Veganismus und Kunst im öffentlichen Raum. Ein Interview mit Jahan Saber

Kunst bewegt. Unabhängig davon, auf welche Art und Weise ein Kunstwerk berührt – Emotionen werden dabei stets geweckt. Gesellschaftlich polarisiert der Diskurs des Veganismus nach wie vor; insbesondere stößt die Darstellung von graphischer Gewalt an Tieren im öffentlichen Raum oft auf geteilte Meinungen. Dass Kritik an Tierleid auch wesentlich subtiler vermittelt werden kann, zeigt Jahan Saber. Der ausgebildete Fotograf und Künstler bespielt künftig drei Litfaßsäulen in Wien, der Titel: Breakfast Lies.

Die Litfaßsäule

Ein gedeckter Tisch mit Kaffee, Cornflakes, Brot, Apfel und Milch; ein ganz normales Frühstück eben. Zumindest auf den ersten Blick. „Dass Zucker, Weißbrot und Kuhmilch genau das Gegenteil von einem gesunden Frühstück sind, sollte heutzutage eigentlich jeder wissen - dennoch greifen immer noch so viele auf die eben sehr gut vermarkteten Produkte zurück“, so Jahan Saber zur Gestaltung der Photographie. Diese ist an die sogenannte Amateurphotographie bzw. Vernacular Photopraphy angelehnt: „Man kennt diese Ästhetik aus Werbeplakaten der 60er und 70er [sic!]. Vor allem zu finden bei klima- und gesundheitskritischen Produkten: Sportwägen, Softdrinks, Zigaretten, Fast Food etc."
Bei näherer Betrachtung wird die Kritik des Künstlers deutlich. Der übergeordnete Fokus liegt dabei auf dem gesellschaftlichen Umgang mit Kuhmilch, weshalb er auch einen eigenen Milchkarton entworfen und produziert hat. Der Künstler dazu: „Wenn damals in den 80er Jahren in den USA ein Kind vermisst wurde, fand man oft Fotos dieser Kinder auf Milchkartons, um Aufmerksamkeit auf sie zu richten - die sog. Milk-Carton-Kids. Um Kuhmilch herzustellen, werden Kälber ihren Müttern entrissen - das war mein Denkansatz."

Breakfast Lies

Abgesehen vom vermeintlich gesunden Frühstück auf Basis von Zucker und Milchprodukten kritisiert Jahan Saber mit seiner Kunst die Ess- und Konsumgewohnheiten der Gesellschaft und wie die Fotografie Moral- und Wertvorstellungen beeinflusse. Auch der Klimawandel ist ein zentraler Motivator des Künstlers, denn „selten hört man etwas über die Tierindustrie [in Bezug auf den Klimawandel] und wie einfach man an dieser Stelle etwas zum Positiven bewegen könnte, indem wir als Konsument*innen unsere Ernährung überdenken und anpassen würden.“

Der öffentliche Raum

An einer Litfaßsäule gehen täglich hunderte von Menschen vorbei – somit befindet sie sich mitten im Geschehen. Der Künstler möchte vor allem Neugierde und Interesse bei Vorbeigehenden wecken. Über einen QR-Code können weitere Informationen zu Breakfast Lies nachgelesen werden. Jahan Saber erzählt: „[…] Für mich war die Entscheidung klar, dass eine Arbeit, die so präsent in der Öffentlichkeit stehen würde, einen Mehrwert haben muss, der über den künstlerischen Selbstausdruck hinausgeht.“

Subtiler Aktivismus

Bei Jahan Saber nehmen Aktivismus und Tierrechte einen hohen Stellenwert ein, dieser kann „[in] verschiedenen Formen praktiziert werden: Allein die Entscheidung, keine tierischen Produkte
zu konsumieren ist in meinen Augen schon Aktivismus.“ Die Litfaßsäule doch eher subtil zu gestalten, fußt auf folgenden Gedanken: „Ich habe lange überlegt, ob ich ein provokantes, schockierendes Bild auf die Litfaßsäulen kleben soll - einen Weckruf sozusagen. Allerdings bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich ein an sich schon sehr negativ behaftetes und trauriges Thema […] nicht mit noch mehr Negativität bekämpfen möchte.“
Die abgebildete Kuh mit dem Namen Rosie ist eine Anspielung auf das Comic-Maskottchen „Elsie the cow“. Dieses wurde von einem US-amerikanischen Milchhersteller eingeführt und sollte das „perfekte Milchprodukt“ darstellen, „wer weiß, vielleicht gibt es ja den ein oder anderen Menschen, der das Bild sieht und sich für das Schicksal von Rosie interessiert.“  

Die Litfaßsäulen werden im Juni 2023 im 1., 3. und 7. Wiener Gemeindebezirk zu sehen sein!

Fotocredits: Jahan Saber/ @doyoudevelop