Disziplinierte Tiere? Perspektiven der Human-Animal Studies für die wissenschaftlichen Disziplinen

Disziplinierte Tiere? Perspektiven der Human-Animal Studies für die wissenschaftlichen Disziplinen

16.06.2015

Parallel zu den gesellschaftlich immer relevanter werdenden Anliegen der Tiere entwickelte sich in den letzten 20 Jahren – vor allem im englischsprachigen Raum – auch die universitäre Beschäftigung mit der Mensch-Tier-Beziehung. Das neue Forschungsfeld, welches sich dem Verhältnis von Menschen und nichtmenschlichen Tieren wissenschaftlich nähert, heißt Human-Animal Studies, kurz HAS. In Österreich wird seit einigen Jahren an einzelnen Universitäten zu dem Themengebiet geforscht und gelehrt.

Der knapp 400-seitige Sammelband „Disziplinierte Tiere?“, herausgegeben vom Innsbrucker HAS-Team, enthält neben einer allgemeinen Einführung zu den Grundannahmen und -prinzipien der Human-Animal Studies 13 Artikel mit relevanten Themenbereichen und möglichen Fragenstellungen für 13 etablierte Disziplinen (Bildungswissenschaft, Gender Studies, Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte, Literatur- und Sprachwissenschaft, Philosophie, Psychologie, Rechtswissenschaft, Soziologie, Theologie, Volkskunde/Ethnologie, Zoologie). Sie fragen danach, was die Berücksichtigung nichtmenschlicher Tiere für die jeweilige Disziplin bedeutet und welche Herausforderungen sich für ihre Forschungsfelder, Theorien und Methoden ergeben. Damit ist die Publikation die erste dieser Art im deutschsprachigen Raum.

Wer sich wissenschaftlich mit der vielschichtigen Mensch-Tier-Beziehung befassen will und akademische Sprache nicht scheut, findet in diesem Sammelband eine wertvolle Grundlage und Zusammenfassung sowie Analyse von Erkenntnissen aus englischen und deutschsprachigen Publikationen. Ideal für Student:innen oder Forscher:innen.

1. Auflage 2015
394 Seiten
transcript Verlag
ISBN 978-3837625189

Leseprobe

Zentral in den HAS ist das Erforschen und kritische Hinterfragen unserer Beziehungen mit anderen Tieren, des Zusammenspiels und der Wechselwirkung von Menschen und anderen Tieren. Nichtmenschliche Tiere werden dabei nicht als kulturelle Gegenstände, Symbole oder Muster betrachtet, sondern als Lebewesen mit eigenen Erfahrungen, Empfindungen, Perspektiven und Interessen, als gesellschaftliche Akteur_innen und als Individuen mit einem intrinsischen Wert wahrgenommen (Shapiro 2002). Es gilt, den Raum, den nichtmenschliche Tiere in menschlicher Kultur und Gesellschaft einnehmen, zu erforschen und zu betrachten, wie sich die Interaktionen zwischen Mensch und Tier gestalten, wie sich die Lebensformen von Tieren und Menschen miteinander verflechten und so Gesellschaft immer wieder neu hervorbringen. Die Anthropologin und Soziologin Margo DeMello bezeichnet die HAS – wie etwa auch die Anthropologie – als eine holistische Wissenschaft, die ein Thema in seiner Ganzheit und mit allen Facetten zu betrachten strebt. So sollen alle Aspekte der Mensch-Tier-Beziehung berücksichtigt und miteinbezogen werden: kulturell, gesellschaftlich, wirtschaftlich und historisch (DeMello 2012). (S. 19)