Nicht alles in Butter – Kälber und Kühe in der Milchwirtschaft

Nicht alles in Butter – Kälber und Kühe in der Milchwirtschaft

07.04.2023

Grüne Almen, grasende Rinder, glückliche Tiere: So wird die österreichische Landwirtschaft oft dargestellt. Doch nicht nur die Fleischwirtschaft, sondern auch die Milchwirtschaft unterwirft die Tiere einer nüchternen Kosten-Nutzen-Kalkulation. Weibliche Kühe werden zu Milchmaschinen und männliche Kälber zu Abfallprodukten einer Industrie, die Muttermilch einer Spezies nimmt und sie als Lebensmittel für eine andere verpackt. Ein System, in dem nichts in Butter ist und das immer mehr Konsument:innen und auch Landwirt:innen ablehnen.


© Nikki Ritcher / We Animals Media

Im Überblick: Rinder in der Alpenrepublik

In Österreich leben knapp 2 Millionen Rinder. Die Rinderhaltung teilt sich in Fleisch- und Milchwirtschaft auf. Sogenannte Mastrinder sind oftmals Rassen, die schnell zunehmen und viel Masse ansetzen, während sogenannte Milchkühe häufig von Rassen kommen, die auf hohe Milchmengen gezüchtet wurden. Ihr Leben verbringen österreichische Rinder vor allem in Laufställen oder in Anbindehaltung. In der Agrarstrukturerhebung ist nachzulesen, dass drei von zehn Betrieben den Rindern keinerlei Weidemöglichkeiten bieten. Somit verbringen sie ihr ganzes Leben im Stall, in der Anbindehaltung sogar angekettet an Ort und Stelle. Ihre natürliche Lebenserwartung würde zwanzig Jahre betragen, in der Landwirtschaft erreichen sie aber nur einen Bruchteil davon. Rinder in der Fleischwirtschaft werden etwa in einem Alter von zwei Jahren getötet. Männliche Kälber aus der Milchwirtschaft landen mit sechs Monaten im Schlachthof und ihre Mütter mit fünf Jahren, wenn ihre Körper keine Höchstmengen an Milch mehr erzeugen.

Lebenswege von Kühen in der Milchwirtschaft

Mütter geben Milch, um ihre Kinder zu versorgen – so ist es bei Menschen, Rindern und anderen Säugetieren. Der Mensch ist aber die einzige Spezies, die Muttermilch einer anderen Spezies trinkt – sogar noch im Erwachsenenalter. Die Lebenswege von Kühen in der Landwirtschaft laufen daher nach dem folgenden Prozess ab: Die Kuh wird mit etwa eineinhalb Jahren zum ersten Mal befruchtet, nach neun Monaten gebärt sie ihr Kalb und beginnt, Milch zu geben. Mutter und Kind werden entweder sofort oder nach wenigen Stunden getrennt. Die Trennung ist – wie zu erwarten – schmerzvoll: Die beiden rufen tage- bis wochenlang nacheinander. Das wird in der Landwirtschaft aber als nötiges Übel angesehen. Die Milch dient schließlich dem Menschen, nicht dem Kalb. Und damit sie in Höchstmengen fließt, erlebt die Kuh nach zweieinhalb Monaten erneut eine Zwangsbefruchtung. Sie muss erneut ein Kalb gebären, das ihr erneut weggenommen wird. Der Prozess von Schwangerschaft, Geburt und Mutter-Kind-Trennung endet erst, wenn auch das Leben der Kuh endet.

Lebenswege von Kälbern in der Milchwirtschaft

Kühen und Kälbern wird in der Milchwirtschaft das Glück der gegenseitigen Beziehung verwehrt. Weibliche Kälber sind für die Milchwirtschaft interessant, männliche Kälber dahingegen nicht. Erstere erwartet somit das Schicksal ihrer Mütter, letztere gelten als Abfallprodukte der Milchindustrie. Nach der Trennung geht es für die Kälber in ein Kälberiglu oder eine Kälberbox. Auf einer Fläche von einem Quadratmeter verbringen sie ihre ersten Lebenswochen allein. Ein Großteil, vor allem die männlichen Tiere, wird bald verkauft. Tiertransporte dürfen unter Einhaltung einer einstündigen Pause achtzehn Stunden dauern. Der Verein Gegen Tierfabriken hat jedoch mehrmals aufgedeckt, dass es bei Tiertransporten systematisch zu Gesetzesverletzungen kommt. Österreichische Kälber werden weit länger als die ohnehin grausam lange gesetzlich erlaubte Transportdauer transportiert. Österreichische Kälber kommen großteils nach Spanien oder Italien in die Mast und für viele geht es sogar per Schiff weiter nach Nordafrika oder in den Nahen Osten. Für alle geht der letzte Weg ihres kurzen, schmerzerfüllten Lebens in den Schlachthof. Somit klebt nicht nur an Fleisch, sondern auch an Milch Blut – ein Faktum, das immer mehr Menschen in ihrer Lebensweise einen anderen Weg einschlagen lässt.


© Andrew Skowron / We Animals Media

Vom Bauernhof zum Lebenshof: Zu Gast bei „Lebenslänglich“

Auch Juliane und Josef Habersatter wollten einen anderen Weg gehen. Gemeinsam haben sie vor drei Jahren ihren Bauernhof in einen Lebenshof verwandelt. Heute leben dort über zwanzig Rinder – und das lebenslänglich. „Wir waren als ‚normale‘ Landwirt:innen der Meinung, dass es unseren Tieren sehr gut geht. Wir hatten eine Mutterkuhhaltung, im Sommer waren die Kälber mit den Kühen auf der Alm, im Herbst kamen sie zum Schlachten. ‚Das ist nun einmal so‘, dachten wir uns“, erzählt uns Juliane. Ihr wurde aber bewusst, was die Trennung von Mutter und Kind sowie der Verkauf in die Mast oder zur Schlachtung für die Tiere bedeutet. Sie wollten kein Rädchen mehr im System sein: „Es waren unsere Rinder, die im Schlachthof mit angstgeweiteten Augen ihren letzten Minuten panisch entgegensahen. Es waren unsere Kälber, die in andere Länder in die Mast verkauft wurden und womöglich per Schiff auf dem Weg nach Marokko waren. All das hat im ersten Schritt dazu geführt, unsere Ernährung und im zweiten Schritt unseren Hof umzustellen“, erklärt Juliane.

Bei „Lebenslänglich“ will man nun über Rinder aufklären: „Sie sind ausgesprochen soziale Tiere. Kein Rind hat den gleichen Charakter, kein Rind hat die gleichen Bedürfnisse. Freund:innen stehen gerne beisammen, Mütter haben ihre Kinder um sich, auch wenn sie bereits erwachsen sind. Man merkt schnell, es ist nicht nur ein Rind, kein Milch- oder Fleischproduzent. Es ist ein Tier mit einer Seele, mit Bedürfnissen und einem eigenen Charakter. So wie Hund und Katz von Menschen gesehen werden, so sehen wir unsere Rinder.“ Der Lebenshof will seine alternative Form der Mensch-Tier-Beziehung auch anderen vermitteln und bietet daher Besuchs- und Übernachtungsmöglichkeiten an. Ein Wandel des aktuellen Agrarsystems hin zu einem System, das keine Rinder, Kälber oder anderen Tiere ausbeutet, kann auf Lebenshöfen erahnt werden und macht sie so zu überaus inspirierenden Orten. Mehr Informationen zu Lebenshöfen finden sich online: www.vegan.at/lebenshof.


© Lebenslänglich