Neuauflage des A.N.D.-Positionspapiers – was hat sich geändert?

Neuauflage des A.N.D.-Positionspapiers – was hat sich geändert?

15.03.2025

Über Jahrzehnte hinweg galt die Academy of Nutrition and Dietetics (A.N.D.) aus den USA als Pionierin auf dem Gebiet der veganen Ernährung. Die größte ernährungswissenschaftliche Organisation der Welt erklärte bereits in ihrem Positionspapier von 2003, dass eine gut geplante vegane Ernährung bedarfsdeckend sowie gesundheitsfördernd ist und sich für Menschen in jeder Lebensphase eignet. Das Positionspapier wurde im Laufe der Jahre mehrfach aktualisiert, doch diese Grundaussage änderte sich nicht. An diesem Statement orientierten sich Fachgesellschaften und Gesundheitsministerien verschiedener Länder, beispielsweise in Australien, England, Kanada und Portugal.

2025 veröffentlichte die A.N.D. ein weiteres Update (Raj et al. 2025). Es trägt den Titel „Vegetarian Dietary Patterns for Adults: A Position Paper of the Academy of Nutrition and Dietetics“ und enthält einige Neuerungen.

1. Das Positionspapier gilt nur noch für Erwachsene

War noch in der letzten Version von 2016 zu lesen, dass eine vegane Ernährung für Menschen in jeder Lebensphase geeignet ist, also ausdrücklich auch für Schwangere, Stillende, Kleinkinder, Kinder, Jugendliche, ältere Menschen sowie Sportler:innen, bezieht sich das aktuelle Positionspapier ausschließlich auf (nicht schwangere) Erwachsene.

Frühere Version: „It is the position of the Academy of Nutrition and Dietetics that appropriately planned vegetarian, including vegan, diets are healthful, nutritionally adequate, and may provide health benefits for the prevention and treatment of certain diseases. These diets are appropriate for all stages of the life cycle, including pregnancy, lactation, infancy, childhood, adolescence, older adulthood, and for athletes.“ (Melina et al. 2016)

Aktuelle Version: „It is the position of the Academy of Nutrition and Dietetics that, in adults, appropriately planned vegetarian and vegan dietary patterns can be nutritionally adequate and can offer long-term health benefits such as improving several health outcomes associated with cardiometabolic diseases.“ (Raj et al. 2025)

Die Beschränkung auf Erwachsene ist bedauerlich und wir hoffen sehr darauf, dass es in Zukunft ein eigenes A.N.D.-Positionspapier für vegane Ernährung in speziellen Lebensphasen wie der Kindheit geben wird. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sowie die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) sind in ihren aktuellen Publikationen von ihren zuvor sehr kritischen Positionen gegenüber veganer Ernährung in vulnerablen Lebensphasen abgerückt. Sie geben zwar nach wie vor keine Empfehlung dafür ab, raten jedoch nun nicht mehr ausdrücklich davon ab. Dabei verweisen sie auf die weiterhin eingeschränkte Datenlage (Klug et al. 2024; ÖGE 2024). Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass weitere Studien, speziell im Bereich der veganen Ernährung von Kindern, Schwangeren, Stillenden sowie älteren Menschen, dringend notwendig sind, um Forschungslücken zu schließen.

Wie eine ausgewogene vegane Ernährung bereits in der Kindheit gelingen kann und worauf dabei geachtet werden sollte, zeigen wir unter vegan.at/kinder.

2. Die A.N.D erwähnt erstmals Cholin

In einem kurzen Absatz geht die A.N.D. erstmals auf das Vitaminoid Cholin ein. Sie vermerkt, dass es begrenzte Hinweise darauf gibt, dass die Cholinaufnahme bei Veganer:innen und Vegetarier:innen merklich unter der empfohlenen Zufuhr liegen könnte. Sie rät deshalb sowohl Veganer:innen als auch Vegetarier:innen dazu, täglich eine Vielzahl an Nüssen, Hülsenfrüchten, Sojaprodukten, (Vollkorn-)Getreidesorten sowie Weizenkeimen zu verzehren, um die Cholinaufnahme zu verbessern.

Alle Hintergründe zu Cholin und wie eine ausreichende Zufuhr bei veganer Ernährung gelingen kann, haben wir unter vegan.at/cholin zusammengefasst.

3. Evidenzbasierte Hervorhebung der gesundheitlichen Vorteile

Ausführlicher als bisher geht die A.N.D. auf die gesundheitlichen Vorteile einer veganen Ernährung für Erwachsene ein. Dabei wird ein deutlich größerer Fokus als zuvor auf die wissenschaftliche Evidenz gelegt: Unter anderem wurden eigene systematische Übersichtsarbeiten von randomisierten kontrollierten Studien durchgeführt und das Paper unterlag einem Peer-Review-Verfahren innerhalb der A.N.D., wurde also von anderen Expert:innen überprüft und freigegeben.

Übersichtlich wird dargestellt, welche Vorteile eine vegane Ernährung für die gesunde Allgemeinbevölkerung, für Menschen mit einem hohen Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen sowie für Menschen mit bereits existierenden Erkrankungen hat und wie hoch der jeweilige Evidenzgrad ist. So profitieren beispielsweise Menschen, die ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen haben, wahrscheinlich in Bezug auf Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin sowie BMI und vielleicht auch beim Blutglukosespiegel. Auffällig ist zudem, dass die gesundheitlichen Auswirkungen im aktuellen Paper vorangestellt werden, während im früheren Statement zuerst die potenziell kritischen Nährstoffe beschrieben wurden.

4. Kleine Änderungen bei den zu beachtenden Nährstoffen

Im aktuellen Positionspapier weisen die Autor:innen darauf hin, dass auf einige Nährstoffe besonders geachtet werden sollte. Das sind Protein, Omega-3, Kalzium, Jod, Eisen, Vitamin D, Vitamin B12 und Cholin. Im Vergleich zu dem Paper von 2016 kommt somit Cholin hinzu, dafür entfällt Zink. Die potenziell kritischen Nährstoffe, die DGE und ÖGE für eine vegane Ernährung anführen, stimmen damit großteils überein. Sie führen jedoch Cholin nicht an, dafür zusätzlich Selen und Vitamin B2. Die DGE weist zudem darauf hin, dass Beta-Carotin bei Kindern möglicherweise ein potenziell kritischer Nährstoff sein könnte.

5. Die Rolle von Diätolog:innen und weiteren Ernährungsfachkräften

Die Bedeutung von Fachkräften aus dem Ernährungsbereich wird in der aktuellen Version sehr stark betont. Diätolog:innen, Ernährungswissenschaftler:innen & Co. sollen Menschen dabei unterstützen, eine gesunde und nährstoffreiche pflanzliche Ernährung umzusetzen und so leicht wie möglich zu machen. Sowohl auf individueller als auch auf gemeinschaftlicher Ebene kann es vorteilhaft sein, ausgewogene vegetarische Ernährungsmuster – inklusive der veganen Ernährung – zu fördern, um ernährungsbezogenen Krankheiten vorzubeugen oder diese zu lindern.

 

Quellen:

  • Klug A., Barbaresko J., Alexy U., Kühn T., Kroke A., Lotze-Campen H., Nöthlings U., Richter M., Schader C., Schlesinger S., Virmani K., Conrad J., Watzl B. on behalf of the German Nutrition Society (DGE). 2024. Update of the DGE position on vegan diet – Position statement of the German Nutrition Society (DGE). Ernährungs Umschau (71:7), 60–84.
  • Melina V., Craig W., Levin S. 2016. Position of the Academy of Nutrition and Dietetics: vegetarian diets. Journal of the Academy of Nutrition and Dietetics, 116 (12), 1970–1980.
  • Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE). 2024. Vegane Ernährung – FAQs und Empfehlungen für die praktische Umsetzung, Wien.
  • Raj S., Guest N. S., Landry M. J., Mangels R., Pawlak R., Rozga M. 2025. Vegetarian Dietary Patterns for Adults: A Position Paper of the Academy of Nutrition and Dietetics. Journal of the Academy of Nutrition and Dietetics (7), 2212–2672. doi: 10.1016/j.jand.2025.02.002

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