Die EU und ihre Angst vor dem Veggie-Burger

Die EU und ihre Angst vor dem Veggie-Burger

16.04.2019

Pflanzliche Fleischalternativen sind in aller Munde: Das boomende Interesse an der pflanzlichen Ernährung treibt die Nachfrage nach Alternativen zu Milch, Fleisch & Co. in die Höhe. Mittlerweile ernähren sich alleine in Österreich 105.000 Personen vegan und 838.000 vegetarisch. Weitere 4.737.000 Personen wollen weniger Fleisch essen. Zahlreiche Unternehmen antworten mit der Markteinführung von innovativen pflanzlichen Alternativen. Diese Entwicklung dürfte nicht allen schmecken: Auf EU-Ebene wird derzeit diskutiert, ob Bezeichnungen wie Veggie-Burger, Seitan-Schnitzel und Tofu-Würstchen verboten werden sollen.

Status Quo: Landwirtschaftsausschuss gegen pflanzliche Alternativen

Am 1. April 2019 tagte der Landwirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments. Zur Diskussion standen Änderungsvorschläge der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020. Zwei Punkte sind aus vegan-vegetarischer und nachhaltiger Perspektive problematisch: Bezeichnungen wie Steak, Würstchen, Burger und Ähnliche sollen ausschließlich für Produkte verwendet werden dürfen, die Fleisch enthalten (Compromise Amendment 41, Point 6).

Pflanzliche Milchalternativen haben bereits seit 2013 mit einer Namensdiskriminierung zu kämpfen: Milch, Butter, Joghurt und Co. dürfen seitdem nur Produkte genannt werden, die durch „ein- oder mehrmaliges Melken aus normaler Eutersekretion“ gewonnen wurden (EU-Verordnung 1308/2013). Laut den neuen Plänen sollen die Bezeichnungen von pflanzlichen Milchalternativen weiter verschärft werden. Ob Produktbeschreibungen wie „Alternative zu Milch“ oder „zu verwenden wie Käse“ rechtens seien, wurde in den letzten Jahren unterschiedlich gesehen. Die geplante Verschärfung würde diese Bezeichnungen jedenfalls verbieten (Compromise Amendment 41, Point 7).

Die Entscheidung des Landwirtschaftsausschusses war eindeutig: 26 Personen und somit 70 % stimmten für ein Verbot von „fleischähnlichen“ Bezeichnungen für pflanzliche Alternativen. 5 Personen votierten dagegen und 6 Personen enthielten sich ihrer Stimme. Welcher Fraktion die jeweiligen Mitglieder des Europäischen Parlaments angehören, ist uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt.

Ausblick: Entscheidung nach der Europawahl

Hat der Veggie-Burger nun schon seinen Namen verloren? Nein, keinesfalls! Zurzeit hat sich lediglich der Landwirtschaftsausschuss für ein Verbot von „fleischähnlichen“ Bezeichnungen ausgesprochen. Als nächstes muss der Text vom neuen Parlament geprüft werden. Dieses wird sich nach den Europawahlen neu zusammensetzen, die von 23. bis 26. Mai 2019 stattfinden. Es kann auch sein, dass sich der Landwirtschaftsausschuss erneut mit der Thematik beschäftigen muss und eine neue Abstimmung stattfindet. Eine endgültige Entscheidung im Namensstreit ist somit in den nächsten Wochen noch nicht zu erwarten.

Wir, die Vegane Gesellschaft Österreich, arbeiten weiterhin mit vegan-vegetarischen Organisationen zusammen, die ebenso dem Dachverband der European Vegetarian Union (EVU) angehören. So wurden die Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses kontaktiert, um sie zu einer informierten Entscheidung zu motivieren. Weiters wurden die kandidierenden Parteien für die Europawahl um Stellungnahmen gebeten, die hoffentlich in Kürze veröffentlicht werden können. So gehen wir und die EVU koordiniert vor, um den Vorschlag der Namensdiskriminierung in der nächsten Instanz zu verhindern.

Verunsichert der Veggie-Burger die europäischen Konsument:innen?

In unserer 20-jährigen Vereinstätigkeit ist uns kein einziger Fall zu Ohren gekommen, dass ein:e Konsument:in ein veganes oder vegetarisches Produkt mit einem Fleischprodukt verwechselt und aus Versehen gekauft hätte. Pflanzliche Alternativprodukte sind klar mit Wörtern wie „rein pflanzlich“, „vegan“ oder „vegetarisch“ auf der Verpackung gekennzeichnet. Sehr häufig sind sie sogar mit dem V-Label oder der Veganblume zertifiziert. Die Produzent:innen sind somit aktiv daran interessiert, ihre Produkte als vegan oder vegetarisch zu vermarkten - schließlich soll die Zielgruppe schnell und einfach die Lebensmittel finden. Dass Veggie-Burger und ähnliche Produkte zur Verunsicherung von Konsument:innen beitragen würden, kann besten Gewissens als Mythos identifiziert werden. Die Angst vor dem Veggie-Burger wohnt somit sicherlich nicht den Konsument:innen inne - sondern der Fleischlobby, die mit dem Namensverbot einen verzweifelten Angriff auf den boomenden Markt der pflanzlichen Alternativen versucht.

Pflanzliche Lebensmittel sollten gefördert, nicht bekämpft werden! Sie wirken sich positiv auf die Gesundheit aus und stellen gelebten Tier- und Umweltschutz dar. Europäischen Landwirt:innen bieten sie vielversprechende Möglichkeiten, eine nachhaltige Gestaltung des Ernährungssystems zu unterstützen. Aussagekräftige Produktbezeichnungen von pflanzlichen Alternativen sind äußerst bedeutend: Sie informieren Konsument:innen, dass sie eine gesunde und umweltfreundliche Wahl beim Einkauf treffen und sie die Lebensmittel auf eine gewohnte Weise genießen können. Bezeichnungen wie Schnitzel, Würstel und Burger stehen überdies ohnehin für eine bestimmte Form, Zubereitungs- und Konsumweise und nicht per se für einen tierischen Inhaltsstoff. So würde wohl auch niemand dem Sellerieschnitzel oder gar den Holzschnitzeln ihren Namen absprechen. Das Thema EU und Produktbezeichnungen bleibt jedenfalls spannend und brandaktuell - wir werden weiterhin über Neuigkeiten und Entwicklungen berichten!