Wien-Wahl 2020: Welche Parteien sich für Vegan-Themen einsetzen

Wien-Wahl 2020: Welche Parteien sich für Vegan-Themen einsetzen

09.09.2020

Am 11. Oktober 2020 werden die Wiener:innen in die Wahlkabine gebeten. Gewählt wird der Landtag und Gemeinderat der österreichischen Bundeshauptstadt sowie die Bezirksvertretungen. In allen 18 Wahlkreisen und somit wienweit stellen sich neun Parteien der Wahl: SPÖ, FPÖ, GRÜNE, ÖVP, NEOS, HC, BIER, LINKS und SÖZ. Wir haben nachgefragt, welche Parteien sich für eine nachhaltige Ernährung und die Interessen von Veganer:innen einsetzen wollen. Neben unserer nun folgenden Analyse stehen die Antworten im Wortlaut der Parteien am Ende des Artikels als Download zur Verfügung.

Förderung: Pflanzliche Ernährung für Umwelt, Klima und Gesundheit

Eine abwechslungsreiche pflanzliche Ernährung wirkt sich nicht nur positiv auf den Gesundheitserhalt und die Krankheitsprävention aus, sondern ist auch aktiver Umwelt- und Klimaschutz. Um eine nachhaltige Zukunft für die Wiener:innen zu ermöglichen, sollte die Politik aktiv Schritte zur Förderung der Pflanzenkost setzen.

Zustimmend zeigen sich SPÖ, GRÜNE, NEOS und LINKS. So erwähnt die SPÖ etwa den Lebensmittelaktionsplan G.U.T. – kurz für gesund, umwelt- und tierfreundlich – und dass ein krisensicheres Ernährungssystem eine „weitere Reduktion des tierischen Anteils in unserer Ernährung und die Substitution durch geeignete pflanzliche Lebensmittel“ brauche. Die GRÜNEN positionieren sich stark und wollen einen „vollwertigen, pflanzlichen, biologischen Klima-Teller in allen städtischen Versorgungsbetrieben“ und darüber hinaus das öffentliche Angebot pflanzlicher ausrichten. Auch die NEOS zeigen sich positiv: Sie wollen auf eine „Stärkung der Bewusstseinsbildung bezüglich der gesundheitlichen und ökologischen Vorteile einer pflanzlichen Ernährung“ setzen und erklären es als mittelfristiges Ziel für öffentliche Küchen, „ein pflanzlichen Menü zur Auswahl zu haben“. LINKS stimmt der Förderung von pflanzlicher Ernährung ebenso zu: Eine zukunftsfähige Ernährung in Wien soll auf „frisch und kaum tierisch/Qualität und Bewusstseinsbildung“ setzen.

Die ÖVP betont die Wichtigkeit von Abwechslungsreichtum der Ernährung. „Die pflanzliche Ernährung soll weiter gefördert werden, aber eine ausgewogene Ernährung muss das Ziel sein“, heißt es von der Volkspartei. Die Akzente sollen hierbei durch die Förderung von Gemüseanbau in Wien gesetzt werden. Das ist zu begrüßen – doch die Förderung von pflanzlichen Lebensmitteln ist nicht mit einer Förderung der pflanzlichen Ernährung gleichzusetzen. Mangels eines klaren Bekenntnisses zur pflanzlichen Ernährung aus Umwelt-, Klima- und Gesundheitsmotiven steht unsere Ampel hier auf gelb.

Keine klare Antwort hingegen erhalten wir von der FPÖ: Auf die Förderung einer pflanzlichen Ernährung zu Umwelt-, Klima- und Gesundheitsgründen wird geantwortet, dass sich die Stadt Wien auf „bio, regional, saisonal und artgerechte/tierwohlkonforme Haltung bei tierischen Erzeugnissen konzentrieren“ solle.

Vegane Option: Recht auf pflanzliche Speisen

Religionen und Weltanschauungen werden – wenn sie staatlich anerkannt sind – besonders geschützt und ermöglicht, was sich etwa im Ernährungsangebot von öffentlichen Einrichtungen widerspiegelt. Wir sind der festen Überzeugung, dass der Veganismus – als Lebensform, die versucht, alle Formen der Ausbeutung und Grausamkeiten an leidensfähigen Tieren zu vermeiden – eine Weltanschauung darstellt und Veganer_innen das Recht auf eine pflanzliche Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen haben.

Die Etablierung einer veganen Speiseoption können sich SPÖ, GRÜNE, NEOS und LINKSlaut Selbstauskunft (sehr) gut vorstellen. Die SPÖ will mit dem Lebensmittelaktionsplan erreichen, „flächendeckend eine vegane Option anbieten zu können“. Die GRÜNEN sehen die Umsetzung „in Form eines vollwertigen, pflanzlichen, biologischen Klima-Tellers“. Weiters befürworten die NEOS eine „Selbstverpflichtung in allen öffentlichen Küchen und Kantinen der Stadt Wien“, während sie aber ein „festgeschriebenes Recht (...) derzeit nicht als umsetzbar“ betrachten. LINKS befürwortet eine vegane Option auch aus Gründen der „Freiheit der Lebensgestaltung für alle“.

Die FPÖ hält eine „verpflichtende vegetarische Alternative (...) für sinnvoll, bei der veganen Alternative stellt sich allerdings doch die Frage, wie sehr dieses Angebot dann auch genutzt und angenommen wird.“ Während die Befürwortung von vegetarischen Optionen positiv ist, so ist eine vegane Option aus der Perspektive der Weltanschauung nicht über Argumente der Nachfrage zu diskutieren. Ganz prinzipiell gilt: Vegane Speisen sind höchst inklusiv und können ebenso von Vegetarier_innen und Omnivoren konsumiert werden.

Die ÖVP hingegen gibt sich unkonkret und sieht die Versorgung von Veganer_innen mit pflanzlichen Speisen als „Ernährungswünsche“, wobei es an öffentlichen Einrichtungen liege, ob sie „diesem Wunsch nachkommen (...) können“. Das Recht auf eine vegane Option ist jedoch kein simpler Wunsch, sondern Bestandteil von ethischen Werten und einer Weltanschauung, die von staatlicher Seite zu schützen ist.

Weniger Fleisch, mehr Vegan-Vegetarisches: Ernährung in Krankenhäusern, Altenheimen, Kindergärten und Schulen

Nun wird es konkreter: Soll in öffentlichen Einrichtungen – namentlich Krankenhäusern und Altenheimen sowie Kindergärten und Schulen – die Verköstigung umgestellt werden und weniger Fleisch sowie mehr Vegan-Vegetarisches angeboten werden?

GRÜNE und LINKS stützen unsere Forderungen auf beiden Ebenen. Es soll also einerseits weniger Fleisch und andererseits mehr Vegan-Vegetarisches geben und das sowohl in Krankenhäusern und Altenheimen sowie Kindergärten und Schulen. Konkret schlagen die GRÜNEN eine Reduktion von Tierprodukten und einen vollständigen Umstieg auf Bio bei diesen vor. Sie sind sich sicher, dass eine „vorrangig pflanzliche Kost und wenig Fleisch (...) auch aus gesundheitspolitischer Perspektive ein wichtiger Schlüssel für eine gesunde Wiener Stadtbevölkerung (ist)“. Die Befürwortung eines „vollwertigen, pflanzlichen, biologischen Klima-Tellers“ gilt bei den GRÜNEN auch für Schulen und Kindergärten. Für LINKS sind besonders die Bedürfnisse von Menschen, die in öffentlichen Einrichtungen speisen, wichtig. Weiters soll „ein Bezug zu tierproduktarmer und regionaler Ernährung aufgebaut und ein Geschmack für diese entwickelt (werden)“.

NEOS und FPÖ befürworten den Ausbau von Vegan-Vegetarischem, aber die FPÖ strebt keine Reduktion von Fleisch an und die NEOS halten sich hierbei unklar. Die FPÖ will hingegen „soweit verfügbar und finanzierbar nur mehr (Fleisch) aus artgerechter/tierwohlkonformer Haltung“ – was unter diesen Kategorien direkt gemeint ist und wie sie sich im öffentlichen Einkauf niederschlagen und überprüft werden könnten, bleibt offen. Für die NEOS soll es ein „ausgewogenes Angebot von fleischhaltigen als auch von vegan-vegetarischen Gerichten“ geben, was nicht auf eine direkte Intervention hin zu mehr Pflanzlichem und weniger Fleisch schließen lässt. Zu begrüßen ist aber, dass es „eine pflanzliche Wahlmöglichkeit (...) jedenfalls mittelfristig geben (sollte)“ – sowohl in Krankenhäusern und Altenheimen wie auch in Kindergärten und Schulen.

Die SPÖ hingegen befürwortet weniger Fleisch und mehr Vegan-Vegetarisches in der Erwachsenenverpflegung, während man bei Kindern am derzeitigen System festhalten will. Bei den Erwachsenen gilt es über Programme wie „Natürlich gut“ oder einen Klimateller den Anteil an Fleisch zu reduzieren und jenen von Obst und Gemüse zu erhöhen. Es gilt festzuhalten, dass laut Auskunft der SPÖ bereits in allen öffentlichen Schulen und Kindergärten eine vegetarische Option wählbar ist. Die Ergänzung eines veganen Angebots hingegen wird abgelehnt.

Die ÖVP erlaubt beim Thema Mehr-Pflanzliches-Weniger-Tierisches keinen eindeutigen Rückschluss. „Das eine schließt das andere nicht aus“, meint die Volkspartei. Ob aktive Schritte bei der Ernährungsgestaltung gesetzt werden sollen, bleibt offen. Zu vermuten sind sie aus der kurzen und schwammigen Antwort wohl eher nicht.

Lebensmittel: Haltungskennzeichnung von Tierprodukten und Bio-Quote

Derzeit gilt in der öffentlichen Lebensmittel-Beschaffung in Wien ein verpflichtender Bio-Anteil von 30 %. Der Gedanke, diesen zu erhöhen, stößt bei allen Parteien auf Zustimmung. Eine Haltungskennzeichnung von Tierprodukten – wie sie etwa für Eier im Handel, jedoch nicht in der Gastronomie gilt – wird ebenso von SPÖ, FPÖ, GRÜNEN, NEOS und LINKSbefürwortet. Nur die ÖVP geht der Frage aus dem Weg: Statt einer Antwort spricht sie primär von einer Herkunftskennzeichnung. In puncto Haltungskennzeichnung verweist sie nur auf die EU-Ebene – ohne eine eigene Stellung zu beziehen. Dass eine österreichische Herkunft keineswegs gleichbedeutend mit einer tierfreundlichen Haltung ist, zeigt nicht zuletzt die österreichische Schweinehaltung auf Vollspaltenboden. Ein Verbot dieser Haltungsform wird derzeit von vielen Seiten gefordert, etwa vom Verein gegen Tierfabriken, aber von Seiten der ÖVP blockiert.

Vegucation: Unsere Ausbildung zur vegan-vegetarisch geschulten Fachkraft in Wiener Schulen und Lehrbetrieben

Ziel unseres Vegucation-Projekts ist die Etablierung der pflanzlichen Kost in der Gastronomie. Dazu haben wir ein Lehrprogramm entwickelt und bilden Lehrkräfte in der Theorie und Praxis der veganen Kochkunst aus. So können Schüler_innen und Lehrlinge eine Zusatzausbildung zur vegan-vegetarischen Fachkraft absolvieren. Dem Projekt stehen SPÖ, GRÜNE, ÖVP, NEOS und LINKS (sehr) positiv gegenüber. Die SPÖ will das Projekt „durch den Lebensmittelaktionsplan konsequent umgesetz(en)“. Die GRÜNEN betonen, dass in der „Ausbildung für gastronomische Berufe (...) die Kompetenz für vegan-vegetarische Küche verpflichtend berücksichtigt werden (muss)“. Die ÖVP spricht von einer „win-win Situation für beide Seiten“. Ähnlich artikulieren es die NEOS, „denn Zusatzausbildungen stellen einen Gewinn sowohl für die Auszubildenden als auch die Betriebe dar.“ Auch LINKS zeigt sich „sehr aufgeschlossen“. Lediglich die Antwort der FPÖ ist nicht eindeutig, da sie nur über den Status Quo referiert und sich darauf bezieht, dass „überprüft werden kann (...) inwieweit derartige Kurse die Berufschancen tatsächlich erhöhen“, was als Skepsis gegenüber der Vegucation-Ausbildung gedeutet werden kann.

Events: Veganmania und Veggie Planet beim Rathaus

Unsere Events haben sich zu Publikumslieblingen entwickelt und zeigen die Vielfalt der veganen Lebensweise. Unser Veganmania-Sommerfest würde perfekt auf den Rathausplatz passen, die Vegan-Planet-Messe ins Rathaus. Grundsätzlich sind alle Parteien der Idee gegenüber durchaus aufgeschlossen. GRÜNE, ÖVP und NEOS befürworten sie ohne weitere Bedenken. Die SPÖ sagt, dass „grundsätzlich auch nichts gegen diese Events spricht“ und verweist darauf: „Vorausgesetzt alle Vorgaben & Richtlinien werden durch den Veranstalter eingehalten“. Die FPÖ betont ökonomische Aspekte und meint dazu: „Wenn es sich rechnet und prinzipiell positiv ist, warum nicht?“. LINKS „befürworte(t) die Abhaltung des Veganmania-Sommerfests am Rathausplatz explizit“, während sie sich bei der Veggie-Planet-Messe etwas bedeckt zeigt und eine „Umsetzungsstrategie, wenn schon nicht entwickeln so zumindest diskutieren will“, da die Partei „die privatwirtschaftliche Nutzung von öffentlichem Raum“ kritisch sieht. Hier ist anzumerken, dass wir als nichtprofitorientierter Verein mit beiden Events keine Gewinnmaximierung betreiben und unsere Einnahmen der Förderung der veganen Lebensweise und somit unseren Projekten dienen.

Pferdefreies Wien: Abschaffung von Fiakern

Die Nutzung von Pferden zur menschlichen Unterhaltung – wie im Falle von Fiakern – ist nicht mit einer veganen Lebensweise vereinbar. Die Stadt ist kein natürlicher Lebensraum von Pferden, das Herumkutschieren von Menschen ist nicht ihre natürliche Tätigkeit. Die logische Konsequenz ist die Abschaffung von Fiakern in der Millionenmetropole Wien. Pferde raus aus der Stadt – das sehen auch GRÜNE, NEOS und LINKS zumindest mittelfristig so. Die GRÜNEN schlagen folgendes vor: „Kurzfristig sollten Fiaker-Fahrten dorthin verlagert werden, wo den Pferden Schatten, Ruhe und Grünraum gewährleistet werden können. Mittelfristig wollen wir, dass die Stadt Wien bestehende Fiaker-Lizenzen auslaufen lässt und keine neuen mehr vergibt.“ Ebenso sind Fiaker für die NEOS „in einer modernen Stadt wie Wien nicht mehr zeitgemäß“, weswegen sie ebenso mittelfristig „keine Neuvergabe oder mögliche Weitergabe von Fiakerkonzessionen“ wollen. Stark gegen Fiaker spricht sich auch LINKS aus und schlägt kurzfristig Tierschutzverbesserungen vor, wie ein Verbot in den inneren Bezirken und hitzefrei ab 30 Grad.

Anders sieht es bei SPÖ, FPÖ und ÖVP aus. Sie halten an dem Glauben fest, dass Wien auch im Jahr 2020 und darüber hinaus Fiaker benötigen würde. Die SPÖ verneint klar eine Abschaffung von Fiakerpferden und verweist auf derzeit gültige Maßnahmen, die laut ihrer Meinung ausreichend den Bedürfnissen der Pferde entsprechen würden – etwa ein Hitzefrei ab 35 Grad, Arbeitszeiten von 10:00 bis 21:00 und regelmäßiges Füttern. Die FPÖ meint, die Wiener_innen und Tourist_innen würden Fiaker befürworten, weswegen eine Abschaffung für sie wohl nicht in Frage komme. Verbesserungen gegenüber dem Status Quo klingen aber dennoch durch, wie etwa „Hitzefrei ab 30 Grad und pferdefreundlichere Standplätze mit täglicher Kontrolle der Pferde durch den Amtstierarzt“. Für die ÖVP ist klar, dass Fiakerpferde zum „Stadtbild Wiens“ gehören würden. Die „Attraktion für den Tourismus“ wird somit klar über das Wohl der Tiere gestellt, ohne zumindest Verbesserungen in der Tierhaltung zu nennen.

Zur Umfrage

Umwelt- und Tierschutz sowie Gesundheit sind den Wiener_innen ein großes Anliegen. Der Veganismus stellt hierbei eine Lebensweise dar, die ökologische, tierethische und gesundheitliche Motive verbindet und so ein unverzichtbares Element für eine nachhaltige Zukunft darstellt. Nichtsdestotrotz spielen Ernährung und Landwirtschaft noch immer eine untergeordnete Rolle in der Politik.

Die hohe Rücklaufquote zeigt, dass die meisten Parteien uns zumindest Rede und Antwort stehen. SPÖ, FPÖ, GRÜNE, ÖVP, NEOS und LINKS haben unsere Fragen beantwortet. Hingegen haben wir keine Rückmeldung von HC, BIER und SÖZ erhalten.

Mit unserer Umfrage möchten wir allen, die sich für Nachhaltigkeit und Veganismus interessieren, einen Einblick in die Positionierungen der Parteien geben. Ob und in welchem Ausmaß unsere Umfrage bei der Stimmabgabe berücksichtigt wird, ist selbstverständlich jeder_jedem selbst überlassen.

Zur Gewährleistung der Transparenz und Nachvollziehbarkeit sowie zur vertiefenden Auseinandersetzung können die Antworten der Parteien im Originalwortlaut hier nachgelesen werden.