Vitamin B12: Versorgung bei veganer Ernährung

Vitamin B12: Versorgung bei veganer Ernährung

07.12.2022

Während die meisten Vitamine und Mineralstoffe in der veganen Ernährung besonders reichlich enthalten sind, verdient ein Vitamin spezielle Aufmerksamkeit: Das von Mikroorganismen gebildete Vitamin B12 kommt in pflanzlichen Lebensmittel kaum vor. Darum ist es wichtig, dass Veganer:innen bewusst auf eine ausreichende Zufuhr achten.

Gut geplante vegane Ernährung ist gesund

Eine gut geplante vegane Ernährung ist gesund, bietet Vorteile bei der Prävention und Behandlung bestimmter Krankheiten und ist für Menschen in jeder Lebensphase geeignet, schreibt die Academy of Nutrition and Dietetics, die größte Fachgesellschaft für Ernährung, in ihrem Positionspapier zu vegetarischen Ernährungsformen (Melina et al. 2016). Gut geplant bedeutet, sich vielfältig auf der Basis von viel frischem Gemüse und Obst, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, Nüssen und Ölsaaten sowie hochwertigen Ölen zu ernähren. Damit ist man nicht nur mit ausreichend Eiweiß sowie vielen lebensnotwendigen Vitaminen und Mineralstoffen gut versorgt, sondern nimmt auch zahlreiche gesundheitsfördernde Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe auf. Gut geplant bedeutet für die Academy of Nutrition and Dietetics aber auch, gezielt auf die ausreichende Versorgung mit Vitamin B12 zu achten und Nahrungsergänzungsmittel (sog. „Supplemente“) oder angereicherte Lebensmittel zu sich zu nehmen. Der essentielle Nährstoff kommt nämlich nicht in relevanter Menge in pflanzlichen Lebensmitteln vor.

Was ist Vitamin B12?

Vitamin B12 ist ein komplexes Molekül, das zur Gruppe der Cobalamine gezählt wird. Diese enthalten ein Corringerüst sowie Cobalt als Zentralatom. An das Cobaltatom sind wiederum unterschiedliche Molekülreste, sogenannte Liganden, gebunden. Je nach Ligand entstehen verschiedene Cobalalminarten, beispielsweise Cyanocobalamin, Methylcobalamin, Hydroxocobalamin oder auch Adenosyl-Cobalamin. Während Cyanocobalamin eine synthetische Form darstellt, kommen die anderen genannten Cobalaminarten natürlich vor. Im menschlichen Körper als Coenzyme wirksam sind Methyl- und Adenosylcobalamin. Die anderen Cobalaminformen können jedoch im Körper in die beiden aktiven Formen umgewandelt werden. Auch weitere Veränderungen am Corringerüst sind möglich, wie etwa zusätzliche Seitenketten an anderer Stelle oder auch fehlende Komponenten. In diesem Fall handelt es sich um kein wirksames Vitamin B12, sondern um inaktive Analoga.
Cyanocobalamin

Funktionen im Körper

Als Cofaktor von Enzymen ist Vitamin B12 an verschiedenen biochemischen Reaktionen im Körper beteiligt. Es trägt dazu bei, dass die Aminosäure Homocystein abgebaut wird sowie Methylmalonsäure und Leucin umgewandelt werden. Vereinfachend zusammengefasst ist das Vitamin wichtig für die DNA-Synthese und die Zellteilung, für die Bildung der roten Blutkörperchen und die Gesunderhaltung des Nervensystems.

Symptome eines Mangels

Eine Unterversorgung kann somit zu einer Form von Blutarmut, der sogenannten megaloblastären Anämie, führen. Die roten Blutkörperchen sind dabei abnorm vergrößert und es kommt zu Symptomen wie blasser Haut, Schleimhautstörungen, Schwäche, Konzentrationsstörungen und Müdigkeit.

Gravierender als die Symptome der gestörten Blutbildung sind jedoch die Schädigungen des zentralen Nervensystems. Neben Sensibilitätsstörungen wie einem „Ameisenkribbeln“ an Händen und Füßen kann es zur Reflex- und Bewegungsschwäche, zu Störungen der Bewegungskoordination und auch psychiatrischen Störungen wie Verwirrung, Halluzination, Gedächtnisstörungen bis hin zu Psychosen kommen. Auch Lähmungserscheinungen können entstehen. Diese Symptome sind zum Teil irreversibel, können also auch durch eine hohe Vitamingabe nicht rückgängig gemacht werden, wenn sie erst einmal vorhanden sind.

Auftreten können die beiden Symptomgruppen unabhängig voneinander. Die neurologischen Symptome zeigen sich bei Erwachsenen oft erst nach mehreren Jahren – teilweise dauert es 20 Jahre oder sogar noch länger. Problematisch ist hierbei jedoch, dass die Symptome einer Anämie durch eine hohe Zufuhr an Folsäure, die in pflanzlichen Lebensmitteln viel vorkommt, kaschiert werden können. Gleichzeitig schreiten aber die irreversiblen neurologischen Veränderungen fort, sodass es ohne Vorwarnung zu bleibenden Schäden am zentralen Nervensystem kommen kann. Ganz besondere Vorsicht ist bei Säuglingen und kleinen Kindern geboten. Sie reagieren sehr sensibel auf einen Vitamin-B12-Mangel und es können Entwicklungsstörungen und Nervenschäden entstehen.

Außerdem erhöht sich durch einen Vitamin-B12-Mangel der Homocystein-Spiegel, der wiederum die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen kann.

Vitamin-B12-Mangel bei omnivorer Ernährung

Ein Mangel an Vitamin B12 wird häufig mit veganer Ernährung in Verbindung gebracht. Tatsächlich tritt ein Mangel aber auch bei Fleischesser:innen, insbesondere im höheren Alter, häufig auf. Untersuchungen, die im Österreichischen Ernährungsbericht 2012 veröffentlicht wurden, haben gezeigt, dass rund 20 % aller älteren Menschen in Österreich einen zu niedrigen Vitamin-B12-Spiegel haben (Elmadfa 2012). Dies kann einen schnelleren Abfall der Gedächtnisleistung und möglicherweise auch ein höheres Demenzrisiko verursachen. Grund hierfür ist oft eine Gastritits (Magenschleimhautenzündung), die dazu führt, dass der für die aktive Absorption notwendige „Intrinsic Factor“ nicht mehr gebildet werden kann. Der Österreichische Ernährungsbericht 2017 zeigte zudem, dass 28 % der teilnehmenden Erwachsenen die empfohlene Vitamin-B12-Zufuhr nicht erreichten (Rust et al. 2017).

Aufnahme im Körper

Der menschliche Körper hat verschiedene Möglichkeiten, das Vitamin aus der Nahrung aufzunehmen. Die wichtigste Form ist die bereits genannte aktive Absorption: Meist ist Vitamin B12 in der Nahrung an Proteine gebunden. Von diesen wird es im Magen durch spezielle Enzyme getrennt, dann an ein Transportprotein namens Haptocorrin gebunden und in den Dünndarm transportiert. Ebenfalls im Magen gebildet wird der Intrinsic Factor, ein weiteres Transportmolekül. Dieses verbindet sich im Dünndarm mit Vitamin B12 und transportiert es zu den speziellen Rezeptoren in der Darmschleimhaut, durch welche das Vitamin in die Schleimhautzellen gelangt. Über diese aktive Absorption können maximal 1,5 µg pro Mahlzeit oder Vitamingabe aufgenommen werden, da die Menge der Rezeptoren begrenzt ist.

Eine zweite Aufnahmeform stellt die passive Diffusion dar: Unabhängig vom Intrinsic Factor diffundiert ca. 1 % der aufgenommen Vitamin-B12-Dosis in die Schleimhautzellen. Da der Prozentsatz jedoch sehr niedrig ist, können über die passive Diffusion nur bei hohen Dosen relevante Mengen aufgenommen werden. Außerdem kann ungebundenes Vitamin B12auch über die Mundschleimhaut aufgenommen werden.

Zufuhrempfehlungen

Der Schätzwert für eine angemessene Zufuhr beträgt laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) für Erwachsene 4 µg pro Tag. Dieser Wert basiert auf der Annahme, dass mehrmals pro Tag kleine Mengen an Vitamin B12 über die Nahrung aufgenommen werden. Aufgrund der begrenzten aktiven Absorption von 1,5 - 2 µg pro Mahlzeit muss der Körper bei einmaliger Supplementierung pro Tag auf die passive Diffusion zurückgreifen. Da hierbei nur 1 - 2 % absorbiert werden, sollte die zugeführte Dosis deutlich höher liegen, nämlich mindestens 25 µg betragen. Erfolgt die Supplementierung hingegen nur einmal pro Woche, sollten es mindestens 1.250 µg sein.

Vitamin B12 in pflanzlichen Lebensmitteln

Vitamin B12 wird immer von Mikroorganismen gebildet. Vitamin B12 produzierende Bakterien kommen im Darm bestimmter Tiere vor, aber auch in der Erde und in kontaminiertem Wasser. In Lebensmitteln ist das Vitamin nur in Tierprodukten wie Fleisch, Milch und Eiern in relevanter Menge vertreten. Pflanzliche Lebensmittel, über die berichtet wurde und teils immer noch wird, dass sie Quellen für Vitamin B12 darstellen, enthalten meist großteils bis ausschließlich die bereits oben erwähnten inaktiven Vitamin-B12-Analoga. Grund für die Fehleinschätzungen war und ist die Anwendung ungenauer Messmethoden, die häufig auch heute noch eingesetzt werden.

Größere Mengen an Vitamin B12 wurden nur in manchen Untersuchungen von den Algen Nori und Chlorella gefunden. Die Schwankungen im Gehalt waren jedoch sehr groß und teilweise lagen auch große Mengen an Analoga vor. Bisherige Tests am Menschen weisen darauf hin, dass Nori auch bei hohen Verzehrsmengen nicht ausreichend Vitamin B12 liefert, um den menschlichen Bedarf zu decken. Bei der Blaualge Spirulina handelt es sich ebenfalls großteils um Analoga.

Sehr kleine Mengen an Vitamin B12 konnten auch in fermentierten Produkten wie Sauerkraut oder Tempeh nachgewiesen werden. Diese Mengen reichen jedoch nicht aus, um den Bedarf zu decken. Es ist unklar, ob und in welchem Ausmaß B12 durch symbiotische Bakterien, bakterielle Verunreinigungen oder Verunreinigungen mit Exkrementen sowie Insekten in bestimmte pflanzliche Lebensmittel gelangt. Aufgrund der in der Regel sehr geringen und vor allem auch nicht vorhersagbaren Mengen stellen die genannten pflanzlichen Lebensmittel keine ernstzunehmende Quelle für Vitamin B12 dar.

Versorgung bei veganer Ernährung

In den meisten Studien weisen Veganer:innen einen im Durchschnitt niedrigeren Vitamin-B12-Status auf als Allesesser:innen (Elmadfa & Singer 2009). So lagen auch in einer österreichischen Studie aus dem Jahr 2006 die Plasmaspiegel der teilnehmenden 42 Veganer:innen bei 203.2 ± 101.5 pmol/Liter, während sie bei den 40 Omnivor:innen 251.5 ± 83 pmol/L betrugen. Die Homocysteinspiegel waren hingegen bei den Veganer:innen am höchsten (Majchrzak et al. 2006). Viele kleinere Studien aus anderen Ländern zeigen ähnliche Ergebnisse. Zu den zwei größten Studien, die bisher mit Veganer:innen durchgeführt wurden, zählt die EPIC-Oxford-Studie aus England. In einer ihrer Auswertungen mit insgesamt 689 Teilnehmer:innen hatten 52 Prozent der Veganer:innen und 7 Prozent der Ovo-Lakto-Vegetarier:innen einen Vitamin-B12-Serumwert unterhalb des Normbereichs. Bei den Mischköstler:innen waren es hingegen nur 0,5 Prozent (Gilsing et al. 2010).

Andererseits zeigen Studien, dass eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B12 auch bei veganer Ernährung problemlos möglich ist. Bei einer tschechischen Studie wurden die 236 Teilnehmer:innen in vier Gruppen eingeteilt: Veganer:innen, die regelmäßig Vitamin B12 supplementierten; Veganer:innen, die unregelmäßig supplementierten; Veganer:innen, die gar nicht supplementierten und Allesesser:innen. Dabei war ein großer Unterschied zwischen den verschiedenen Gruppen erkennbar. Veganer:innen, die regelmäßig Vitamin B12 als Nahrungsergänzungsmittel einnahmen, hatten einen Vitamin-B12-Spiegel, der mit jenen von Mischköstler:innen vergleichbar war. Am niedrigsten waren hingegen die Spiegel bei jenen Veganer:innen, die gar nicht supplementierten. Dies betraf sowohl die Vitamin-B12-Werte im Serum als auch Holotranscobalamin.

Die Empfehlung lautet daher ganz klar, dass Vitamin B12 bei einer veganen Ernährung prinzipiell in Form von Nahrungsergänzungsmitteln oder vergleichbaren Alternativen supplementiert werden sollte. Eine regelmäßige Überprüfung der Blutwerte zur Anpassung der individuellen Dosierung ist empfehlenswert.

Vegane Alternativen

Um eine ausreichende Nährstoffversorgung zu gewährleisten, eignen sich für Veganer:innen in erster Linie Nahrungsergänzungsmittel. Es gibt mittlerweile eine große Auswahl an veganen Produkten, die große Unterschiede in der Dosierung aufweisen. Supplemente mit 1 µg sind genauso erhältlich wie solche mit 1.000 µg oder sogar noch deutlich mehr. Während bei 1 µg aktiv mit Hilfe des sog. Intrinsischen Faktors absorbiert wird und die passive Diffusion keine Rolle spielt, erfolgt die Aufnahme bei großen Mengen  fast ausschließlich über die passive Diffusion. Nimmt man ein Supplement mit 1.000 µg ein, werden davon ca. 1,5 µg aktiv absorbiert, aber 1 - 1,5 %, also 10 - 15 µg, diffundieren passiv. Somit werden insgesamt ca. 11 - 16,5 µg aufgenommen. Die Einnahmehäufigkeit muss also an die Dosierung angepasst werden.

Dosierungsempfehlungen

  • Zweimal täglich ca. 5 – 10 µg oder 
  • Einmal täglich 25 – 100 µg oder 
  • Zweimal wöchentlich 500 – 1.000 µg 
  • Einmal wöchentlich 1.250 – 2.000 µg 

Empfehlenswerte Nahrungsergänzungsmittel sind beispielsweise:

  • BjökoVit: verschiedene Produkte, Onlineversand
  • Plantrition: verschiedene Produkte, Onlineversand
  • Naturtreu: verschiedenen Produkte, Onlineversand
  • Innonature Vitamin B12 Tropfen: verschiedene Produkte, Onlineversand
  • Watson Nutrition: verschiedene Produkte, Onlineversand
  • Vivo Life: Vivo Life, Maran Vegan oder Onlineversand 
  • Jarrow: verschiedene Produkte, Maran Vegan oder Onlineversand 
  • Pure Encapsulations: verschiedene Produkte, erhältlich in vielen Apotheken 
  • Nica pur: Vitamin B12 500, erhältlich in einigen Apotheken 
  • Solgar: Vitamin B12 1000 µg Apotheke zur Kaiserkrone oder Onlineversand 
  • VEG 1: vegan.at-Shop, vegane Läden und Onlineversand 

Weitere Möglichkeiten für die B12-Versorgung

Mit Vitamin B12 angereicherte Zahnpasta wie beispielsweise die Vitamin-B12-Zahncreme von Santé stellt eine gute Alternative dar, sich ausreichend zu versorgen. Hierbei wird der Nährstoff großteils über die Mundschleimhaut absorbiert und gut vom Körper aufgenommen. Für diese Variante muss kein Intrinsischer Faktor gebildet werden, weshalb sie auch für Menschen mit Absorptionsstörungen geeignet ist. Laut einer Wirksamkeitsstudie kann die ausschließliche Verwendung der Zahncreme zu einer deutlichen Verbesserung des Vitamin-B12-Status führen (Siebert et al. 2017). Sie ist in Bioläden, Reformhäusern und veganen Läden erhältlich.

Außerdem besteht die Möglichkeit, auf intramuskulär (in den Muskel) oder subkutan (unter die Haut) verabreichte Spritzen zurückzugreifen. Diese werden insbesondere dann bevorzugt, wenn die Körperspeicher schnell aufgefüllt werden sollen, können aber auch längerfristig als alleinige B12-Quelle dienen.

Methyl- oder Cyanocobalamin?

Cyanocobalamin besitzt eine hohe chemische Stabilität und hat sich daher schon seit langer Zeit in der Prävention und Behandlung eines Vitamin-B12-Mangels bewährt. Dem entgegen führen viele Internetseiten an, dass Methylcobalamin zu bevorzugen sei, da Cyanocobalmin erst vom Körper umgewandelt werden müsse und es Cyanid enthalte.

Schaut man sich die Stoffwechselvorgänge im Körper genauer an, wird schnell ersichtlich, dass Methylcobalamin keinen Vorteil hinsichtlich der Umwandlung bringt: Bei jeder Art von zugeführtem Vitamin B12 wird der Ligand (also z. B. der Methyl- oder Cyanidrest) nach dem Eintritt in die Zelle zunächst abgespalten. Erst in einem weiteren Schritt wird eine Methyl- oder Adenosylgruppe angehängt, um die Coenzyme zu bilden.

Auch in Bezug auf das enthalte Cyanid kann entwarnt werden: Zwar handelt es sich hierbei tatsächlich um eine toxische Substanz, allerdings ist die Dosis so gering, dass sie für eine 50 kg schwere Person bei einer hohen Zufuhrmenge von 1000 µg pro Tag nur 0,8 Prozent des ADI-Werts (Acceptable Daily Intake) beträgt – dieser gibt an, welche Menge ein Leben lang täglich aufgenommen werden kann, ohne dass ein gesundheitliches Risiko besteht.

Nur in wenigen Ausnahmefällen ist eine andere Cobalaminart als Cyanocobalamin, wie beispielsweise Methylcobalamin, zu bevorzugen: Bei seltenen Erkrankungen mit einer Störung des Cyanid-Stoffwechsels wie chronischen Nierenerkrankungen und der Leber’schen Optikusatrophie sollte Cyanocobalmin zur Sicherheit nicht verwendet werden.

Bestimmung der Vitamin-B12-Versorgung

Empfehlenswert ist eine regelmäßige Statusüberprüfung in Form eines Bluttests mindestens alle 2–3 Jahre. Der Standard-Vitamin-B12-Wert im Serum reicht hierfür bei geringeren Werten nicht aus, da es sich um einen späten, relativ unsensiblen und unspezifischen Parameter handelt. Der Großteil des gemessenen Vitamins B12 ist dabei an das Transportprotein Haptocorrin gebunden und somit nicht wirksam. Verschiedene weitere Werte können zur Diagnostik herangezogen werden, die vor allem in Kombination verlässliche Auskunft bieten: Die aktive Form Holo-Transcobalamin II (holo-TC) kann als frühester Biomarker bei einem Absinken als Erstes auf ein Vitamin-B12-Defizit hinweisen und ist daher zu bevorzugen. Der funktionale Marker Methylmalonsäure (MMA) steigt an, wenn die B12-Speicher leer sind.

Hinweise auf einen Mangel geben nach Herrmann und Obeid folgende Werte:

  • Holotranscobalamin (holo-TC): < 35 pmol/l 
  • Methylmalonsäure (MMA): > 271 nmol/l 

Ist eine Überdosierung von Vitamin B12 möglich?

Lange Zeit galt eine hohe Vitamin-B12-Zufuhr als gesundheitlich unbedenklich. Noch bis vor wenigen Jahren ging man davon aus, dass in seltenen Fällen Akne als einzige potentielle Nebenwirkung einer sehr hohen Dosis auftreten könnte. Seit einigen Jahren gibt es jedoch zunehmend Hinweise darauf, dass eine Überdosierung mit Vitamin B12 das Wachstum vorhandener Krebszellen beschleunigen könnte. So zeigte die Auswertung der VITAL-Kohorte bei Männern ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko bei der dauerhaften Supplementierung von mehr als 55 µg pro Tag. In diesen Fällen war das Lungenkrebs-Risiko im Vergleich zu Nicht-Anwendern verdoppelt. Bei Rauchern war das Risiko sogar drei- bis viermal so hoch (Brasky et al. 2017). Bestätigt wurde der kausale Zusammenhang einer sehr hohen Vitamin-B12-Supplementation und dem Lungenkrebsrisiko durch eine weitere Studie: Eine Verdoppelung der Vitamin-B12-Konzentration im Blut steigerte das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken um 15 % verglichen mit der Vergleichsgruppe, deren Teilnehmer:innen übliche Vitamin-B12-Konzentrationen im Blut aufwiesen (Fanidi et al. 2019).

Was bedeutet das für die Praxis?

Die Studien zeigen, dass hochdosierte Vitamin-B12-Gaben das Wachstum bereits vorhandener Krebszellen verstärken kann. Sie verursachen jedoch keinen Krebs. Zudem kann man aufgrund der bisherigen Studienergebnisse davon ausgehen, dass eine hohe Vitamin-B12-Supplementierung nur dann problematisch ist, wenn auch die Konzentration im Blut erhöht ist. Serum-Spiegel von mehr als 1.000 ng/l sollten vermieden werden. Da der individuelle Bedarf an Vitamin B12 sehr unterschiedlich ausfallen kann, sind regelmäßige Testungen dringend anzuraten. Für manche Menschen kann, beispielsweise in Folge eines Mangels an Intrisischem Faktor, eine sehr hohe Vitamin-B12-Supplementierung notwendig sein. In diesen Fällen ist die Einnahme unbedenklich und hat keine Auswirkungen auf die Bildung von Krebszellen. Bei anderen Menschen kann die gleiche Menge an Vitamin B12 jedoch zu einer stark erhöhten Blutkonzentration führen. Ein Bluttest hilft dabei, die individuell optimale Dosierung zu finden und liefert somit die Sicherheit, dass Überdosierungen vermieden werden.

Fazit

  • Vitamin B12 ist in pflanzlichen Lebensmitteln nicht in relevanter Menge enthalten. 
  • Eine zuverlässige und ideale Versorgung mit Vitamin B12 bei einer veganen Ernährung kann ganz einfach durch die Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln und gegebenfalls angereicherten Lebensmitteln und/oder angereicherter Zahnpasta und/oder Spritzen sichergestellt werden. 
  • Ein Bluttest sorgt für zusätzliche Sicherheit und hilft dabei, die individuell beste Dosierung zu finden. Serumspiegel unter 200 ng/l sowie über 1.000 ng/l sollten vermieden werden.

Webinar zum Nachschauen

Wir haben ein kostenloses Webinar zum Thema „Vitamin B12: Versorgung bei veganer Ernährung“ entwickelt. Es kann hier nachgesehen werden.

Quellen und weiterführende Literatur

  • Brasky Theodore M; White Emily; Chen Chi-Ling. 2017. Long-Term, Supplemental, One-Carbon Metabolism-Related Vitamin B Use in Relation to Lung Cancer Risk in the Vitamins and Lifestyle (VITAL) Cohort. Journal of Clinical Oncology 35 (30),3440-3448. doi: 10.1200/JCO.2017.72.7735
  • Chang-Claude Jenny, Hermann Silke, Eilber Ursula, Steindorf Karen. 2005. Lifestyle determinants and mortality in German vegetarians and health-conscious persons: results of a 21-year follow-up. Cancer Epidemiology, Biomarkers & Prevention 14 (4), 963-8. doi: 10.1158/1055-9965.EPI-04-0696
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  • Fanidi Anouar; Carreras-Torres Robert; Larose Tricia L; Yuan Jian-Min; Stevens Victoria L; Weinstein Stepanie J; Albanes Demetrius; Prentice Ross; Pettinger Mary; Cai Qiuyin; Blot William J; Arslan Alan A; Zeleniuch-Jacquotte Anne; McCullough Marjorie L; Le Marchand Loic; Wilkens Lynne R; Haiman Christopher A; Zhang Xuehong; Stampfer Meir J; Smith-Warner Stephanie A; Giovannucci Edward; Giles Graham G; Hodge Allison M; Severi Gianluca; Johansson Mikael; Grankvist Kjell; Langhammer Arnulf; Brumpton Ben M; Wang Renwei; Gao Yu-Tang; Ericson Ulrika; Bojesen Stig E; Arnold Susanne M; Koh Woon-Puay; Shu Xia-Ou; Xiang Yong-Bing; Li Honglan; Zheng Wei; Lan Qing; Visvanathan Kala; Hoffman-Bolton Judith; Ueland Per M; Midttun Øvind; Caporaso Neil E; Purdue Mark; Freedman Neal D; Buring Julie E; Lee I.Min; Sesso Howard D; Michael Gaziano J; Manjer Jonas; Relton Caroline L; Hung Rayjean J; Amos Chris I; Johansson Mattias; Brennan Paul; LC3 consortium and the TRICL consortium. 2019. Is high vitamin B12 status a cause of lung cancer? International Journal of Cancer 145 (6),1499-1503. doi: 10.1002/ijc.32033
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