Vorurteile und Argumente gegen Veganismus
Vorurteile und Argumente gegen Veganismus
Aus vielen verschiedenen Gründen müssen sich Veganer:innen immer wieder mit Vorwürfen, Anschuldigungen und Diskussionen vonseiten ihrer omnivoren und auch vegetarischen Mitmenschen herumschlagen. Nicht selten wundert man sich dabei, welche Argumente genannt werden, und würde lieber keine ernsthafte Antwort geben. Nichtsdestotrotz haben wir einige der besten (oder absurdesten) Aussagen gesammelt und Gegenargumente formuliert, die in einem Wortgefecht in dieser oder ähnlicher Form verwendet werden können.
Prinzipiell ist es ein guter Rat, sich zu überlegen, ob eine Diskussion überhaupt sinnvoll ist. Wenn die einzige Absicht des Gegenübers darin besteht, jemanden zu ärgern, und diese Person ein gewisses Amüsement dabei empfindet, ist ein konstruktives Gespräch sowieso nicht möglich. Je mehr man sich selbst darüber ärgert und dadurch angegriffen fühlt, desto mehr geht es auf die eigenen Kosten. Manchmal ist es die beste Lösung, sich einfach umzudrehen und zu gehen oder gekonnt das Thema zu wechseln.
Sollte jedoch die Möglichkeit zu einem konstruktiven Gespräch bestehen, hilft es, die entsprechenden Gegenargumente und Fakten parat zu haben. Im Folgenden haben wir einige gängige Aussagen von omnivoren Mitmenschen nach Kategorien gegliedert und mit möglichen Erwiderungen versehen.
Tradition/Entwicklung des Menschen/Stellung des Menschen
„Was hätten denn die Leute früher gemacht? Die haben Fleisch ja auch gegessen.“
Faktisch ist das nicht ganz richtig. Fleisch war immer ein rares Lebensmittel. Kaum jemand konnte es sich leisten, wenn nicht die eigenen Tiere geschlachtet wurden. Das geschah auch nur sehr selten, die Leute mussten dann lang damit auskommen und haben das gesamte Tier verwertet. Das ist heutzutage aber nicht mehr der Fall. Die Vorstellung, dass die Menschen früher dauernd Fleisch gegessen haben, ist also falsch. Genauso konnten unsere Vorfahr:innen nicht das ganze Jahr über Erdbeeren essen, die wenigsten kannten Orangen, Zitronen oder Bananen; Tomaten und vieles anderes gab es schon gar nicht im Winter. Die meisten Fleischesser:innen haben aber nicht das Bedürfnis, in dieser Hinsicht wie ihre Ahn:innen zu essen. Die heutigen Essgewohnheiten unterscheiden sich also vielfach von früher. Eine fiktive Tradition und Kontinuität als Argument heranzuziehen, ist daher nur romantisierend, aber keinesfalls gerechtfertigt.
„Der Mensch ist nur so intelligent geworden, weil er begonnen hat, Fleisch zu essen.“
Diesem Argument liegt die Auffassung zugrunde, dass ein größeres, besser ausgebildetes Gehirn einen erhöhten Energieverbrauch hat, der nur durch Fleischkonsum gedeckt werden kann. Tatsächlich scheint die Hirnentwicklung des Menschen aber mit der Fähigkeit, stärkehaltige Gemüsesorten und Knollen besser verdauen zu können, zusammenzuhängen. Die Erhöhung der Konzentration des Enzyms Amylase im Speichel und die Entdeckung des Kochens haben zu einer leichteren Verwertbarkeit der Stärke geführt, wodurch die Nährstoffe leichter aufgeschlossen und damit besser verwertet werden konnten. Der Fleischkonsum bei unseren prähistorischen Vorfahr:innen dürfte sogar eher gering gewesen sein, da die Jagd energie- und zeitraubend und selten von Erfolg gekrönt war.
„Beim Menschen haben sich Reißzähne herausgebildet, weil er Fleisch essen muss.“
Es ist jedoch ein Trugschluss, dass vom Gebiss auf die ideale Ernährungsform geschlossen werden kann. Die Ernährungsform hängt nämlich von der Umwelt ab, wodurch schnelle Anpassung notwendig ist, während das Gebiss viel länger braucht, um sich zu verändern. Anatomisch gesehen hat der Mensch keine Reißzähne, sondern Eck- bzw. Fangzähne. Bei Hunde- und Katzenartigen spricht man von Reißzähnen. Übrigens: Gorillas haben dolchartige Fangzähne, sind aber reine Pflanzenfresser:innen.
Veganer:innen sind nicht weltfremd. Wie der Theologe Kurt Remele in seinem Buch „Die Würde des Tieres ist unantastbar“ schreibt, geht es beim Veganismus nicht darum, einer Familie in einem armen Land die letzte Ziege wegzunehmen oder den Menschen in subpolaren Gebieten ihre Nahrung zu verbieten. Es geht darum, dass es in unseren Breiten ohne jegliche Einschränkungen und Mängel ganz leicht möglich ist, auf tierleidfreie pflanzliche Alternativen zurückzugreifen.
Gesundheit/Ernährung
„Vegan ist einseitig und nicht gesund.“
Immer wieder lassen sich Nicht-Veganer:innen darüber aus, dass eine rein vegane Lebensweise ja nicht gesund sein kann. Prinzipiell muss an dieser Stelle gesagt werden: Jede einseitige Ernährungsweise ist nicht gesund. Sowohl Fleischesser:innen als auch Veganer:innen können Mangelerscheinungen bekommen, wenn sie sich nicht ausgewogen ernähren. Deshalb ist es wichtig, sich über den Gehalt von Vitaminen und Mineralstoffen in den Lebensmitteln zu informieren. Auch Eiweiß ist in veganen Lebensmitteln wie Soja, Linsen und anderen Hülsenfrüchten, Amaranth und Quinoa, Haferflocken, Nüssen und Chiasamen ausreichend vorhanden.
„Soja ist ungesund, weil es so viele weibliche Hormone enthält.“
Dahinter verbirgt sich gerade bei Männern oft die Angst, sogenannte man boobs (Männerbrüste) zu bekommen. Hier kann Entwarnung gegeben werden: Entgegen überholter Vermutungen sind die in Soja enthaltenen Phytoöstrogene in normalen Verzehrmengen unbedenklich. (Diese sind übrigens auch in beträchtlicher Menge in Bier enthalten, aber darüber denkt kaum ein:e Fleischesser:in nach.)
„Ohne Fleisch hat man keine Kraft (zum Arbeiten).“
Komisch, dass es dann so viele Hochleistungssportler:innen (Gerlinde Kaltenbrunner, Brendan Brazier, Scott Jurek, Venus Williams, Timo Hildebrand) gibt, die sich entweder ausschließlich oder während Intensivtrainingsphasen vegan ernähren. Wieso sollte eine vegane Ernährungsweise dann nicht für alle Menschen ausreichend Nährstoffe liefern können?
Speisen/Lebensmittel/Kochen
„Veganes Essen schmeckt nach nichts.“
Dieses Argument hat dann seine Richtigkeit, wenn man von dem Gemüse, das im Wirtshaus meist serviert wird, ausgeht. Das ist nämlich – wenn überhaupt – nur gesalzen. Solche Beilagen sind im Großteil der Fälle eher geschmacklos. Anders sieht es aber mit veganen Speisen von gekonnten Köch:innen aus. Diese werden einerseits so zubereitet, dass der natürliche Eigengeschmack der Zutaten unterstrichen wird, andererseits kommen wohlschmeckende Gewürze zum Einsatz, die das vegane Gericht verfeinern. Wer findet, dass veganes Essen nach nichts schmeckt, sollte sich mal von einer Person einladen lassen, die gut vegan kochen kann. Nicht veganes Essen schmeckt ebenfalls nach nichts, wenn der:die Koch:Köchin nicht weiß, wie etwas zubereitet werden muss.
Viele köstliche Rezepte finden sich in unserer VEGAN.AT-Rezeptdatenbank und in den von uns rezensierten Kochbüchern. Genauso gibt es unterwegs eine Vielzahl an Möglichkeiten, lecker speisen zu können. Beim Finden eines Lokals hilft unsere Restaurantsuche.
„Veganer:innen sollen keinen Fleischersatz essen, wenn sie schon auf Fleisch verzichten wollen.“
Meist folgt dann noch, dass es unnatürlich wäre, Fleischersatzprodukte in Würstel- oder Schnitzelform herzustellen bzw. sie wie Fleisch zuzubereiten. Dabei wird gern vergessen, dass Würstel ebenso wenig die natürliche Form von Fleisch sind – das sind nämlich Tiere.
„Vegane Produkte sind immer stark verarbeitet und unnatürlich.“
Die Antwort: „Lies mal nach, was alles in Wurst enthalten ist.“ Selbstverständlich bedeutet vegan nicht gleich gesund. Fertiggerichte und industriell hergestellte Lebensmittel unterscheiden sich zwar in ihrem Verarbeitungsgrad, doch das trifft ebenso auf nicht vegane Gerichte zu. Wer sich bewusst ernähren will, sollte immer die Augen offen halten, Zutatenlisten lesen und stark verarbeitete sowie Fertigprodukte nur in Maßen genießen.
Tierhaltung
„Kühe müssen gemolken werden.“
Interessant ist, wie viele Menschen der Meinung sind, dass man Tieren einen Gefallen tut, wenn man sie melkt, ihnen die Eier wegnimmt, sie für Wolle schert und ihren mühsam gesammelten Honig, also ihr Nahrungsmittel, stiehlt. Aus diesem Grund fallen viele beliebte Argumente in diese Bereiche. Dabei gilt es jedoch zu bedenken: Genauso wie eine Frau ist eine Kuh nicht dafür gemacht, ununterbrochen Milch zu geben. Hennen werden hochgezüchtet, um so viele Eier wie möglich zu legen. Keine Vogelart, auch keine wildlebenden Hühner produzieren so viele Eier – das ist nicht natürlich. Genauso ergeht es Schafen. Und wie soll es gerecht sein, Bienen ihren Honig zu nehmen und ihnen dafür über den Winter Zuckerwasser zu geben? Am Fleisch ist ebenfalls ganz und gar nichts mehr natürlich. Hormone, Medikamente und Antibiotika kommen in keinem „natürlichen“ Stück Fleisch in dieser Menge vor – ganz davon abgesehen, dass die Haltungbedingungen alles andere als „natürlich“ sind.
„Ich esse ja eh nur Bio-Fleisch/-Eier/-Milch.“
Am besten sollte dann gleich nachgehakt werden: „Schaust du darauf, dass auch das Fleisch im Restaurant aus Bio-Haltung ist? Wie hoch ist der Bio-Anteil deines Fleischkonsums tatsächlich? Ist das Fleisch in deinen Fertiggerichten biologisch? Wie stellst du sicher, dass die Eier, die in Produkten enthalten sind, nicht aus Käfighaltung im Ausland stammen?“ Oft denken diese Personen nämlich nur darüber nach, wie sie selbst einkaufen und zu Hause etwas zubereiten, und nicht darüber, wie sie außerhalb handeln und was in Fertigprodukten enthalten ist. Genauso verhält es sich mit dem folgenden Argument.
„Ich esse eh nur Bio-Eier oder Eier aus Freilandhaltung.“
Diese Menschen konsumieren genauso Gebäck, Mehlspeisen und andere Produkten, in denen Eier enthalten sind. Dass es sich dabei meist nicht um Bio-Eier aus Freilandhaltung handelt, wird dabei nur allzu gern übersehen.
Wer glaubt, dass die grausamen Bilder der Massentierhaltung nur aus den USA stammen, während sich die Tiere bei uns in Österreich vergnügt auf der Weide herumtreiben, sollte auf die Website des Vereins gegen Tierfabriken schauen und sich vom Gegenteil überzeugen.
Wirtschaftliches
„Veganer:innen treiben die Landwirt:innen in den Ruin.“
Je mehr Menschen vegan leben, desto geringer wird die Nachfrage nach Fleisch und anderen Tierprodukten. Das Problem ist nämlich, dass Kapitalismus und Ethik selten etwas miteinander zu tun haben.
Wir möchten dies anhand eines historischen Beispiels illustrieren: Der Sklav:innenhandel war über lange Zeit hinweg ein äußerst lukratives Geschäft. Sklav:innen wurden unter widrigsten Umständen „gehalten“, schlecht behandelt und ausgebeutet. Die Abschaffung der Sklaverei aus ethischen Gründen war dazumals ebenfalls mit finanziellen Einbußen verbunden (wobei die Sklaverei leider noch nicht überall ihr Ende gefunden hat). Hätte der Sklav:innenhandel nur deshalb beibehalten werden sollen, weil die armen Sklav:innenhändler:innen dadurch in den finanziellen Ruin getrieben werden? Sollte die finanzielle Situation der Landwirt:innen folglich über das Wohl der Tiere gestellt werden?
Ein anderes Beispiel: Heute sind die gesundheitsschädlichen Effekte des Tabakkonsums weitreichend bekannt. Die wenigsten würden die Tabakerzeuger:innen beweinen, die durch zurückgehenden Zigarettenkonsum finanzielle Einbußen erleiden.
Fazit: Dass der sich verbreitende Veganismus finanzielle Einbußen für Produzent:innen von Tierprodukten bedeutet, kann natürlich nicht von der Hand gewiesen werden. Dass dies aber für manche ein Argument gegen den Veganismus ist, ist ein klares Beispiel für Karnimus, d. h., dass der Konsum von Tierprodukten als normal gilt und nicht hinterfragt wird. Die ethischen Dimensionen und Auswirkungen des Veganismus sollten vor dem finanziellen Wohl der Tiere ausbeutenden Industrie jedoch eindeutig Vorrang haben.
Umwelt
In vielen Köpfen herrscht der Irrglaube, dass der Amazonas-Regenwald wegen Veganer:innen für Soja abgeholzt wird. Die traurige Realität ist, dass etwa 85 % der weltweiten Sojaproduktion nicht für die Ernährung von Menschen, sondern als Futtermittel für sogenannte „Nutztiere“ verwendet werden, um im Anschluss deren Fleisch zu verzehren. In den letzten 50 Jahren hat sich die Sojaproduktion vorwiegend wegen des steigenden Fleischkonsums und Verbots der Verfütterung von Tiermehl (BSE-Skandal) verzehnfacht. In den USA, Brasilien und Argentinien werden etwa 83 % aller Sojabohnen produziert – beinahe ausschließlich mit gentechnisch verändertem Saatgut. Da gentechnisch veränderte Lebensmittel in der EU nicht direkt konsumiert werden dürfen, können diese hierzulande nur an Tiere verfüttert werden und werden keinesfalls für Veganer:innen importiert. In Österreich erhältliche Sojaprodukte sind gentechnikfrei und werden meist in Europa produziert, etwa in der Donauregion, wo der Sojaanbau boomt.
„Wenn alle Veganer:innen wären, gäbe es keine Tiere mehr.“
„Wir müssen für den Erhalt der Artenvielfalt Fleisch essen.“
„Wir tun Nutztieren einen Gefallen, dass wir sie essen, denn sonst würden sie nicht existieren.“
Die mit Abstand meisten Tiere, die aufgrund von Milch, Eiern, Fleisch oder Ähnlichem gehalten werden, leben unter katastrophalen Bedingungen, die nicht im geringsten einer artgerechten Haltung entsprechen. Niemand tut einem anderen Lebewesen einen Gefallen, wenn sie nur wegen ihrem Fleisch oder anderen Körperprodukten „erzeugt“ und wenn ihrem ohnehin traurigen Leben in Schlachthöfen ein leidvolles Ende gesetzt wird. Hier ist anzumerken, dass die Tötung von Tieren gleich brutal abläuft, egal ob das Tier konventionell oder biologisch gehalten wurde. Begriffe wie „humane Tötung“ sind eben nur Begriffe und existieren in der Realität nicht. Je nach Gesellschaft wird eine überschaubare Anzahl an Tierarten gehalten, um ihr Fleisch zu konsumieren. In Europa sind das etwa Kühe, Schweine, Hühner, Puten, eventuell noch Kaninchen und Pferde. Das Töten und Essen anderer Tierarten ist verpönt („Nahrungstabu“) und wird im Fall von Katzen und Hunden in Österreich sogar gesetzlich sanktioniert. Dementsprechend wird eine verschwindend geringe Anzahl aller Tierarten vom Menschen gehalten – wären wir alle Veganer:innen, würden weder die heute gehaltenen „Nutztiere“ noch alle – insgesamt etwa 8,7 Millionen – Tierarten aussterben.
„Wenn ein Löwe ein Zebra jagt und tötet, soll auch der Mensch Tiere essen dürfen. Die Natur ist ohnehin grausam.“
Karnivore wie Löwen sind auf den Konsum von Fleisch angewiesen. Der menschliche Körper ist dahingegen dazu fähig, sowohl tierische als auch pflanzliche Lebensmittel zu verwerten, und muss deshalb nicht zwangsläufig Fleisch zugeführt bekommen. Das bequeme Einkaufen von Fleisch im Supermarkt – geschnitten und fertig abgepackt, damit möglichst wenig Ähnlichkeit mit einem lebenden Tier besteht – kann und soll nicht mit dem natürlichen Jagdverhalten von in der Wildnis lebenden Tieren gerechtfertigt werden.
„Veganer:innen essen meinem Essen das Essen weg.“
Diese Aussage zählt zu den Klassikern unter den Vorwürfen, mit denen Veganer:innen immer wieder konfrontiert werden. Eigentlich sollte die Phrase folgendermaßen umformuliert werden: „Fleischesser:innen essen anderen Menschen das Essen weg.“ Vier von fünf hungernden und unterernährten Kinder stammen aus Ländern, die Nahrungsmittel in andere Länder exportieren, damit diese als Futtermittel verwendet werden. So müssen etwa für die Produktion von 1 kg Rindfleisch 16 kg Getreide verfüttert werden.
Ethik
Nicht nur in Bezug auf Tiere, sondern auch im Allgemeinen ist die Ethik ein heißdiskutiertes Themenfeld. Während sich Veganer:innen zumeist aus ethischen Gründen für ihren Lebensstil entscheiden und das Töten und Nutzen von Tieren als ethisch falsch empfinden, werden von Omnivoren immer wieder ethische Vorwürfe vorgebracht.
„Veganer:innen haben mehr Mitgefühl für Tiere als für Menschen in Notsituationen, z. B. Hunger, Krieg, sklavenähnliche Arbeitbedingungen.“
Die Frage ist nur: Warum sollten sich diese Bereiche gegenseitig ausschließen? Warum sollte man sich nur für Tiere oder nur für Menschen einsetzen können? Anders gesagt: Es wäre angebracht, dieses Argument umzudrehen, um den Wahrheitsgehalt zu überprüfen: „Würde ich mich nicht für Tiere einsetzen und sie essen, würde das etwas an der Notlage der anderen Menschen ändern?“ Die Antwortet lautet schlicht und ergreifend: Nein.
„Menschen sind intelligenter als Tiere, an der Spitze der Nahrungskette …“
Gerne wird eingebracht, dass der Mensch viel intelligenter als jedes Tier wäre und deswegen das Recht hätte, mit dem Rest der Welt nach eigenem Gutdünken zu verfahren. Doch sollte es nicht ein Zeichen von Intelligenz sein, die eigenen Handlungen zu reflektieren und deren Konsequenzen abzuwägen? Ist es ein Zeichen von Intelligenz, empfindungsfähigen Wesen Schmerzen zuzufügen? Dass das intelligentere und stärkere Individuum ein Recht darauf hätte, über andere frei zu verfügen, ist eine recht archaische Vorstellung. Es würde auch kaum jemand als richtig empfinden, weniger intelligente oder gar geistig behinderte Menschen ohne Grund zu töten, nur weil es intelligentere, fähigere – in dem Sinn: für die Gesellschaft wertvollere (!) – Individuen gibt. Tiere zu essen ist kein Zeichen von Intelligenz, sondern von Genusssucht und Unreflektiertheit. Alles in allem steht meist der Nichtwille, den eigenen Konsum zu überdenken, etwas zu verändern und auf gewisse Genussmittel zu verzichten, im Vordergrund.
„Es gibt ja humane Tötungsmethoden.“
Zu diesem Argument passt nur eine Antwort: Nein, gibt es nicht. Es ist niemals human, einen Menschen zu töten. Die meisten von uns empfinden die Todesstrafe als nicht mehr zeitgemäß und als eine Verletzung der Menschenrechte. Warum sollte dann das Töten von Tieren zu Genusszwecken gerechtfertigt sein? Wie kann das Töten von Tieren „human“ sein?
Religion
„Gott hat uns die Tiere als Nahrung gegeben.“
Immer wieder werden religiöse Argumente herangezogen, um das Töten von Tieren und den Konsum von Tierprodukten zu rechtfertigen. Beliebt sind Bezugnahmen auf Bibelstellen, in denen Menschen als den Tieren überlegen dargestellt werden. Dass dies ethische Überlegungen nicht ausschließen sollte, wird zumeist nicht reflektiert. Biblische Textpassagen müssen immer an die Gegebenheiten der jeweiligen Zeit angepasst werden. Dafür spricht sich auch der Theologe Kurt Remele in seinem Buch „Die Würde des Tiers ist unantastbar“ aus. Die bedenkenlose Nutzung, Tötung und Quälerei von Tieren ist für ihn nicht nur aus ethischer, sondern auch aus theologischer Sicht problematisch.
„Wenn Gott nicht wollte, dass wir Tiere essen, hätte er sie nicht so lecker gemacht.“
Ganz ehrlich: Wenn jemand mit so einem Argument kommt, ist jegliche Diskussion sinnlos.
Rein Hypothetisches und Ähnliches
Immer wieder begegnen Veganer:innen Vorwürfen und Vorurteilen, die an Absurdität und Realitätsfremdheit kaum zu überbieten sind. Der Vollständigkeit halber wollen wir hier einige der gängigsten Phrasen aufführen.
„Würdest du auch kein Tier essen, wenn du auf einer Insel gestrandet wärst?“
Fallen in einer Diskussion über Veganismus solche Aussagen, ist dies ein Indiz, dass das Gegenüber keine sinnvollen, realitätsnahen Argumente mehr bringen kann und deswegen zu rein fiktiven Szenarien greift. Auf die Frage kann scherzhaft entgegnet werden, dass man auf der einsamen Insel bestimmt noch zahlreiche Früchte finden würde. Würde dein:e Gesprächspartner:in etwa einen Menschen essen, wenn es sonst nichts geben würde?
„Wir können nicht alle Veganer:innen werden, weil sonst alle Arbeiter:innen in Schlachthöfen ihren Job verlieren.“
Diese Menschen können beruhigt sein, denn auch der Anbau und die Verarbeitung von Obst und Gemüse erfordern Arbeitseinsatz. Außerdem arbeiten in Schlachthöfen meist Gastarbeiter:innen und Menschen, die keinen besseren Job gefunden haben und lieber einer anderen Arbeit nachgehen würden.
„Auch Pflanzen haben Gefühle. Warum hast du mit ihnen kein Mitleid?“
Das haben die meisten Veganer:innen im Zuge einer Diskussion schon einmal vorgeworfen bekommen. Es stellt sich die Frage, woher dieser plötzliche Empathieschub für Pflanzen bei Omnivoren kommen mag. Es ist wissenschaftlich bestätigt, dass Pflanzen unter anderem aufgrund eines nicht vorhandenen Nervensystems nicht in der Lage sind, Schmerzen zu empfinden. Unter der unwahrscheinlichen Annahme, dass Pflanzen über ein Schmerzempfinden verfügen, wäre es ethisch wesentlich weniger vertretbar, Tiere zu essen, da sie während ihres Lebens eine große Menge an Pflanzen konsumiert haben. Somit würde also doppeltes Leid verursacht werden: Die Tiere würden leiden und die Pflanzen, die als Tierfutter dienen.
Oft wird Veganer:innen vorgehalten, dass die ganze Menschheit niemals vegan leben wird und es nicht möglich ist, zu 100 % vegan zu leben – besonders in unserer modernen Gesellschaft. Vor nicht allzu langer Zeit war es etwa unvorstellbar, dass Frauen oder People of Colour dieselben Rechte wie die Mehrheitsbevölkerung haben. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass durch Engagement und Hartnäckigkeit beeindruckende soziale Bewegungen entstehen, die Großes verändern können. Warum sollte eine vegane Welt also nicht möglich sein?
Leben als Veganer:in
Viele am Veganismus interessierte Menschen haben die Befürchtung, dass es schwierig, zeitintensiv und teuer ist, in allen Lebensbereichen (Ernährung, Kleidung, Kosmetik ...) auf tierische Produkte zu verzichten. Wir können euch versichern, dass das Leben als Veganer:in nach einer kurzen Umgewöhnungsphase keineswegs komplizierter ist. Sowohl einfache als auch ausgefallenere pflanzliche Rezepte findest du in unserer Rezeptdatenbank. Weiters haben wir eine Auswahl an besonders gelungenen Kochbüchern für den veganen Einstieg zusammengestellt. Beim Einkaufen im Supermarkt sollte entweder schnell die Liste der Inhaltsstoffe gecheckt oder nach dem V-Label oder der Vegan-Blume Ausschau gehalten werden. Auch bei Kosmetika garantiert dir die Vegan-Blume, dass das Produkt tierversuchsfrei ist und aus rein pflanzlichen Inhaltsstoffen besteht. Dank der zahlreichen Restaurants, Cafés und Bäckereien mit veganem Angebot bist du auch unterwegs gut versorgt. Die VEGAN.AT-Restaurantsuche zeigt dir, welche Gastronomiebetriebe bei dir in der Nähe und geöffnet sind und welches Angebot sie haben.
Die Befürchtung, dass eine vegane Ernährung die Geldbörse belastet, ist eines der gängigsten und hartnäckigsten Vorurteile (siehe Artikel Vegan und günstig). Es mag stimmen, dass vegane Würstel, Käse und Sojajoghurts teilweise etwas teurer sind, allerdings machen diese Produkte einen relativ geringen Anteil an den gesamten Lebensmitteln aus. Außerdem setzen inzwischen immer mehr Supermärkte auf Preisparität und bieten vegane Lebensmittel zum selben Preis wie tierische Produkte an. Mit ein paar Tipps und Tricks kannst du tolle vegane Speisen kochen und unter Umständen sogar noch Geld sparen. Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln, Nudeln, Brot und Hülsenfrüchte sind sogar in Bio-Qualität relativ günstig zu erwerben und obendrein nährstoffreich. Saisonales Gemüse und Obst ist meist günstiger und geschmacklich intensiver. Generell kann man durch Selbstkochen sehr viel Geld sparen und die Speisen genau so zubereiten, wie man sie am liebsten hat. Manche Veganer:innen fühlen sich unwohl oder empfinden es als unhöflich, wenn sie bei Bekannten eingeladen werden und Essenswünsche anbringen. Sprich dich mit deinen Gastgeber:innen am besten vor dem Besuch ab, vielleicht möchten sie ohnehin vegane Speisen zubereiten und freuen sich über deine Tipps. Vielen ist es auch lieber, wenn du vorher deine Essgewohnheiten mitteilst, als wenn sie dich dann vor einem leeren Teller sehen. Du kannst auch anbieten, eine Speise für die anderen und dich selbst mitzubringen. So kannst du möglicherweise sogar die anderen Gäste von veganen Speisen begeistern und sie ermuntern, zumindest hin und wieder vegan zu kochen. Generell räumt ein Gespräch Missverständnisse aus dem Weg und lässt Probleme erst gar nicht entstehen, vorausgesetzt beide Seiten begegnen einander mit Respekt.
Da Veganer:innen meist gesünder leben und seltener erkranken, nehmen sie medizinische Behandlungen folglich weniger häufig in Anspruch. Es mag stimmen, dass Medikamente und medizinische Behandlungen meist oder oftmals nicht vegan sind, sei es aufgrund der durchgeführten Tierversuche oder der tierischen Inhaltsstoffe. Wir empfehlen dir, eine:n Arzt:Ärztin auszuwählen, der/die für deine Ernährungsweise offen ist und diese respektiert. Er:sie wird dich dann unterstützen, die für dich richtige Behandlung auszuwählen, und dir vegane Alternativen aufzeigen, zum Beispiel bei Verhütungsmitteln.
Veganer:innen werden oft mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie ständig alle Menschen um sich herum belehren und von der veganen Lebensweise überzeugen wollen. Erstens lässt sich dieser Vorwurf nicht im Vorhinein komplett bejahen oder verneinen. Jeder Mensch und so auch jede:r Veganer:in ist unterschiedlich und thematisiert Veganismus im eigenen Bekanntenkreis unterschiedlich stark. Wir denken, dass eine „ausgewogene“ Thematisierung von Veganismus am vielversprechendsten ist. Überschütte deine Gesprächspartner:innen daher nicht in jeder freien Minute mit Informationen über Veganismus, sondern lass deine Meinung an passenden Stellen einfließen. Informiere sie bei Unwahrheiten, Unklarheiten oder Ähnlichem. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es oftmals Omnivore sind, die unsere Lebensweise zu thematisieren beginnen, manchmal aus Interesse, manchmal als Angriff oder Vorwurf. Entscheide am besten selbst, wann es Sinn macht, mit Menschen über Veganismus zu diskutieren, und wann es eher vergeudete Zeit ist, weil das Gegenüber nur provozieren möchte.
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