Versteckte tierische Stoffe in Textilien: 100 % Baumwolle bedeutet nicht vegan
Versteckte tierische Stoffe in Textilien: 100 % Baumwolle bedeutet nicht vegan
Verfasst von unserem V-Label-Experten Johannes Gilli.
Als Tierfreund:in hat man es nicht leicht, tierische Materialien in und an Kleidungsstücken zu erkennen. Ich muss zugeben, nachdem ich nun knapp 10 Jahre vegan lebe, tue ich mich manchmal immer noch schwer, auf Anhieb echten und falschen Pelz zu unterscheiden. Wie schrecklich die Herstellung tierischer Materialien für die Bekleidungsindustrie für die Tiere und unsere Umwelt ist, soll an dieser Stelle jedoch nicht Thema sein. Vielmehr möchte ich versuchen sichtbar zu machen, was für uns Endkonsument:innen in der Regel nicht sichtbar ist: den Herstellprozess eines Textilstücks und die dabei eingesetzten Roh- und Hilfsstoffe.
Deklaration von Textilien
In der EU muss seit 2011 auf Textilien deren Faserzusammensetzung angegeben werden. Fasern mit geringem Gewichtsanteil oder dekorativer Art können unter bestimmten Voraussetzungen vernachlässigt werden. Nichttextile Teile tierischen Ursprungs (z.B. Lederpatches, Fell oder Hornknöpfe) in Textilerzeugnissen sind unter Verwendung des Hinweises „enthält nichttextile Teile tierischen Ursprungs“ jedoch ebenfalls anzugeben.
Die Deklarationspflicht beschränkt sich somit auf die Angabe der Hauptfasern, sowie (immerhin) auf den Hinweis auf nichttextile Teile tierischen Ursprungs. Es müssen jedoch keine sonstigen enthaltenen Stoffe oder Produktionshilfsstoffe deklariert werden. Das erinnert ein wenig an den Lebensmittelbereich, wenngleich die Deklarationspflicht dort doch etwas weitreichender ist.
So wird aus Baumwolle ein Handtuch
Trotz der gesetzlichen Angaben am Etikett können sich daher leider tierische Materialien im Textil verstecken. Sehen wir uns dazu beispielhaft die Bestandteile und die wichtigsten Produktionsschritte eines sehr einfachen Textilerzeugnisses, einem Handtuch aus Baumwolle, an:
Spinnerei: Die Garne selbst werden in der Regel von spezialisierten Unternehmen hergestellt. Hier wird die Fasermasse (in unserem Fall Baumwolle) durch Verziehen und Verdrehen zu einem Garn versponnen. Um besonders glatte Garne herzustellen kann an dieser Stelle bereits eine geringe Menge an Fettsäuren (potenziell nicht vegan) zugegeben werden.
Schlichte: Dieser Garn wird von unserem Handtuchproduzenten dann zu einem flächenförmigen Stoff verwoben (Gewebe). Bevor ein Garn aus Naturfaser allerdings in den Produktionsschritt der Weberei gelangt, passiert er noch die sogenannte Schlichte. Hier wird das Garn durch ein spezielles Schlichtemittel widerstandsfähiger gemacht, um der mechanischen Verarbeitung in der Weberei unbeschadet standhalten zu können. Die Auswahl des Schlichtemittels hängt von der Art des Garns ab. Es besteht meist hauptsächlich aus Stärke, der weitere Stoffe wie Wachse beigemengt werden können. Die Schlichte ist daher oft nicht vegan. Bei Kunstfasern ist eine Behandlung mit Schlichte nicht nötig, allerdings sind hier im Material selbst manchmal tierische Bestandteile enthalten.
Weberei: In der industriellen Textilproduktion werden automatisierte „Webstühle“ (Webmaschinen) verwendet, welche digital programmierbar sind und mit hoher Geschwindigkeit arbeiten. In der Weberei ist es dadurch meist so laut, dass die Mitarbeiter:innen mit Gehörschutz arbeiten müssen. Unser durch die Schlichte geglättetes und reißfest gemachtes Garn übersteht so mühelos diese raue Umgebung und verlässt die Weberei als Gewebe.
Entschlichten und Bleichen: Nach der Station der Weberei wird die Schlichte zur weiteren Verarbeitung wieder entfernt, da sonst z.B. die Farbe nicht gut aufgenommen werden kann. Je nach Zusammensetzung der Schlichte sind dafür wiederum entsprechende Entschlichtungsmittel notwendig. Anschließend wird das Gewebe mit Bleichmitteln wie Wasserstoffperoxid gebleicht.
Färberei: Das gebleichte Gewebe kann nun für die Färbung vorbereitet werden. Neben den Farbstoffen, aus denen das Unternehmen seinen individuellen Farbton mischt, werden dafür auch verschiedene Färbereihilfsmittel eingesetzt, vorwiegend Chemikalien. Unser Baumwollgewebe erhält hier eine schöne Farbe. Für Textilien mit Farbmuster werden bereits die Garne gefärbt, bevor sie in die Weberei kommen.
Veredelung: Bei vielen Textilien erfolgt nach der Färbung noch die sogenannte Ausrüstung (auch Appretur genannt). Dabei handelt es sich um verschiedene Formen der Textilveredelung. Das Ziel kann z.B. eine Erhöhung der Geschmeidigkeit, wasserabweisende Imprägnierung, Füllung, Versteifung, Verbesserung der Scheuer- und Abriebfestigkeit oder vieles andere sein. Je nach gewünschtem Effekt kommen dabei unterschiedliche Stoffe zum Einsatz, darunter können sich auch Fette, Wachse oder Leim mit tierischen Bestandteilen befinden. Besonders nichtwaschbeständige Appreturen werden heute eingesetzt, um die Verkaufsfähigkeit im Geschäft zu erhöhen. Ihr Effekt geht nach kurzer Zeit verloren. Unser Handtuch erhält eine Appretur, welche die Benetzbarkeit und Oberflächenglätte verbessert. So nimmt es Feuchtigkeit besser auf und fühlt sich geschmeidig an.
Näherei: Schließlich wird das Gewebe in Form geschnitten und mittels Nähgarn umgenäht. Im Zuge dessen werden auch gleich die erforderlichen Labels und Etiketten eingenäht, häufig bestehen diese aus Polyester-Satin. Am Etikett eines solchen Baumwollhandtuchs genügt die Deklaration: 100% Baumwolle.
V-Label schafft Klarheit
Anhand dieses grundlegenden Produktionsprozesses wird bewusst, wie viele Stoffe tatsächlich alleine in einem einfachen Baumwollhandtuch enthalten sind oder während dessen Produktion verwendet werden. Leider sind diese Stoffe nicht immer vegan. So drängt sich die Frage auf, wie vegane Textilien erkannt werden können. Mit dem V-Label können nicht nur Lebensmittel und Kosmetika zertifiziert werden, sondern auch Textilien. Konsument:innen können auf einem Blick erkennen, dass das Produkt ohne tierische Stoffe hergestellt wurde. Umfasst sind dabei nicht nur Hauptfasern und nichttextile Stoffe tierischen Ursprungs, sondern auch Stoffe, die während des Produktionsprozesses eingesetzt werden, wie Schlichte- und Färbemittel.
Vossen nimmt im Bereich vegan-zertifizierte Textilien eine Pionierrolle ein und punktet mit einer Reihe von Handtüchern in unterschiedlichen Größen und Farben. Sie machen das Badezimmer aus textiler Sicht zu einem tierfreundlichen Ort.
Update (Jänner 2022): Immer mehr Unternehmen bemühen sich um eine vegane Textilproduktion und lassen sich mit dem V-Label zertifizieren. Darunter Mary Rose mit Cradle to Cradle (C2C) zertifizierter Bettwäsche und Badtextilien, Bettenreiter oder fleuresse. Eine aktuelle Auflistung findet sich unter vegan.at/produkte.
Bei Fragen und Interesse rund um das V-Label stehen wir gerne zur Verfügung und freuen uns über Ihre E-Mail.