Hierzu zählen die Adventist Health Study und die Adventist Mortality Study, bei denen – wie der Name bereits verrät – ebenfalls Adventist:innen aus Nordamerika untersucht wurden. Ebenso haben die Health Food Shoppers und die Oxford Vegetarian Study aus Großbritannien sowie die Heidelberger Vegetarier-Studie aus Deutschland vegan lebende Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet. Aus diesen 5 Studien wurde eine Metaanalyse erstellt, die 1999 veröffentlicht wurde. Sie ergab, dass Vegetarier:innen einschließlich Veganer:innen ein deutlich geringeres Risiko für Tod durch Herzinfarkt hatten als die regulären Fleischesser:innen. Bei veganer Ernährung war es um 26 % reduziert.

Metaanalyse von 2016

Im Rahmen einer weiteren Metaanalyse wurden insgesamt 86 Querschnittsstudien sowie 10 prospektive Kohortenstudien untersucht. Die umfangreiche Übersichtsarbeit zeigt für Veganer:innen im Vergleich zu den Fleischesser:innen ein niedrigeres Körpergewicht und niedrigere Cholesterin- sowie Blutglukosespiegel. Ischämische Herzerkrankungen treten bei sowohl Vegetarier:innen als auch Veganer:innen zu 25 % weniger auf und für Veganer:innen ist das Krebsrisiko um 15 % reduziert (für Vegetarier:innen um 8 %).

Fazit

Langzeitstudien mit einer großen Anzahl vegan lebender Menschen haben gezeigt, dass sich eine vegane Ernährung sehr positiv auf die Gesundheit auswirken kann. Veganer:innen haben ein deutlich reduziertes Risiko für Übergewicht, Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch für verschiedene Krebserkrankungen. Außerdem weisen sie eine höhere Lebenserwartung und eine niedrigere Sterblichkeitsrate auf als die Allgemeinbevölkerung. Weitere Forschung ist jedoch wünschenswert, speziell was die Ernährung von veganen Kindern, Schwangeren und Stillenden betrifft.

Quellen und weiterführende Literatur

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Bücher

  • Leitzmann C, Keller M (2013). Vegetarische Ernährung. Stuttgart, Eugen Ulmer Verlag
  • Norris J, Messina V (2011). Vegan for Life: Everything You Need to Know to Be Healthy and Fit on a Plant-Based Diet Da Capo Lifelong Books