Das ganze Leben vegan – zwei Erfahrungsberichte

Das ganze Leben vegan – zwei Erfahrungsberichte

10.04.2024

Einen Monat oder ein Jahr vegan zu essen, können sich viele Menschen vorstellen. Doch ein ganzes Leben lang? Ja, das geht! Von der Schwangerschaft über die Baby- und Kleinkindzeit über das Jugendalter bis hin zum erwachsenen und alternden Menschen: Als Veganer:in kann man zweifellos viele Jahre gesund leben. Wie sieht so ein Leben aus, das von Anfang an vegan war? Wir haben bei Maya und Amelie nachgefragt.

Maya Ludwig

Maya (22) wohnt in Potsdam und studiert dort Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik.

Was ist deine erste Erinnerung in Bezug auf vegane Ernährung und Lebensweise? Kannst du dich erinnern, wie deine Eltern dir das Thema erklärt haben?
Meine Mama war selbst schon vor der Schwangerschaft vegan und hat mich diesbezüglich ziemlich schnell aufgeklärt, mir also vermittelt, was das für die Tiere bedeutet – natürlich auf eine Weise, die ich als Kind verstehen konnte. Mit zwei Jahren war ich schon mit ihr auf meiner ersten Demo! Ich kann mich auch an ein Erlebnis im Bus erinnern: Jemand hatte ein Milchgetränk in der Hand und ich habe diese Person darauf angesprochen, dass die Milch doch eigentlich für das Kalb und nicht für Menschen gedacht ist. Für mich war es also ganz normal, vegan zu sein.

Wie hast du deine Zeit im Kindergarten und in der Schule erlebt? War das eher herausfordernd oder gab es auch positive Reaktionen auf deine Lebensweise?
Naja, leider gab es im Kindergarten und in der Schule kein veganes Essen; meine Mama hat mir immer extra etwas mitgegeben. Ich hatte auch eine Zeit, in der ich aus Neugier ab und zu nicht veganes Essen probiert habe – aber nie Fleisch, davor hätte ich mich definitiv zu sehr geekelt. Im Endeffekt war aber bald klar, dass ich bei der veganen Ernährung bleibe, weil das für mich die einzige ethisch vertretbare Variante ist. Mit meinen Freund:innen war das im Großen und Ganzen kein Problem , aber es gab immer wieder blöde Kommentare von anderen. Ich war damals schon sehr groß gewachsen und da hieß es dann: „Die ist eine Giraffe, die isst nur Gras.“ Oder mir wurde mit einem Wurstblatt vor der Nase herumgewedelt. Ich habe mir diesbezüglich eine recht dicke Haut zugelegt und es trifft mich nicht mehr besonders. Generell habe ich mich auch meistens sehr wohl gefühlt in meinem Vegansein, vor allem als Jugendliche, als ich mich schon besser artikulieren konnte.

Wie waren und sind denn die Reaktionen aus deinem Umfeld – von Freund:innen, Verwandten, aber auch von Ärzt:innen?
Meine Großeltern haben direkt mitgemacht und auch vegan gegessen, wenn ich dabei war. Anders ist es mit der weiteren Familie, den Menschen, die mir nicht so nah sind – da wird schon ab und zu gern provoziert. Was ich sehr schön finde, ist, dass meine beste Freundin jetzt auch vegan ist. Und unser Hausarzt steht auch ganz hinter unserer Ernährungsweise, das ist super. Von anderen Ärzt:innen höre ich manchmal Skepsis, aber in so einem Fall kann ich dann immer meine guten Blutwerte präsentieren.

War für dich immer klar, dass du selbst vegan leben möchtest? Hattest du mal Zweifel?
Es war für mich immer klar, dass ich Tieren kein Leid zufügen möchte; das habe ich höchstens in der Probierphase, die ich erwähnt habe, ab und zu verdrängt. Manchmal wollte ich einfach bei den anderen dazugehören – aber im Nachhinein hat es mir eher die Zehennägel aufgerollt, dass ich z. B. Pfannkuchen mit Ei gegessen hatte. Seit ich 14 bin, ist es aber völlig klar für mich, dass ich ethisch motiviert vegan leben möchte. Es ist mir auch wichtig, dass es meine eigene Entscheidung für die Tiere und die Umwelt ist.

Worauf hast du bzw. worauf haben deine Eltern für eine gesunde vegane Ernährung geachtet?
Natürlich achte ich darauf, dass mein Essen möglichst ausgewogen ist und ich gut mit Nährstoffen versorgt bin; das hat auch meine Mutter früher so gemacht. Meine Vitamin-B12-Werte waren immer super. Vitamin B12 nehme ich regelmäßig; Vitamin D, K2 und Magnesium supplementiere ich größtenteils im Winter und Eisen nach Bedarf.

Stichwort Gesundheit: Wie ist es dir damit über die Jahre gegangen?
Ich fühle mich topfit! Auch meine Blutwerte sind tipptopp, die lasse ich einmal pro Jahr kontrollieren. Als Kind war ich nur ganz selten krank. Und ich bin ja sehr groß, über 1,80 Meter, also mit dem Wachstum hat es offenbar gut geklappt!

Gibst du uns einen Einblick in deinen Alltag – was isst du denn am liebsten?
Mir ist wichtig, dass es einfach und lecker ist. Ich bin durch Mamas Kochschule gegangen und kann daher auf alle Fälle tolle Gerichte zubereiten. Ich achte darauf, dass der Bio-Anteil bei meinem Essen hoch ist und dass ich grundsätzlich gut kombiniere – also z. B. Gemüse, Kohlenhydrate und Tofu. Momentan mag ich sehr gern Maultaschen! Oder auch Gemüse, Kartoffelpüree und Dino-Nuggets; die liebe ich.

Möchtest du unseren Leser:innen etwas mitgeben? Einen Tipp, ein paar ermutigende Worte?
Zu Menschen, die vegan werden möchten, aber noch etwas Bammel haben, würde ich sagen: Probier’s einfach aus! Auch wenn es für fünf Tage ist. Vielleicht ist es ja ganz einfach und dann hängst du einen Tag an und noch einen … Jedenfalls würde ich nicht missionieren, sondern lieber einfach selbst vorleben, wie es geht. Den Eltern, die ihr Kind vegan ernähren möchten, möchte ich gern sagen: Informiert euch gut, aber lasst euch keine Angst machen! Man sieht ja bei mir, dass es sehr gut klappt, gesund vegan aufzuwachsen und zu leben.

Danke für das Gespräch, liebe Maya!


 

Amelie Schillinger  

Amelie (19) wohnt in Großmugl (Niederösterreich) und studiert Technische Mathematik in Wien.

Was sind deine frühen Erinnerungen in Bezug auf die vegane Ernährung und Lebensweise?
Meine Eltern waren beide schon eine ganze Weile vegan und es war für sie klar, dass ich das auch sein würde – ich habe als Baby auch ausschließlich Muttermilch bekommen und später vegane Babykost. Auch dass wir z. B. lederfrei leben, war von Anfang an klar. Ich kann mich erinnern, dass meine Eltern mir von klein auf offen erklärt haben, warum wir vegan leben. Meine Mama hat mir vieles durch das Vorlesen von Büchern vermittelt. Nicht im Detail mit den schaurigen Anteilen, aber so, dass ich verstanden habe: Das sind Tiere, die essen wir nicht. Mit der Zeit ist dieses Wissen dann natürlich differenzierter geworden und hat mich weiter darin bestärkt, vegan zu leben.

Wie hast du deine Zeit im Kindergarten und in der Schule erlebt – eher herausfordernd oder erfreulich in Bezug auf deine vegane Lebensweise?
Im Kindergarten gab es kein veganes Essen, aber ich hatte immer etwas Selbstgemachtes von meiner Mama dabei. Wenn es bei Geburtstagen und Partys Kuchen gab, hatte ich dann z. B. Schoko-Muffins mit – und zwar genug für alle! So haben die anderen auch gleich gemerkt, dass veganes Essen toll schmeckt. Ich habe eigentlich nicht viel Verwunderung oder Widerstand erlebt. Meine Eltern hatten das vegane Gasthaus in Großmugl – in so einem kleinen Ort wussten natürlich alle darüber Bescheid. Im Kindergarten hat der Bürgermeister von Großmugl allerdings einmal Süßigkeiten ausgeteilt und ich habe ihn gefragt, ob sie vegan sind. Er hat verneint, woraufhin ich sie nicht gegessen habe. Ich glaube, er war ein bisschen perplex!

Wie waren und sind denn die Reaktionen aus deinem Umfeld – z. B. von Freund:innen und Verwandten?
Das Thema ist immer wieder mal aufgekommen, aber ich hatte nie das Problem, nicht akzeptiert zu werden. Im Kindergarten waren die anderen Kinder eher sehr neugierig und offen. In meinem Umfeld, auch in der Schule, waren immer viele Veggies, was es mir recht einfach gemacht hat. Von Lehrer:innen wurde ich vereinzelt gefragt, ob ich nicht irgendwelche Mängel haben könnte, aber so etwas ist sonst kaum vorgekommen. Wenn ich mit am Tisch war, wurde ich auch schon gefragt, ob es in Ordnung ist, dass jemand ein Wurstbrot in meiner Gegenwart isst; die Leute sind da also sehr achtsam. Und viele waren ja auch schon bei uns im Wirtshaus zu Gast, daher war veganes Essen für viele bereits normal.

War für dich immer klar, dass du selbst vegan leben möchtest, oder hattest du mal Zweifel?
Definitiv, das war für mich immer klar. Ich wollte wirklich gar nie Fleisch probieren, auch der Geschmack hat mich nicht interessiert. Das Tierleid, das ich vermeiden kann, und die vielen ökologischen Aspekte bedeuten für mich ganz klar, dass ich vegan leben möchte. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich das Leid von Hühnern in Legebatterien oder von Kühen in der Fleisch- und Milchindustrie unterstützen möchte.

Worauf hast du bzw. worauf haben deine Eltern für eine gesunde vegane Ernährung geachtet?
Meine Eltern waren mit mir regelmäßig beim Kinderarzt, dabei waren immer alle Werte top. Ich lasse weiterhin ab und zu meine Blutwerte testen, um sie im Blick zu behalten. Hin und wieder supplementiere ich dann entsprechend mit Vitamintabletten, vor allem Vitamin B12 und D.

Stichwort Gesundheit: Wie ist es dir damit über die Jahre gegangen? Hast du jemals Unterschiede zu Gleichaltrigen bemerkt?
Hm, ich hatte in die Richtung eigentlich nie Probleme. Und auch jetzt hätte ich an meiner Gesundheit nichts zu bemängeln! Zur Schulzeit fällt mir noch etwas ein: Als ich in die Schule kam, konnte ich schon Lesen, Schreiben und Rechnen, weshalb ich eine Volksschulklasse überspringen durfte.

Gibst du uns einen Einblick in deinen Alltag – was isst du denn am liebsten?
Ich esse gern sehr viel Gemüse und bin ein Suppentiger! Ich koche gern alles Mögliche, auch Lasagne. Und ich probiere gern verschiedene Backrezepte aus, diverse Torten aus dem Internet oder aus Büchern. Auch meiner Familie schmeckt es – manchmal stehe ich fünf Stunden in der Küche, dann sage ich „Hey, es gibt Lasagne!“ und – wuuusch – nach einem Abendessen ist das ganze Blech weg!

Möchtest du unseren Leser:innen etwas mitgeben? Einen Tipp, ein paar ermutigende Worte?
Vegan leben ist absolut machbar! Ich würde sagen, es ist alles Übungssache. Und mittlerweile ist es ja auch viel einfacher und günstiger geworden; überall in Restaurants und Supermärkten gibt es vegane Optionen. Meine Mutter sagt übrigens über die Schwangerschaft, dass sie eine der schönsten Zeiten in ihrem Leben war! Es mag am Anfang eine Umstellung sein, aber es ist alles schaffbar.

Danke für das Gespräch, Amelie!


 

Tipp:
Wenn du mehr über gesunde vegane Ernährung während Schwangerschaft, Stillzeit und Kindheit erfahren möchtest, kannst du in diesem Artikel nachlesen.
Zu dem Thema gibt es auch ein Webinar mit Anastasia Pyanova zum Nachsehen.