Werden die österreichischen Unis vegan? Interview mit Plant-Based Universities
Werden die österreichischen Unis vegan? Interview mit Plant-Based Universities
Als Geburtsstätten eines Großteils des Wissens, das wir heute zu Klimawandel haben, sollten Universitäten Vorreiter und Vorbild sein, wenn es um klimawirksame Maßnahmen geht. Wissenschaftler:innen betonen, welche Verantwortung Unis in der Ernährungswende zukommt. Trotzdem wird von Seiten der Universitätsleitungen zu langsam oder gar nicht gehandelt. Wenn Veränderung allerdings nicht „von oben“ kommt, muss sie „von unten“ initiiert werden. Genau das machen unzufriedene Studierende, indem sie die Veränderung selbst in die Hand nehmen.
Wir waren im Gespräch mit Laura Wenzel, der nationalen Kampagnen-Koordinatorin von Plant-based Universities (PBU) in Österreich. Sie hat uns erklärt, was die globale Bewegung fordert und was sich in Graz und darüber hinaus in Österreich schon getan hat.
Am 18. April nahmen Vizerektor Nikolaus Hautsch, Nils Carqueville (Koordinator der AG Verpflegung), Ernährungswissenschafterin Petra Rust, Thomas Lindenthal (Senior Scientist an der BOKU Wien), Sophie Wenzel (PBU-Kampagnenleiterin) und Christina Plank (Senior Scientist an der BOKU Wien) an einer Podiumsdiskussion rund um Nachhaltigkeit und Ernährung teil.
© Plant-Based Universities
Liebe Laura, wie würdest du die Idee hinter PBU einer Person erklären, die noch nie davon gehört hat?
Plant-Based Universities ist eine studentische Initiative, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Universitäten angesichts der Klimakrise auf ihre gesellschaftliche Verantwortung aufmerksam zu machen und gleichzeitig die Umstellung der universitären Verpflegungsangebote auf 100 % pflanzlich zu fordern.
Die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel sind eindeutig. Es ist dringend notwendig, dass wir unser jetziges Ernährungssystem transformieren und einen Wandel hin zu einem pflanzlichen Ernährungssystem einleiten. Dabei können wir nicht nur auf einen individuellen Wandel setzen, es muss sich auch strukturell grundlegend etwas verändern. In den letzten Jahrhunderten ging Wandel oft von den Universitäten aus. Es sind zudem ihre eigenen Forschungsergebnisse, die ganz klar die Notwendigkeit einer pflanzlichen Ernährungswende belegen und die von den österreichischen Universitäten bisher noch nicht umgesetzt wurden.
Weiterhin sehen sich Universitäten als „Zukunftswerkstätten“ der Gesellschaft. Sie haben eine gesellschaftliche Verantwortung und sollten bei diesem Thema die Vorreiterrolle einnehmen. Zudem sind gerade die Studierenden mit einem hohen Problembewusstsein in Bezug auf den Klimawandel ausgestattet und verzeichnen den höchsten Anteil an sich pflanzlich ernährenden Personen.
Aus den genannten Gründen appellieren wir als Initiative, die von den Studierenden ausgeht, an die gesellschaftliche Verantwortung der Unis, sich zum Thema Ernährung zu positionieren und ihre eigenen Forschungsergebnisse umzusetzen.
Wie kam die PBU-Initiative nach Graz? Welche Rolle spielt die Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH) Graz in dem Prozess?
Ich bin im Internet auf PBU aufmerksam geworden und habe damals gesehen, dass es die Initiative bis auf einen Standort in München bisher nur in Großbritannien gab. Schnell hat sich in Graz ein Team aus motivierten Studierenden gefunden, die der Meinung waren, dass die Universitäten angesichts der Klimakrise endlich auch in Bezug auf eine Umstellung der Verpflegung ins Handeln kommen sollten. Im Wintersemester 2023 haben wir unsere Kampagne an der Universität Graz offiziell gestartet. Seitdem sind wir wöchentlich mit einem Infostand auf dem Unigelände, um mit den Studierenden ins Gespräch zu kommen. Zudem organisieren wir Austauschtreffen mit Stakeholder:innen. Die ÖH der Uni Graz hat sich im Dezember 2023 hinter unsere Forderung gestellt und sich somit mit uns solidarisiert.
PBU beim Klimastreik am 31.05.2024
© Plant-Based Universities
Was waren bisher eure größten Erfolge, Stichwort „Kaffeeautomaten“?
Die Kampagne in Graz gibt es erst seit Oktober 2023. Unsere größten bisherigen Erfolge waren zum einen, dass wir die ÖH an der Uni Graz im Dezember und kurz danach auch die Bundes-ÖH für unsere Forderung gewinnen konnten. Außerdem haben wir erreicht, dass es seit Jänner auch einen veganen Heißgetränkeautomaten auf dem Campus der Uni Graz gibt. Wir sind mittlerweile auch innerhalb der Universität gut vernetzt und mit vielen verschiedenen Stakeholder:innen im Gespräch. Dazuzählen würde ich zudem auch noch, dass wir ein konstruktives Gespräch mit dem Rektor der Universität Graz hatten, der sich zukünftig für mehr Wissenschaftskommunikation zu dem Thema einsetzen möchte. Besonders froh bin ich aber darüber, dass es jetzt in Österreich allein schon fünf Standorte gibt, an denen sich Studierende für den dringend benötigten Wandel der universitären Verpflegungsangebote einsetzen.
Habt ihr weitere Pläne für Graz?
In Graz werden wir weiterhin versuchen, mit möglichst vielen Studierenden und Entscheidungsträger:innen an der Universität in den Dialog zu treten. Unser Anliegen ist es, zusammen mit Stakeholder:innen ein Konzept zu entwickeln, wie die Universität ihrer Vorreiterinnenrolle in Bezug auf das Verpflegungsangebot gerecht werden und das gesündeste und klimafreundlichste Angebot für ihre Community bereitstellen kann.
Weiterhin ist es uns ein wichtiges Anliegen, Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit zu betreiben. Wir wissen, dass eine Umstellung der Verpflegungsangebote nur mit einem Bewusstseinswandel einhergehen kann. Dabei ist es von großer Bedeutung, die hohe Wirksamkeit einer pflanzlichen Umstellung bei der Vermeidung von Treibhausgasen darzustellen und zu kommunizieren.
Das Konzept der veganen Kaffeeautomaten planen wir in den nächsten Monaten auch an anderen Universitäten umzusetzen. Es ist durchaus bekannt, dass die Nachfrage nach pflanzlichen Milchalternativen im Kaffee unter den Studierenden besonders hoch ist. Trotzdem gibt es an den meisten österreichischen Universitäten keine Heißgetränkeautomaten mit pflanzlichen Optionen. Die Umstellung eines Automaten ist nicht kompliziert und auch nicht mit einem höheren Kostenaufwand verbunden. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, pflanzliche Heißgetränkeautomaten an möglichst allen Universitäten in Österreich zu etablieren.
Kampagne an der Johannes Kepler Universität Linz
© Plant-Based Universities
Wie sieht es mit weiteren österreichischen Unistandorten aus? Einige Mensen in Wien haben beispielsweise schon eine Umstellung eingeleitet. Habt ihr dort auch Pläne?
Genau! Wir arbeiten gerade daran, ein österreichisches Konzept zu entwerfen und PBU an mehrere Universitäten zu bringen. Aktuell bauen wir Teams an der Vienna International School, der Central European University Vienna, der Medizinischen Universität in Wien, der Johannes Kepler Universität Linz, der Hauptuniversität Wien und der FH Joanneum in Graz auf. Wir freuen uns immer über Menschen, die mit uns aktiv werden wollen. Wenn es engagierte Studierende an anderen Universitäten gibt, die eine Kampagne starten wollen, gibt es immer eine Möglichkeit dazu.
Was würdest du Personen raten, die sich Veränderung und Maßnahmen für eine lebenswerte Zukunft wünschen?
Ich würde den Personen raten, aktiv zu werden. Eine lebenswerte Zukunft sollte für alle ein Anliegen sein. Ich denke, dass das generelle Bewusstsein dafür noch nicht so hoch ist, dass die eigene Stimme wirklich etwas bewirken kann. Wir brauchen Menschen, die ihre Meinung kundtun und sich unter anderem in bestehenden Bewegungen engagieren.
Plant-Based Universities
Dahinter steckt eine internationale Kampagne von Animal Rising, initiiert und geleitet von Studierenden. Sie ruft universitäre Verpflegungseinrichtungen dazu auf, ihre Menüs zu 100 % auf ein pflanzliches Angebot umzustellen und damit ihren Beitrag zur Klimanotlage zu leisten. Die Studierenden appellieren an die Verantwortung jeder einzelnen Person, aber vor allem an die Vorbildrolle wissenschaftlicher Institutionen in der Gestaltung einer pflanzlichen Ernährungswende.
Seit 2021 wurden bereits an neun Universitäten europaweit bahnbrechende Abstimmungen für eine vollständige pflanzliche Umstellung erwirkt. Aktuell laufen über 70 Kampagnen an Universitäten in verschiedenen Ländern – von England über die Schweiz, die Niederlande und Norwegen bis Deutschland und Österreich.
Universitäten haben einen bedeutenden kulturellen Einfluss und können Regierungen und anderen Institutionen ein Beispiel bieten, wie man wirksam mit der Klimakrise umgehen kann. Die Kampagne fordert keine Verbotskultur, sondern ein Umdenken der Universitäten zugunsten zukünftiger Generationen.
Seit Anfang November 2023 ist die Mensa an der Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften am Oskar-Morgenstern-Platz fleischlos, jeden Tag werden drei vegane und ein vegetarisches Gericht von Lia Coffee angeboten. Alle weiteren Mensen der Universität Wien sollen zukünftig nur an vegan-vegetarische Cateringanbieter:innen verpachtet werden, um Studierenden und Mitarbeiter*innen die Entscheidung für pflanzenbasierte Ernährung zu erleichtern.
Sind Sie neugierig geworden? Dann besuchen Sie die internationale Website der Plant-Based Universities oder den Instagram-Account der Grazer Initiative.