Vegan in Le Havre
Vegan in Le Havre
Von Maurice Schuhmann (Text) und Yvonne Schwarz (Fotos)
Le Havre ist zwar die größte Stadt der Normandie und verfügt über den zweitgrößten Hafen Frankreichs, aber die Stadt steht im Schatten der touristisch besser erschlossenen Stadt Rouen – zu Unrecht! Seit 1995 ist die Architektur der im Zweiten Weltkrieg völlig zerstörten Stadt als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt – und wird als ein „Traum aus Beton“ vermarktet.
Blick auf Le Havre
Architektonische Highlights
Der Architekt Auguste Perret drückte der Stadt seinen unnachahmlichen Stempel auf – je nach Sichtweise in positiver oder negativer Hinsicht. Ein weiterer Architekt, der hier gewirkt hat, ist der Argentinier Oscar Niemeyer, der die nach ihm benannte Bibliothek – den „Vulkan“, der im Volksmund auch als „Joghurtbecher“ bezeichnet wird – konzipiert hat. Gegenüber befindet sich der für französische Städte obligatorische Place Charles de Gaulle mit einem Denkmal.
Für Literaturfreund:innen bietet sich ein literarischer Rundgang an. 23 Bänke – der „Promenade Littéraire“ – erinnern an Literat:innen, die hier geboren wurden oder über die Stadt geschrieben haben: von Raymond Queneau über Henry Miller bis zu Simone de Beauvoir. Stolz ist man hier auch auf das Museum Malraux, ein Museum für moderne Kunst, mit einer Dauerausstellung von in Le Havre ansässig gewesenen Künstler:innen. Am Steinstrand erinnern auch vereinzelte Informationstafeln daran, dass hier einst impressionistische Maler:innen verkehrten. Daneben gibt es für Freund:innen der modernen Kunst das Kunsthaus Le Portique sowie ein Naturkunde- und – wie es sich für eine Hafenstadt gehört – ein Schifffahrtsmuseum.
Kunstinstallationen Narrow House und Catène de Container
Zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt gehört auch der 1861 eingeweihte Friedhof Sainte-Marie, wo es regelmäßige Friedhofstouren gibt, zum Beispiel auf den Spuren künstlerischer oder maritimer Persönlichkeiten.
Als innerstädtische Sehenswürdigkeit bietet sich ein kurzer Abstecher zur Kunstinstallation Narrow House am Square Érignac oder zur am Hafen aufgestellten Skulptur Catène de Container an, die eine Hommage an den Güterhafen darstellt. Der bekannteste Hafenarbeiter Le Havres dürfte der Syndikalist Jules Durand sein, der in Folge eines von ihm organisierten Streiks gegen den Anstieg der Lebenshaltungskosten zum Tode verurteilt und später als unschuldig rehabilitiert wurde. Gegenüber von den Docks erinnert ein Denkmal an den „Dreyfus der Arbeiterklasse“.
Die Stadtbibliothek, der „Vulkan“, von Oscar Niemeyer | Die von Auguste Perret entworfene Kirche St. Joseph beim Sonnenuntergang | Das Denkmal „Un Été au Havre“ am Strand von Le Havre | Das Museum Malraux
Kunst & Kultur
Die bekannteste sakrale Sehenswürdigkeit der Stadt ist die Kirche St. Joseph, die ebenfalls von Perret gestaltet wurde. Die römisch-katholische Kirche ist nicht nur ein Gotteshaus, sondern auch eine Gedenkstätte für die Opfer und die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg.
Bei einem Spaziergang am Strand kommt man an dem Monument „Un Été au Havre“ („Ein Sommer in Le Havre“) vorbei, wo ab dem Frühling ein reges Treiben zu beobachten ist – von Jugendlichen, die die Skateanlage nutzen, älteren Boule-Spieler:innen, Paaren, die Hand in Hand vorbeispazieren, und unzähligen Möwen, die ein lebendiges Wahrzeichen der Stadt sind.
Mittlerweile bieten viele auf Tourist:innen ausgerichtete Restaurants – gerade in der Gegend rund um den Hafen und am Strand – auch standardmäßig ein bis zwei vegane Gerichte an. Hierbei ist Vorsicht geboten, da viele französische Gastronom:innen die Grundlagen des Veganismus etwas freier auslegen. So kommt ein Sandwich namens „Go vegan“ schon mal mit einem Stück tierischem Mozzarella daher oder der als vegan geführte Salat ist mit einem Honigdressing angemacht.
Kulinarische Highlights in Le Havre
Restaurants, wo man als Veganer:in getrost essen kann, sind das Soleil Vert, Calice & Mandibule, das Restaurant im Ökoprojekt Hangar Zero oder La Cantine du Fort. Im letztgenannten Lokal wird darauf geachtet, vorrangig regionale und saisonale Produkte zu verwenden – und möglichst ressourcensparend zu produzieren. Im Hangar Zero stehen ein veganer Burger und leckerer Couscous auf dem Speiseplan. In La Cantine du Fort gibt es vergleichbare Gerichte, preislich bewegt sich ein Veggie-Menü mit drei Gängen zwischen 15 und 20 €.
Das Restaurant Soleil Vert, das in Anspielung an den Film „Soylent Green“ benannt ist
Das Soleil Vert ist das einzige rein vegetarisch-vegane Restaurant in Le Havre, das seit 3 Jahren existiert und versucht, den Einheimischen vegetarische und vegane Küche schmackhaft zu machen. Das Restaurant setzt auf einfach gehaltene Gerichte. Es gibt hier jeweils zwei Vorspeisen, Hauptgänge und Desserts zur Auswahl sowie eine kleine und rein alkoholfreie Getränkekarte. Der Menüpreis beträgt 20 € für drei Gänge. Es werden frische und gute Zutaten verwendet – z. B. für einen Salat oder eine Spargelcremesuppe als Vorspeise. Da alles frisch zubereitet wird, muss man hier etwas Zeit einrechnen.
Bei Calice & Mandibule lässt es sich im Sonnenschein gut draußen sitzen
Alternativ gibt es noch das am Hafen gelegene und damit auch etwas höherpreisige Calice & Mandibule. Hier gibt es eine kleine und überschaubare Karte, bei der mindestens zwei der drei Hauptgänge auch in einer veganen Alternative angeboten werden. Für ein Zweigängemenü bestehend aus einem veganen Risotto und einer veganen Crème brulée als Dessert muss man hier ca. 23 € einplanen.
Pflanzliches im Supermarkt
Für Selbstversorger:innen in Frankreich gilt, dass vegane Produkte leider um einiges teurer als in Österreich sind. Dafür muss nicht mehr wie vor ein paar Jahren noch in Biosupermärkten eingekauft werden, um sie zu bekommen. In den Discountern finden sich pflanzliche Produkte mittlerweile standardmäßig – häufig neben den äquivalenten Fleischprodukten.
In vielen regulären Supermärkten gibt es Produkte von Marken wie Vemondo und Garden Gourmet, die man auch aus dem deutschsprachigen Raum kennt. Daneben sind Marken wie Accro, Kokiriki und Happy Vore sowie vereinzelt – z. B. bei Auchan – auch eigene vegane Marken verfügbar. Milchalternativen auf Basis von Reis, Mandeln oder Hafer gibt es mittlerweile in jedem Supermarkt in einer guten Auswahl. Die Preise sind aber deutlich höher, als man es im deutschsprachigen Raum gewohnt ist.
Eine besonders empfehlenswerte Marke von veganem Aufschnitt ist Fleury. Diese Firma stellt diverse vegane Aufschnitte aus Erbsenprotein oder Kichererbsen her. In Bezug auf veganen Käse gibt es die Firma Jay & Joy, die derzeit drei Sorten im Angebot hat – unter anderem eine leckere La-Bûche-„Käserolle“. Diesen Käse bekommt man derzeit nur bei der Biosupermarktkette Claire de la Vie.
Veganer Wein
In Frankreich veganen Wein zu finden, wird immer schwerer. Seit ein paar Jahren gibt es kaum noch Weinproduzent:innen, die ihre Produkte mit einem Vegan-Logo zertifizieren lassen. Selbst bei gutsortierten Weinläden und selbst bei jenen, die auf biologischen Anbau Wert legen, sind keine ausgewiesenen veganen Weine verfügbar. Es gibt aber einige Dinge, die man beachten kann, um einen möglichst veganen Wein zu erwerben. Das beginnt bei der Wahl der Sorte – Weiß- und Rosé-Wein ist eher selten in einer veganen Version erhältlich. Am besten kauft man daher einen ungefilterten Rotwein, weil beim Filtern in der Regel noch tierische Produkte eingesetzt werden. Am besten fragt man in einem der vielen Weinläden nach, zum Beispiel bei La Cave Saint Vincent, wo man uns diesbezüglich bislang gut beraten hat.
Le Havre bietet sich auch als Ausgangspunkt für Ausflüge ins Umland an – sei es zum Küstenort Étretat, der eng mit Maurice Leblanc, dem Schöpfer des Meisterdiebs Arsène Lupin assoziiert ist, zum malerischen Ort Honfleur, den man über die Pont de Normandie erreicht, oder nach Rouen.
Dr. Maurice Schuhmann ist promovierter Politikwissenschaftler und Philosoph. Wenn er nicht gerade Beiträge zu ökologischen oder subkulturellen Themen für Special-Interest-Zeitschriften schreibt, unterrichtet er an diversen Hochschulen in Deutschland und Frankreich.
maurice-schuhmann.de
Yvonne Schwarz alias Semiramis Photoart ist freischaffende Fotokünstlerin. Bevor sie sich der Kunst zuwandte, arbeitete sie viele Jahre in der Gastronomie und bewahrte sich von daher einen kritischen Blick auf Lebensmittel und ihre Zubereitung.
semiramis-photoart.def