Der vegane Beikostteller
Der vegane Beikostteller
Eine ausgewogene vegane Ernährung ist bereits im Säuglingsalter möglich. Während der ersten Lebensmonate ist Muttermilch die beste Ernährung für das Baby, denn sie versorgt mit allen wichtigen Nährstoffen in genau abgestimmter Menge. Als Alternative für Mütter, die nicht stillen können oder wollen, gibt es vegane Säuglingsnahrung, die ebenfalls mit allen wichtigen Nährstoffen versetzt ist. Ab dem Beikoststart wird die Ernährung vielfältiger, aber auch herausfordernder, denn nun gilt es, die richtigen Lebensmittel auszuwählen, um weiterhin eine optimale Nährstoffzufuhr zu gewährleisten. Wie eine gesunde vegane Ernährung in dieser Lebensphase aussehen kann, zeigt der vegane Beikostteller.
Beikost zeichnet sich dadurch aus, dass der Säugling zwar noch Muttermilch oder Säuglingsmilchnahrung erhält, aber zunehmend feste Lebensmittel wie Gemüse und Getreide eingeführt werden. Im Zentrum des Beikosttellers steht daher Muttermilch (alternativ Formulanahrung). Ergänzt wird diese durch fünf Lebensmittelgruppen, die auch bei Erwachsenen auf den veganen Ernährungsteller kommen: Gemüse, Obst, Getreide und stärkehaltige Produkte, Hülsenfrüchte sowie Nüsse und Samen. Vervollständigt wird die vegane Beikost durch einige besondere Nährstoffe, die mit Supplementen zugeführt werden müssen, wenn sie mit der Muttermilch (oder Säuglingsmilch) nicht mehr in ausreichenden Mengen aufgenommen werden.
Der vegane Beikostteller kann heruntergeladen und ausgedruckt werden oder bei uns im A4-Format bestellt werden: www.vegan.at/infomaterial-bestellen
Wann sollte man mit der Beikost starten?
Die ersten 4–6 Monate sollte das Kind ausschließlich Muttermilch (oder Formulanahrung) bekommen. Empfehlenswert sind mindestens zwei Muttermilchmahlzeiten bis zum 12. Monat sowie Muttermilch begleitend bis zum 2. Geburtstag oder sogar darüber hinaus. Zwischen dem 5. und 7. Lebensmonat ist der ideale Zeitpunkt für die Einführung der Beikost. Wann genau das Baby bereit ist, hängt von seiner individuellen Entwicklung ab. Wichtige Anzeichen sind, dass es die Nahrung nicht mehr ausspuckt, am Essen der Mitmenschen Interesse zeigt und den Kopf ohne Hilfe halten kann.
Breikost oder Baby-led Weaning?
Die klassische Beikost besteht aus Brei. Auf diese Weise kann die Nährstoffversorgung leicht sichergestellt werden, weil alle relevanten Lebensmittelgruppen gemeinsam zu einem Brei verarbeitet werden können. Beim Konzept des Baby-led Weanings darf der Säugling hingegen selbstständig Lebensmittel vom Familientisch auswählen bzw. erhält eine Auswahl an Fingerfood. Wer Baby-led Weaning umsetzen möchte, gibt dem Kind mehr Entscheidungsfreiheit, muss jedoch umso genauer darauf achten, dass es ausreichend isst und genug Nährstoffe aufnimmt. Zudem sollte die Verschluckungsgefahr bei ganzen Nüssen, Beeren, Trauben, Hülsenfrüchten, rohen Apfelstücken, rohem hartem Gemüse und ähnlichen Lebensmitteln beachtet werden. Stückige Nahrung und Breikost schließen sich nicht aus, sondern können gut miteinander kombiniert werden.
Die Komponenten des veganen Beikosttellers
Muttermilch (Formulanahrung)
Keine Beikost ohne Muttermilch oder Säuglingsmilch – daher steht sie im Zentrum des veganen Beikosttellers. Sie versorgt das Baby mit allen essentiellen Vitaminen und Mineralstoffen sowie Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett in der richtigen Zusammensetzung. Auch bedingt essentielle Nährstoffe, die der erwachsene Mensch nicht von außen zuführen muss, der Säugling jedoch noch nicht ausreichend selbst bilden kann, sind in Muttermilch enthalten. Dazu zählen bestimmte Aminosäuren sowie Arachidonsäure, Taurin und Cholin. Es ist sinnvoll, bei der Auswahl von Formulanahrung darauf zu achten, dass auch diese Nährstoffe enthalten sind. Der Anteil an Muttermilch (bzw. Formulanahrung) hängt vom Alter des Kindes ab: In den ersten Beikostwochen stellt sie den Großteil der Nährstoffversorgung sicher. Je älter das Kind wird, desto wichtiger wird auch die Versorgung mit essentiellen Nährstoffen über Lebensmittel.
Gemüse und Obst
Gemüse und Obst nehmen einen wichtigen Part auf dem veganen Beikostteller ein, denn sie liefern viele Vitamine und Mineralstoffe. Die Devise lautet: möglichst frisch, saisonal, regional, bunt und abwechslungsreich sowie schonend zubereitet. Für die erste Breikost ist Karotte eine gute Wahl, aber auch andere milde und leicht süßliche Gemüsesorten wie Kürbis, Süßkartoffel, Pastinake und Zucchini sind sehr gut geeignet. Zunehmend können weitere Sorten wie Fenchel, Karfiol, Brokkoli, Kohlrabi und Spinat eingeführt werden. Als Obst eignen sich für den Anfang milde Sorten mit wenig Säure wie Äpfel, Bananen, Birnen und Zwetschken, aber auch Avocado. Im Sinne der Allergieprävention ist es sinnvoll, möglichst früh möglichst viele verschiedene Lebensmittel einzuführen, weshalb die Gemüsesorten gern alle 1–2 Tage variiert werden können. Wer sich für Fingerfood entscheidet, bietet idealerweise gedünstetes Gemüse in Stücken wie Karotte und Zucchini sowie weiches Obst wie Banane und Birne an.
Getreide und stärkehaltige Produkte
Haferflocken, Hirseflocken und Kartoffeln eignen sich besonders gut für den Beikoststart, da sie sowohl nährstoffreich als auch gut verträglich sind. Aber auch Grieß aus Dinkel oder Weizen sowie Polenta sind eine gute Wahl. Ebenso können Reis, Nudeln und andere Getreideprodukte zu Brei verarbeitet werden. Weiche Nudeln eignen sich zudem als Fingerfood. Der Vollkornvariante sollte jeweils der Vorzug gegeben werden, denn sie liefert viele Mineralstoffe wie Eisen, Zink und Magnesium sowie einige B-Vitamine.
Hülsenfrüchte und Produkte daraus
Rote Linsen werden geschält verkauft und sind daher oft besser verträglich als andere Hülsenfrüchte. Daher eignen sie sich besonders gut für die Beikost. Aber auch andere pürierte Hülsenfrüchte wie Bohnen und Kichererbsen sowie naturbelassener Tofu können püriert im Brei verarbeitet werden. Tofustücke eignen sich zudem sehr gut als Fingerfood. Hülsenfrüchte liefern viel Protein inklusive der unentbehrlichen Aminosäure Lysin und außerdem viele Mineral- und Ballaststoffe.
Nüsse, Samen und Öle
Als Fettquellen sind Rapsöl, Leinöl und insbesondere mit Algenöl versetztes Leinöl ratsam, da sie eine gute Quelle für Omega-3-Fettsäuren darstellen, aber auch Muse aus Nüssen, Samen und Kernen können sehr gut eingesetzt werden. Neben wertvollen Fettsäuren liefern diese auch wichtige Mineralstoffe wie Eisen und Zink. Aufgrund ihres milden Geschmacks sind weißes Mandel- und Cashewnussmus für den Anfang empfehlenswert. Wegen der Erstickungsgefahr dürfen Kinder in diesem Alter keine ganzen Nüsse bekommen. Nussmuse und -mehle sowie fein gemahlene Nüsse, Samen und Kerne sind jedoch eine gute Alternative. Nüsse, Samen, Kerne und hochwertige Pflanzenöle versorgen mit Energie und ungesättigten Fettsäuren. Nüsse, Samen und Kerne liefern darüber hinaus Protein, verschiedene Mineralstoffe wie Eisen, Kalzium und Zink sowie Vitamin E und sekundäre Pflanzenstoffe.
Getränke
Zusätzliche Getränke sind notwendig, wenn bereits drei Milchmahlzeiten ersetzt werden. Am besten eignen sich Wasser und ungesüßter Tee.
Braucht mein Kind während der Beikost Supplemente?
Ja, Nahrungsergänzungsmittel sind für den Säugling notwendig. Während alle – also auch omnivore – Kinder bereits ab der Geburt ein Vitamin-D-Supplement sowie während der ersten Lebenswochen Vitamin K bekommen, sollte veganen Säuglingen ab dem Beikoststart zusätzlich Vitamin B12 gegeben werden. Weitere Supplemente können darüber hinaus sinnvoll sein. Präparate in flüssiger Darreichungsform wie Tropfen und Sprays sind für Babys am besten geeignet. Kapseln oder feste Tabletten sollten aufgrund der Verschluckungsgefahr immer pulverisiert werden.
- Vitamin B12 muss unbedingt supplementiert werden, da ein Mangel zu gravierenden Entwicklungsstörungen führen kann. Im Alter von 6 Monaten bis zu 4 Jahren ist ein Präparat mit einer Dosierung von 5 µg pro Tag sinnvoll, wie es die Italian Society of Human Nutrition empfiehlt (Agnoli et al. 2017). Welche Supplemente in Frage kommen, haben wir in unserer kostenlosen Online-Broschüre „Nahrungsergänzungsmittel: Vegane Säuglinge und Kinder“ zusammengefasst.
- Vitamin D sollten Kinder in jedem Fall bis zum zweiten erlebten Frühsommer in der Höhe von 400 bis 500 Internationalen Einheiten (entspricht 10–12,5 µg) in Form eines Nahrungsergänzungsmittels erhalten (Koletzko et al. 2016). Ab 12 Monaten ist eine Zufuhr von 20 µg sinnvoll. Je nach Sonnenexposition kann Vitamin D zwischen April und Oktober auch selbst gebildet werden. Eine adäquate Versorgung ist im Kindesalter besonders wichtig, damit ein guter Knochenaufbau möglich ist. Mögliche Supplemente gibt es ebenfalls in der Online-Broschüre „Nahrungsergänzungsmittel: Vegane Säuglinge und Kinder“.
- Jod ist für eine gesunde Gehirnentwicklung und das Wachstum unerlässlich. Ein Mangel kann im Säuglings- und Kleinkindalter zu körperlichen und neuronalen Entwicklungsstörungen sowie einer verminderten kognitiven Leistungsfähigkeit führen. Nori-Algen sind reichhaltige Quellen. Sie können in Form von Flocken in der Beikost eingesetzt werden, allerdings sollte sehr genau auf die richtige Dosierung geachtet werden. Kinder im Alter zwischen 4 und 12 Monaten sollten laut DGE-/ÖGE-Referenzwerten 80 µg Jod pro Tag zu sich nehmen, 1- bis 4-jährige Kinder 100 µg (DGE & ÖGE 2024). In der Regel enthält 1 g Nori-Alge 50–80 µg Jod, die Packungsangabe sollte jedoch immer beachtet werden. Aufgrund der Schwankungen im Jodgehalt und einer potentiellen Schwermetallbelastung kann stattdessen eine Jodsupplementierung sinnvoll sein (s. Online-Broschüre „Nahrungsergänzungsmittel: Vegane Säuglinge und Kinder“).
- Docosahexaensäure (DHA) ist eine langkettige Omega-3-Fettsäure, die für die Entwicklung von Gehirn und Augen notwendig ist. Der Körper kann sie selbst aus der Vorstufe Alpha-Linolensäure herstellen, die unter anderem in Lein- und Rapsöl enthalten ist. Direkt zugeführt werden kann sie in Form von Algenöl oder durch mit Algenöl angereichertes Leinöl. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt Kindern bis zu einem Alter von 2 Jahren eine Zufuhr von 100 mg DHA und Eicospaentaensäure (EPA) pro Tag. (DRV, EFSA) ÖGE und DGE empfehlen in ihren Referenzwerten hingegen lediglich die Zufuhr von Alpha-Linolensäure (DGE & ÖGE 2024). Auch für die Zufuhr von Algenöl findet sich eine Auswahl inklusive Dosierungsempfehlungen in der Online-Broschüre „Nahrungsergänzungsmittel: Vegane Säuglinge und Kinder“.
- Das „Netzwerk Gesund ins Leben“ empfiehlt die Gabe von Fluorid zur Kariesprophylaxe bei allen Säuglingen, sofern das Trinkwasser keine hohen Werte aufweist
- Da Selen in den meisten Lebensmitteln nur in geringer Menge enthalten ist, kann eine Supplementierung möglicherweise sinnvoll sein.
Das Multinährstoffpräparat „VEG1 Baby and Toddler“ für Kinder im Alter von 6 Monaten bis 4 Jahren ist in unserem VEGAN.AT-Shop erhältlich. Es enthält die potentiell kritischen Nährstoffe Vitamin B12, Vitamin D, Jod und Selen.
Was gilt es außerdem zu beachten?
Einige Nährstoffe können ausreichend über Lebensmittel aufgenommen werden, jedoch sollten entsprechende Quellen bewusst in die Ernährung eingebaut werden. Je geringer der Anteil an Muttermilch (Formulanahrung) und je höher der Anteil an fester Nahrung wird, desto wichtiger wird es, auf die Zufuhr dieser Mikronährstoffe zu achten.
- Eisen: Muttermilch enthält nur wenig Eisen, wenn auch mit einer guten Bioverfügbarkeit. Der Fötus speichert den Mineralstoff während der Schwangerschaft in der Leber, wodurch das Kind während der ersten 4–6 Lebensmonate gut versorgt ist. Ab dem 7. Lebensmonat sollte gezielt auf Eisenquellen geachtet werden. Dafür eignen sich unter anderem Hirse, Hafer und Hülsenfrüchte gut, aber auch grüne Gemüsesorten wie Brokkoli und Fenchel. Um die Eisenabsorption zu optimieren, sollten gleichzeitig auch Vitamin-C-haltiges Obst oder Gemüse gegeben werden. Getreide und Hülsenfrüchte sollten vor dem Kochen bzw. Verzehr eingeweicht werden. Hilfreich sind zudem Garen und Pürieren. Kindern im Alter zwischen 4 und 12 Monaten wird eine Zufuhr von 11 mg pro Tag empfohlen, ab einem Jahr sind es hingegen nur noch 7 mg pro Tag (DGE & ÖGE 2024).
- Kalzium: Muttermilch, Formulanahrung und angereicherte Pflanzendrinks sind sehr gute Kalziumquellen. Ebenso enthalten Tofu und grüne oxalatarme Gemüsesorten wie Brokkoli und Fenchel größere Mengen. Auch kalziumreiches Mineralwasser, Nüsse, Samen und Muse daraus sowie Hülsenfrüchte können zur Versorgung beitragen. Während Kinder im Alter zwischen 4 und 12 Monaten 330 mg pro Tag aufnehmen sollten, wird 1–4-jährigen Kindern eine Zufuhr von 600 mg pro Tag empfohlen (DGE & ÖGE 2024).
- Zink: Nüsse, Samen, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte sind gute Quellen für Zink. Auch hierbei können Küchentechniken wie Einweichen und Garen dabei helfen, die hemmend wirkende Phytinsäure abzubauen. Zudem wird die Absorption durch Zitronensäure, die in vielen Obst- und Gemüsesorten vorkommt, verbessert. Für Kinder im Alter zwischen 4 und 12 Monaten werden 2,5 mg, im Alter von 1 bis 4 Jahren 3 mg empfohlen (DGE & ÖGE 2024). Zink ist unter anderem wichtig für das Wachstum, die Immunabwehr und die Wundheilung.
- Vitamin B2: Hefeflocken, Mandeln, Vollkorngetreide, Pilze, Cashewnüsse und Samen sowie Brokkoli und Grünkohl sind gute Quellen. Vitamin B2 ist unter anderem notwendig für den Energiestoffwechsel.
Beispielrezepte für vegane Breikost:
Gemüse-Kartoffel-Mus
- 50 g Kartoffeln
- 100 g Gemüse (z. B. Karotten)
- 1 EL Haferflocken, Hirseflocken oder rote Linsen
- 1 EL Rapsöl oder Leinöl mit DHA/EPA
- 1 Messerspitze Noriflocken
Obst-Getreide-Brei
- 1 gehäufter EL Haferflocken
- 50 ml Wasser
- 100–150 g Obst (z. B. Birne)
- 1 TL Rapsöl, weißes Mandelmus oder Cashewmus
Diese und viele weitere Rezepte für Breikost gibt es in dem Buch „Vegane Ernährung. Schwangerschaft, Stillzeit und Beikost. Mutter und Kind gut versorgt“ von Dr. Markus Keller und Edith Gätjen.
Quellen:
Agnoli C, Baroni L, Bertini L, Ciapellano S, Fabbri A, Papa M, Pellegrini N, Sbarbati R, Scarino ML, Siani, V et al. (2017). Position paper an vegetarian diets from the working group of the Italian Society of Human Nutrition. Nutr. Metab. Cardiovasc. Dis 27,1037-1052.
Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Österreichische Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Bonn, 2. Auflage, 8. aktualisierte Ausgabe (2024)
European Food Safety Authority: Dietary Reference Values for the EU. https://multimedia.efsa.europa.eu/drvs/index.htm Letzter Zugriff: 28.05.2024
Keller Markus, Gätjen Edtih (2021): Vegane Ernährung. Schwangerschaft, Stillzeit und Beikost. Mutter und Kind gut versorgt. 2. Auflage, Verlag Eugen Ulmer.
Koletzko B, Bauer CP, Cierpka M, Cremer M, Flothkötter M, Graf C, Heindl I, Hellmers C, Kersting M, Krawinkel M, Przyrembel H, Vetter K, Weißenborn A, Wöckel A (2016). Ernährung und Bewegung von Säuglingen und stillenden Frauen. Aktualisierte Handlungsempfehlungen von „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“, eine Initiative von IN FORM. Monatsschrift Kinderheilkunde 164 (9): 765-789.