Mehlwurmpulver in Brot?
Mehlwurmpulver in Brot?
Laut einer neuen EU-Verordnung darf ab sofort UV-behandeltes Mehlwurmpulver in Lebensmitteln wie Brot enthalten sein. Was daran neu ist und was dies für vegane Lebensmittel bedeutet, erläutern wir im folgenden Artikel.
Was besagt die Verordnung?
Laut der neuen EU-Verordnung ist UV-behandeltes Mehlwurmpulver seit dem 10. Februar 2025 für die Verarbeitung in Lebensmitteln zugelassen. Es darf ab sofort vielen Produkten wie Brot und Gebäck, Kuchen, Teigwaren, verarbeiteten Kartoffelprodukten, Käse sowie Kompotten aus Obst und Gemüse hinzugefügt werden. Das Pulver aus den Larven des Mehlkäfers (Tenebrio molitor) wird zuvor mit UV-Licht bestrahlt und dadurch mit Vitamin D3 angereichert. Bei Brot, Gebäck und Kuchen ist der Zusatz auf maximal 4 % beschränkt, bei den anderen genannten Lebensmitteln liegt er zwischen 1 % und 3,5 %. Die Erlaubnis dafür hat nur das französische Unternehmen Nutriearth, das zuvor die Zulassung beantragt hatte. Sie ist auf fünf Jahre beschränkt.
Was ist neu?
UV-behandeltes Mehlwurmpulver ist nicht das erste Insektenprodukt, das Lebensmitteln beigemengt werden darf. Der getrocknete gelbe Mehlwurm wurde bereits 2021 zugelassen. Er darf seitdem sowohl als ganzes getrocknetes Insekt in Form von Snacks verkauft werden als auch verschiedenen Lebensmitteln wie Keksen, Teigwaren und Proteinerzeugnissen als Zutat in der Höhe von bis zu 10 % zugesetzt werden.
Auch Wanderheuschrecken, Hausgrillen und Buffalowürmer sind inzwischen erlaubt. Hersteller:innen müssen für jedes Insektenprodukt, das sie in der EU auf den Markt bringen wollen, eine eigene Zulassung beantragen. Es handelt sich in der Regel um pulverisierte, getrocknete oder gefrorene Insektenprodukte.
Neu ist lediglich, dass nun auch Pulver aus Mehlwürmern Lebensmitteln hinzugefügt werden darf, das mit UV-Licht bestrahlt wurde. Dieser Prozess soll den Vitamin-D-Gehalt erhöhen.
Wie müssen die Produkte gekennzeichnet werden?
Wenn ein Lebensmittel Insekten enthält, muss dies in der Zutatenliste klar und verständlich angeführt werden – und zwar mit lateinischem und deutschem Namen. Außerdem muss erkenntlich sein, in welcher Form das Insekt enthalten ist, beispielsweise gefroren oder als Pulver. Zudem muss bei der Verwendung von UV-behandeltem Mehlpulver in unmittelbarer Nähe der Zutatenliste der Hinweis angebracht werden, dass allergische Reaktionen bei Menschen mit einer Allergie gegen Krebs- und Weichtiere sowie gegen Hausstaubmilben möglich sind.
Das V-Label garantiert Insektenfreiheit
Insekten sind Tiere. Enthält ein Lebensmittel Insekten, ist es also weder vegan noch vegetarisch. Produkte, die mit dem V-Label gekennzeichnet sind, schließen Insekten als Zutat daher ganz klar aus. Wer ein Produkt kauft, das mit dem V-Label versehen ist, kann sich sicher sein, dass keine Insekten als Zutat (oder technischer Hilfsstoff) verwendet wurden.
Wie sinnvoll sind UV-bestrahlte Insekten als Vitamin-D-Quelle?
Viele Menschen leiden an einem Vitamin-D-Mangel. Abgesehen von fettreichem Seefisch enthalten Lebensmittel nur geringe Mengen an Vitamin D, weshalb der Bedarf in der Regel nicht über die Nahrung gedeckt werden kann. In Brot und Gebäck dürfen maximal 4 % UV-behandeltes Mehlwurmpulver enthalten sein, was einer Maximalmenge von 3,5 µg Vitamin D pro 100 g Lebensmittel entspricht. Diese Menge deckt gerade einmal ein Sechstel des Tagesbedarfs von 20 µg. UV-behandeltes Insektenpulver kann daher lediglich einen geringen Beitrag zur Vitamin-D-Versorgung leisten. Die Hauptquelle für Vitamin D bleibt Sonnenschein, denn durch UV-Bestrahlung können wir in unserer Haut körpereigenes Vitamin D bilden.
Warum Hülsenfrüchte nachhaltigere Proteinquellen als Insekten sind
Die Produktion von Fleisch ist sehr ressourcenintensiv und verursacht enorme Mengen an Treibhausgasen. Ein nachhaltigeres Ernährungssystem ist dringend notwendig. Der Versuch der Europäischen Union, klimafreundlichere Proteinquellen zu fördern, ist somit prinzipiell begrüßenswert. Für ein nachhaltiges Ernährungssystem müssen jedoch proteinreiche Lebensmittel aus Pflanzen, beispielsweise Hülsenfrüchte und Sojaprodukte, gefördert werden. Die Gründe dafür sind folgende:
- Akzeptanz der Verbraucher:innen: Während sich sehr viele Menschen vor dem Verzehr von Insekten ekeln, erfreuen sich pflanzliche Proteinquellen einer großen Beliebtheit in der Bevölkerung. Hülsenfrüchte sind seit jeher ein wichtiger Bestandteil der Ernährung und die Nachfrage nach Fleischalternativen auf Basis von Soja, Erbsen und Co. nimmt seit vielen Jahren rasant zu.
- Ökologische Aspekte: Die Produktion von Lebensmitteln aus Insekten mag in einigen Punkten besser abschneiden als die Fleischerzeugung. Im Direktvergleich haben pflanzliche Lebensmittel jedoch die Nase vorn. So geht beispielsweise bei Insekten, ähnlich wie bei anderen Tieren, bei der Fütterung viel Energie verloren. Je nach Bedingungen müssen mindestens 2 kg, häufig sogar 4–9 kg, an Futter (meist in Form von pflanzlichen Lebensmitteln) aufgewendet werden, um 1 kg Insekten zu produzieren (Oonincx et al. 2015; Lundy & Parrella 2015). Einige Studien zeigen, dass die Insektenproduktion energieaufwändiger ist und mehr CO2 als die Herstellung pflanzlicher Lebensmittel produziert (Eurogroup for Animals 2021). Unklar sind zudem die Auswirkungen auf das Ökosystem. So könnten sich beispielsweise Pathogene in Insektenfarmen sehr schnell ausbreiten und einen hohen Antibiotikaeinsatz erfordern. Weiters könnten Tiere entkommen, die sich als invasive Art ausbreiten und die biologische Vielfalt gefährden.
- Ethische Aspekte: Als Vegane Gesellschaft lehnen wir die Nutzung und Tötung von Tieren ab. Das Schmerzempfinden von Insekten ist noch nicht vollständig geklärt. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft besitzen sie Sinnesorgane, mit denen sie Schmerzreize wahrnehmen können, auch wenn sie sich deren nicht bewusst werden. Unabhängig davon ist davon auszugehen, dass ein Leben in Insektenfarmen auf engstem Raum unnatürlich und belastend ist. Eine tierschutzkonforme Haltung von Insekten ist auf diese Weise nicht möglich.
Auch wenn keine Gefahr besteht, dass veganen Produkten Insekten beigemischt werden, fordern wir die EU dazu auf, keine weiteren Insekten in der Ernährung zuzulassen. Stattdessen wünschen wir uns eine gezielte Förderung von pflanzlichen Proteinquellen wie Hülsenfrüchten, Sojaprodukten, Nüssen und Samen sowie pflanzlichen Fleisch- und Milchalternativen. Diese gut akzeptierten Lebensmittel haben einen geringen Flächenbedarf, benötigen vergleichsweise wenig Ressourcen und verursachen deutlich weniger CO2-Äquivalente als Tierprodukte. Darüber hinaus versorgen sie Menschen nicht nur mit allen unentbehrlichen Aminosäuren, sondern werden aufgrund ihrer vielen gesundheitlichen Vorteile von Ernährungsgesellschaften weltweit empfohlen.
„Der Zweck ist mir unklar. Es gibt günstigere und unproblematischere Eiweißquellen als Insekten, etwa Hülsenfrüchte. Der Sinn ist mir weder technologisch erkennbar noch ernährungsphysiologisch. Soweit ich sehe, haben Insekten als Lebensmittel keine großen Vorteile.“
Prof. Dr. Jürgen König vom Department für Ernährungswissenschaften an der Universität Wien auf ORF.at
Quellen:
- Eurogroup for Animals. 2021. Insect farming: a false solution for the EU’s food system. Position Paper.
- Lundy, Mark E.; Parrella, Michael P. 2015. Crickets are not a free lunch: Protein capture from scalable organic side-streams via high-density populations of Acheta domesticus. PLOS One 10(4), e0118785. doi: 10.1371/journal.pone.0118785.
- Oonincx, Dennis; van Broekhoven, Sarah; van Huis, Arnold; van Loon, Joop J. A. 2015. Feed conversion, survival and development, and composition of four insect species on diets composed of food by-products. PLOS One 10(12), e0222043. doi:10.1371/ journal.pone.0144601.
Foto von Julia Filirovska auf Pexels