IPCC-Bericht: Klimakrise und nachhaltige Ernährung

IPCC-Bericht: Klimakrise und nachhaltige Ernährung

07.04.2023

Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), im Deutschen oft als Weltklimarat bezeichnet, ist eine der wichtigsten und verlässlichsten Institutionen im Bereich der Klimaforschung. Seine Assessment Reports legen den Stand der Wissenschaft zum Klimawandel offen. Der Synthesebericht zum sechsten und aktuellsten Assessment Report (AR6) wurde im März 2023 veröffentlicht.

Die Botschaft ist klar: Die Klimakrise gefährdet das Leben von gegenwärtigen und zukünftigen Generationen am Planeten Erde massiv. Um die globale Erderwärmung auf unter 1,5 bzw. 2 °C zu halten und damit die negativsten Konsequenzen des Klimawandels zu verhindern, müssen die Emissionen an allen Treibhausgasen in allen Sektoren stark und schnell sinken – auch im Ernährungssystem. Wir haben uns daher angesehen, welchen Stellenwert die Produktion und Konsumption von Lebensmitteln im neuen IPCC-Bericht haben.

Klimakrise: Globale Temperatur bereits um 1,1 °C gestiegen

Der anthropogene, also menschengemachte Klimawandel stellt die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts dar. Es ist unbestritten, dass menschliche Aktivitäten die Luft, die Ozeane und das Land erwärmen. Durch die Emissionen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Methan und Lachgas ist die globale Temperatur bereits um 1,1 °C gestiegen (IPCC 2023, S. 4). Alarmierend ist auch, dass sie weiterhin steigen. Im Jahr 2019 betrugen die globalen Treibhausgasemissionen 59 Gt CO2-eq und damit 12 Prozent mehr als 2010 bzw. 54 Prozent mehr als 1990 (ebd., S. 4). Es geht also nicht in die richtige, sondern in die falsche Richtung.

Die alarmierende Situation wird von Emissions- und Temperaturszenarien unterstrichen (IPCC 2023, S. 12): Es ist wahrscheinlich, dass die globale Erwärmung in naher Zukunft 1,5 °C erreicht und übersteigt. Im besten Fall steigt die Temperatur bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um „nur“ 1,4 °C, im schlimmsten Fall um 4,4 °C. Ein mittleres Szenario geht von einem Temperaturanstieg von 2,7 °C aus. Der IPCC betont, dass wir als heutige Generationen über die Lebensbedingungen von zukünftigen Generationen entscheiden. Unser (Nicht-)Handeln formt für Jahrhunderte bis Jahrtausende die Lebensbedingungen von menschlichen und tierlichen Lebewesen.

„Wir als heutige Generationen entscheiden über die Lebensbedingungen von zukünftigen Generationen.“

Ernährungssystem: Landwirtschaft in der Klimakrise entscheidend

Welche Sektoren und Systeme tragen maßgeblich zur Emission von Treibhausgasen bei? Der IPCC verweist darauf, dass 22 Prozent der globalen Treibhausgase aus der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und sonstigen Landnutzung kommen (IPCC 2023, S. 4). Der Rest entfällt auf Energie, Industrie, Transport und Gebäude. Hier ist anzumerken, dass das Ernährungssystem nicht nur Emissionen in der Landwirtschaft, sondern auch in vor- und nachgelagerten Bereichen verursacht (bspw. Lebensmitteltransport, -industrie und -handel). Das heißt: Das Ernährungssystem ist im Kampf gegen die Klimakrise noch entscheidender, als die ohnehin hohen 22 Prozent aus der Landwirtschaft vermuten lassen. Das Faktum, dass tierische Lebensmittel überproportional stark das Klima belasten, wird im Assessment Report nicht erwähnt. Fleisch, Milch, Eier und Co. belegen aber über 80 Prozent der Landwirtschaftsflächen und verursachen 60 Prozent der Emissionen im Ernährungssystem, während sie nur 18 Prozent der global konsumierten Kalorien bereitstellen (Poore & Nemecek 2018).

Klimawandel: Österreich als Land mit hohem Einkommen und hohen Emissionen

Woher stammen nun die Treibhausgase und wer verursacht sie? Grundsätzlich ist das globale und soziale Ungleichgewicht in der Klimakrise zu betonen. Das macht auch der IPCC (2023, S. 5). Frühindustrialisierte Länder und Regionen wie Europa sind nicht nur für den Großteil der in der Vergangenheit emittierten Treibhausgase verantwortlich. Es sind auch ebendiese Länder mit hohem Einkommen, die hohe Treibhausgase pro Kopf verursachen. Ein Beispiel dafür ist Österreich. Hierzulande werden 7,3 Tonnen CO2-eq pro Kopf und Jahr emittiert – und damit wesentlich mehr als im globalen Durchschnitt von 4,4 Tonnen (World Bank 2023). Die Klimafrage wird damit auch zu einer Frage von globaler Gerechtigkeit.

Ernährungswandel: Österreich als Land mit hohem Tierproduktkonsum

Das globale Ungleichgewicht der Klimakrise manifestiert sich vor allem auch im Ernährungssystem. So ist der Konsum von tierischen Produkten in Ländern mit hohem Einkommen besonders hoch und verursacht wiederum hohe Emissionen. In der Europäischen Union ist der Fleischkonsum mit 78 Kilogramm pro Kopf und Jahr fast zweimal so groß wie der globale Durchschnitt (FAO 2023). Es sind daher vor allem europäische Länder wie Österreich, die einen Ernährungswandel vollziehen müssen – weg von tierischen Produkten, hin zu pflanzlichen. Genau das betont auch eine Studie der University of Oxford. Laut ihr muss in westlichen Ländern der Konsum von Rind- und Schweinefleisch um 90 Prozent sinken, jener von Hühnerfleisch und Kuhmilch um 60 Prozent, um die globale Erwärmung auf unter 2 °C zu halten (Springmann et al. 2018, siehe auch: Carrington 2018).

„Es sind vor allem europäische Länder wie Österreich, die einen Ernährungswandel vollziehen müssen – weg von tierischen Produkten, hin zu pflanzlichen.“

„Nachhaltige, gesunde Ernährung“: IPCC bleibt bei Ernährung zurückhaltend

Wie finden sich diese Fakten rund um Ernährung und Klima im aktuellen Assessment Report wider? Der IPCC spricht an einigen wenigen Stellen von „sustainable healthy diets“. Einerseits wird nachhaltige und gesunde Ernährung als wichtig im Kampf gegen die Klimakrise erkannt. Andererseits bleibt der IPCC hier stehen und geht nicht genau darauf ein, was eine „nachhaltige“ und „gesunde“ Ernährung ist. Nur in einer Fußnote wird ein kurzer Definitionsversuch unternommen, der aber oberflächlich ausfällt (IPCC 2023, S. 31). Einerseits muss festgehalten werden, dass Ernährungsweisen von zahlreichen ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Faktoren geformt werden und dass sich Ernährungsweisen global stark unterscheiden. Der Weg zu einer nachhaltigen Ernährung sieht daher in verschiedenen Regionen der Welt auch verschieden aus. In Europa sind Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Ernährung vor allem eine starke Reduktion von tierischen Lebensmitteln (wie Fleisch, Milch und Eier) bei gleichzeitiger Erhöhung von pflanzlichen Lebensmitteln (wie Hülsenfrüchte, Gemüse und Obst).

Andererseits muss auch festgehalten werden, dass sich der IPCC im Bereich Ernährung besonders zurückhaltend zeigt. Als Adaptionsmaßnahmen werden „effiziente Nutztierhaltung“ und „nachhaltige Aquakulturen und Fischerei“ erwähnt (IPCC 2023, S. 28) Als Mitigationsmaßnahmen, worunter alle Maßnahmen fallen, mit denen Treibhausgasemissionen verhindert oder verringert werden sollen, werden im Ernährungsbereich ein „Wandel zu nachhaltigen, gesunden Ernährungsweisen“, eine „Reduktion von Methan und Lachgas in der Landwirtschaft“ sowie eine „Reduktion von Lebensmittelverlusten und -verschwendung“ genannt (ebd., S. 28). Der IPCC schreibt der Ernährung großes Potential zu. Deren Treibhausgase könnten um 44 Prozent durch ebendiese Mitigationsoptionen auf der Nachfrageseite, also unter anderem durch nachhaltige Ernährung, gesenkt werden (ebd., S. 28). Das Ernährungssystem, somit die Art und Weise wie Lebensmittel produziert und konsumiert werden, ist ein enormes Problem in der Klimakrise. Es hat aber auch enormes Potential im Kampf gegen sie. Dem sollte in der Berichterstattung zur Klimakrise stärker und konkreter Rechnung getragen werden.

Planetary Health Diet: Nachhaltige Ernährung ist pflanzenbasiert

Mit der Planetary Health Diet wurde vor einigen Jahren ein Konzept einer nachhaltigen, gesunden und damit pflanzenbasierten Ernährung entwickelt, das global und regional wirkt. Das heißt, dass eine nachhaltige und gesunde Ernährung vor allem aus Gemüse, Obst und Vollkornprodukten bestehen sollte. Ergänzt wird der Teller der „Planetary Health Diet“ mit pflanzlichen und ggf. zu einem kleineren Teil mit tierischen Proteinquellen sowie stärkehaltigem Gemüse und gesunden Ölen und Fettquellen.

In diesem Sinne steht ein wissenschaftlich fundiertes, global gültiges Konzept zur Verfügung, das eine Definition von „nachhaltigen, gesunden Ernährungsweisen“ liefert. Warum der IPCC keine klareren Worte zur Ernährung findet, ist daher nicht nachvollziehbar und unterstreicht, dass die Ernährung – die für über ein Viertel der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist – nach wie vor auf der internationalen und nationalen Bühne nachlässig behandelt wird. Was es braucht ist eine mutige Klima- und Ernährungspolitik, eine Politik, die eine nachhaltige und gesunde – also zweifelsohne eine stark pflanzliche Ernährung – als essentielles Element im Kampf gegen die Klimakrise erkennt und die auf der strukturellen Ebene pflanzliche Optionen so fördert, dass sie auf der individuellen Ebene zur einfachen Wahl werden.

„Mit der Planetary Health Diet wurde vor einigen Jahren ein Konzept einer nachhaltigen, gesunden und damit pflanzenbasierten Ernährung entwickelt, das global und regional wirkt.“

Quellen

Carrington, Damian. 2018. Huge reduction in meat-eating ‘essential’ to avoid climate breakdown. https://www.theguardian.com/environment/2018/oct/10/huge-reduction-in-meat-eating-essential-to-avoid-climate-breakdown (Zugegriffen: 06.04.2023).

Food and Agriculture Organization (FAO). 2023. Food Balances. http://www.fao.org/faostat/en/#data (Zugegriffen: 06.04.2023).

Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). 2023. AR6 Synthesis Report. Summary for Policymakers. https://www.ipcc.ch/report/sixth-assessment-report-cycle/ (Zugegriffen: 06.04.2023).

Poore, Joseph; Nemecek, Thomas. 2018. Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Science 360 (6392): 987-992.

Springmann, Marco et al. 2018. Options for keeping the food system within environmental limits. Nature 562: 519-525.

World Bank. 2023. CO2 emissions (metric tons per capita). https://data.worldbank.org/indicator/EN.ATM.CO2E.PC (Zugegriffen: 06.04.2023).