Vegane Ernährung für Kinder – gesund oder riskant? Das sagt die Forschung.
Vegane Ernährung für Kinder – gesund oder riskant? Das sagt die Forschung.
Eine rein pflanzliche Ernährung gewinnt an Beliebtheit, auch unter jungen Familien. Aus ethischen, gesundheitlichen oder planetaren Gründen entscheiden sich in den letzten Jahren mehr und mehr Personen dafür, Tierprodukte aus ihrer Ernährung auszuschließen. Für viel Diskussion sorgt dabei immer wieder die Frage, wie sich vegane Ernährung auf Kinder auswirkt, deren Nährstoffbedarf aufgrund ihres schnellen Wachstums und ihrer Entwicklung besonders hoch ist. Wenn es darum geht, ob eine vegane Ernährung für Kinder möglich und gesund ist, werden in den Medien unterschiedlichste Positionen vertreten und Eltern haben viele Fragen.
Fehlende Orientierung
Es gibt mittlerweile viele Studien zu veganer Ernährung, jedoch nur wenige, die sich auf Kinder und Jugendliche beziehen. Außerdem sind sich die internationalen Ernährungsgesellschaften in ihren Ernährungsempfehlungen nicht einig. Während einige Länder in ihren nationalen Ernährungsrichtlinien eine vegane Ernährung als für alle Lebensphasen geeignet einstufen, raten immer noch viele Länder strikt davon ab, Kinder vegan zu ernähren.
Eine Team aus Wissenschaftler:innen an verschiedenen Institutionen in Europa hat es sich zur Aufgabe gemacht, die aktuelle Studienlandschaft genauer zu betrachten. Ihre Ergebnisse haben sie kürzlich in einem Artikel veröffentlicht, der eine systematische Übersichtsarbeit über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Kindern und Jugendlichen, die eine vegane oder omnivore Ernährung verfolgen, darstellt und sie in einer Meta-Analyse auswertet.
Vorgehen
Das Autor:innenteam hat für seine Forschungsarbeit verschiedene Studien analysiert, in denen der Zusammenhang zwischen einer veganen Ernährung und gesundheitlichen Faktoren bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis 18 Jahren untersucht wurde. Insgesamt wurden 18 Studien in die Übersicht aufgenommen. Ausgewertet wurden die Makro- und Mikronährstoffaufnahmen (z. B. Kohlehydrate, Fette, Vitamine und Mineralstoffe) sowie der Makro- und Mikronährstoffstatus, Stoffwechselmarker (z. B. Schilddrüsenwerte, Cholesterol- und Insulinlevel) und anthropometrische Daten (z. B. Körpergröße und -gewicht).
Ergebnisse
Die Meta-Analyse zeigte insgesamt, dass vegan lebende Kinder und Jugendliche mehr Kohlehydrate, Ballaststoffe, mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Vitamin C und E, Folsäure, Magnesium, Eisen und Kalium aufnehmen. Auf der anderen Seite war die Aufnahme von Protein, einfach ungesättigten Fettsäuren, gesättigten Fettsäuren, Vitamin B2 und Cholesterol bei veganen Ernährungsformen niedriger als bei einer omnivoren Ernährung. Der Eisenwert im Blut (Ferritin), das HDL- und LDL-Cholesterin sowie die Körpergröße waren ebenfalls geringer. Von diesen Unterschieden zwischen veganen sowie nicht veganen Kindern und Jugendlichen waren jedoch nur wenige signifikant. Beispielsweise relativiert sich der Unterschied in der Körpergröße, wenn die Altersunterschiede berücksichtigt werden, die einzelne Studien mit sich bringen.
Protein: Zwar ist die Proteinaufnahme bei Kindern, die sich vegan ernähren, um 20 bis 30 % niedriger, allerdings erfüllen beide Gruppen die empfohlenen täglichen Aufnahmerichtwerte. Der Bedarf an Protein pro Kilogramm Körpergewicht ist in der Kindheit höher als im Erwachsenenalter. Umgerechnet in Prozent ist er jedoch niedriger als bei Erwachsenen. Die Autor:innen weisen darauf hin, dass die Proteinqualität entscheidend ist und auf die Varianz der Proteinquellen geachtet werden soll (Hülsenfrüchte, Getreide, Nüsse etc.).
Fett: Die Gesamtfettaufnahme unterscheidet sich bei veganen Kindern und Jugendlichen nicht von der omnivoren Gruppe, allerdings bestehen Unterschiede in der Fettzusammensetzung. Kinder, die sich vegan ernähren, nehmen durchschnittlich weniger gesättigte Fettsäuren und dafür mehr mehrfach ungesättigte Fettsäuren zu sich.
Ballaststoffe: Bei vegan lebenden Kindern und Jugendlichen wurde durchschnittlich eine höhere Aufnahme an Ballaststoffen festgestellt, die mit einem besseren Stoffwechsel, besseren Cholesterinwerten sowie einem geringeren Risiko für chronische Erkrankungen wie Diabetes Typ 2, Krebs etc. assoziiert ist.
Mikronährstoffe: Die Analyse zeigte zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede in der Aufnahme der Vitamine B1, B6, B12, A, Beta-Carotin, D, Selen und Zink. Die hohen Vitamin-B12-Werte bei der veganen Gruppe waren auf die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln zurückzuführen.
Die Calciumaufnahme war bei veganen Kindern im Vergleich mit Omnivoren um 40% niedriger, erreichte in dieser Meta-Analyse jedoch keine statistische Signifikanz. Die Autor:innen betonen die Bedeutung einer ausreichenden Aufnahme von Calcium während der Wachstumsphase von Kindern und Jugendlichen, um die Knochenentwicklung zu unterstützen. Dies kann durch den Verzehr von calciumreichen pflanzlichen Lebensmitteln wie Tofu, Bohnen, Nüssen, Samen sowie angereicherten pflanzlichen Getränken und Joghurtersatzprodukten erreicht werden.
Obwohl diese Studie zwischen den Ernährungsgruppen keine signifikanten Unterschiede in der Zinkaufnahme zeigte, verweisen die Autor:innen auf eine weitere Studie, in der eine signifikant niedrigere Zinkaufnahme bei veganen Erwachsenen festgestellt wurde. Daher merken sie an, dass die verfügbaren Ergebnisse möglicherweise nicht ausreichen, um klare Schlüsse zu ziehen, und weitere Forschung notwendig ist, um die Zinkversorgung bei einer veganen Ernährung in der Kindheit und Jugend zu klären.
Die Meta-Analyse zeigt, dass die Eisenaufnahme bei veganen Kindern und Jugendlichen tatsächlich höher war. Das Ferritinlevel im Blut war in der veganen Gruppe hingegen niedriger. Niedrige Ferritinwerte stellen einen relevanten Risikofaktor für Anämie dar, weswegen die Autor:innen die Relevanz von weiteren Studien zu diesem Thema unterstreichen.
Keine signifikanten Unterschiede
Positiv zu bewerten ist, dass eine vegane Ernährung bei Kindern und Jugendlichen mit einer höheren Aufnahme von Ballaststoffen und einer höheren Aufnahme an mehrfach ungesättigten Fetten bei gleichzeitig geringerer Aufnahme von gesättigten und einfach ungesättigten Fetten in Verbindung gebracht wird. Die Proteinaufnahme war bei Kindern, die sich vegan ernähren zwar vergleichsweise niedriger als bei omnivoren Kindern. Die Proteinmengen lagen jedoch auch bei veganen Kindern und Jugendlichen noch im Bereich der offiziell empfohlenen Richtwerte. Mit Ausnahme von Vitamin B2 und Calcium zeigten Kinder, die sich vegan ernähren, äquivalente oder höhere Aufnahmen von Mikronährstoffen im Vergleich mit ihren omnivoren Altersgenoss:innen, wenngleich die Eisenwerte im Blut bei veganen Kindern niedriger waren.
Fazit
Die Meta-Analyse zeigt, dass die Studienlage sowohl auf Risiken als auch positive Gesundheitseffekte in Assoziation mit einer veganen Ernährung hinweist. Bisherige Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der veganen Ernährung im Kindes- und Jugendalter fanden nur wenige Unterschiede in der Nährstoffversorgung sowie Entwicklung im Vergleich mit omnivoren Kindern. Die Unterschiede, die aus den Werten abgelesen werden können, unterstreichen teilweise sogar positive Effekte einer rein pflanzlichen Ernährung, beispielsweise eine höhere Aufnahme von Ballaststoffen und mehrfach ungesättigten Fettsäuren sowie niedrigere Cholesterinwerte. Die Autor:innen betonen jedoch die Notwendigkeit weiterer und qualitativ hochwertiger Forschung, um die Auswirkungen einer veganen Ernährung auf den Ernährungsstatus von Kindern umfassend bestimmen zu können.
Quelle:
Alina Koller, Sabine Rohrmann, Maria Wakolbinger, Jan Gojda, Eliška Selinger, Monika Cahova, Martin Světnička, Sandra Haider, Sabrina Schlesinger, Tilman Kühn & Jeffrey W. Keller (09. Okt. 2023): Health aspects of vegan diets among children and adolescents: a systematic review and meta-analyses, Critical Reviews in Food Science and Nutrition, DOI: 10.1080/10408398.2023.2263574