Pflanzliches Protein: Eiweißversorgung bei veganer Ernährung
Pflanzliches Protein: Eiweißversorgung bei veganer Ernährung
Wer vegan lebt, sollte auf die Eiweißzufuhr achten. Das ist nicht schwer, denn die Vielfalt ist groß. Neben der Menge spielt auch die Qualität eine wichtige Rolle. Wir stellen die besten Quellen vor und erklären, was dabei zu berücksichtigen ist.
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Was ist Protein?
Proteine sind lebensnotwendige Bausteine für Zellen und verschiedene Gewebe wie Haut, Muskeln und Organe. Sie setzen sich aus zwanzig verschiedenen Aminosäuren zusammen. Diese Aminosäuren werden daher als „proteinogene Aminosäuren“" bezeichnet. Neun davon sind für den Menschen unentbehrlich (essenziell), sie müssen also mit der Nahrung aufgenommen werden. Die Aminosäure Histidin ist allerdings nur für Säuglinge essenziell. Die übrigen Aminosäuren können unter normalen Bedingungen vom Körper selbst aufgebaut werden.
Proteine aus der Nahrung versorgen den Körper mit Aminosäuren und Stickstoff, aus denen wiederum körpereigenes Eiweiß hergestellt wird. Dazu zählen Strukturproteine, die unter anderem als Bausteine für Muskel-, Nerven- und Bindegewebe dienen. Eine weitere Gruppe sind Transportproteine wie das Hämoglobin, das für den Sauerstofftransport im Blut wesentlich ist. Außerdem gibt es Rezeptorproteine und immunaktive Eiweiße wie Antikörper. Schließlich basieren auch viele Hormone, Enzyme sowie DNA und RNA auf Proteinen. Der Körper kann zudem Nahrungsproteine als Energiequelle nutzen.
Wie viel Eiweiß brauchen wir?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) empfehlen in ihren gemeinsamen Referenzwerten eine Aufnahme von 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht für Erwachsene (DGE 2025). Hierbei wurde bereits einberechnet, dass individuelle Schwankungen bestehen und das Protein nicht komplett verdaulich ist. Der Mindestbedarf liegt nämlich bei lediglich 0,4 bis 0,65 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht, sofern unterschiedliche Proteinquellen genutzt werden. Das gilt auch, wenn ausschließlich pflanzliche Quellen für die Proteinzufuhr genutzt werden (Elmadfa & Leitzmann 2023).
Bei Kindern und Jugendlichen, Schwangeren und Stillenden sowie älteren Menschen liegen die Werte etwas höher. So wird beispielsweise Kindern im Alter von 1 bis 4 Jahren, Schwangeren im dritten Trimester sowie Menschen ab 65 Jahren eine Proteinzufuhr von einem Gramm pro Kilogramm am Tag empfohlen. Stillenden Müttern wird zu 1,2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht geraten (DGE 2025). Bei Sportler:innen hängt der Proteinbedarf vom Trainingszustand und -ziel ab. Die DGE empfiehlt in diesem Fall eine Zufuhr von ca. 1,2 bis 2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Je nach Trainingsziel, -intensität und -umfang kann die Zufuhr flexibel variiert werden (König et al. 2020). Erwachsene Breitensportler:innen, die 4–5 Mal pro Woche 30 Minuten bei mittlerer Intensität körperlich aktiv sind, benötigen jedoch keine erhöhte Proteinzufuhr (DGE 2025).
Pflanzliche Eiweißquellen
Eine Vielzahl an pflanzlichen Lebensmitteln kann zur Proteinversorgung beitragen. Die folgenden sind besonders gute Eiweißlieferanten:
- Hülsenfrüchte wie Bohnen, Linsen, Erbsen, Kichererbsen
- Sojaprodukte wie Tofu, Tempeh, Sojajoghurt, Sojamilch, Sojagranulat, -schnetzel und -medaillons
- Getreide und Pseudogetreide wie Quinoa, Hafer, Hirse, Weizen, Dinkel, Roggen, Reis, Mais, Buchweizen, Gerste
- Getreideprodukte wie Seitan, Brot, Nudeln, Haferflocken, Couscous, Bulgur
- Nüsse und Samen wie Kürbiskerne, Hanfsamen, Erdnüsse, Mandeln, Sonnenblumenkerne
Proteingehalt ausgewählter pflanzlicher Lebensmittel
(in Gramm pro 100 Gramm Lebensmittel)
- 50,0 g Sojaschnetzel (TVP, getrocknet)
- 33,7 g Sojabohnen (roh)
- 24,2 g Kidneybohnen (getrocknet)
- 23,4 g Linsen (getrocknet)
- 20,9 g Weiße Bohnen (getrocknet)
- 20,3 g Tempeh
- 18,6 g Kichererbsen (getrocknet)
- 15,5 g Tofu (fest)
- 6,5 g Erbsen (roh)
- 3,5 g Sojamilch
- 25–30 g Seitan (je nach Hersteller:in)
- 12,2 g Quinoa (roh)
- 13,2 g Haferflocken
- 12,5 g Nudeln (weiß)
- 10,6 g Hirse
- 7,3 g Vollkornbrot
- 35,5 g Kürbiskerne
- 29,8 g Erdnüsse
- 26,1 g Sonnenblumenkerne
- 24,0 g Mandeln
- 21,0 g Cashewnüsse
Quelle: BLS 3.02 (Ausnahme Seitan)
Proteinqualität
Je mehr körpereigenes Eiweiß aus einem Nahrungsprotein aufgebaut werden kann, desto höher ist seine Proteinqualität. Diese wird von der Menge an unentbehrlichen Aminosäuren, dem Verhältnis von unentbehrlichen und entbehrlichen Aminosäuren sowie der Verdaulichkeit der Proteine bestimmt. Für die Bestimmung der Proteinqualität werden häufig zwei Verfahren benutzt:
- Biologische Wertigkeit: Diese gibt an, in welchem Umfang Nahrungsproteine für die Herstellung von Körperproteinen genutzt werden können. Als Referenzprotein dient ein Hühnerei, dessen biologische Wertigkeit mit 100 festgelegt wurde. Die biologische Wertigkeit anderer Lebensmittel liegt darunter: Soja hat eine biologische Wertigkeit von 84, andere Bohnen von 73, Weizen von 59. Durch die Kombination verschiedener Proteinquellen kann die biologische Wertigkeit jedoch stark erhöht werden. Beispielsweise hat ein Gericht, das zu 52 % aus Bohnen und zu 48 % aus Mais besteht, eine biologische Wertigkeit von 99.
- Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score (PDCAAS): Beim PDCAAS, zu deutsch „um die Verdaulichkeit korrigierte Aminosäurebewertung“, wird zusätzlich zur Aminosäurenzusammensetzung auch die Verdaulichkeit eines Proteins berücksichtigt. Je höher er ist, desto besser ist das Eiweiß verdaulich – desto geringere Proteinmengen sind also für die Bedarfsdeckung notwendig. Ballaststoffe und robuste Zellwände tragen zur schlechteren Verdaulichkeit vieler pflanzlicher Proteine bei. Durch gründliches Kauen sowie Zubereitungsmethoden wie Kochen, Zerkleinern und Einweichen kann die Verdaulichkeit daher erhöht werden (Mangels et al. 2011). Eine Besonderheit unter den pflanzlichen Eiweißquellen stellt Soja dar, dessen PDCAAS 1 beträgt und somit genauso hoch wie jener von Hühnerei und sogar höher als jener von Rindfleisch (0,92) ist.
Die Proteinqualität einzelner Lebensmittel kann aufgewertet werden, indem verschiedene Proteinquellen miteinander kombiniert werden. Getreide und Hülsenfrüchte ergänzen sich ideal, denn Getreide enthält wenig von der Aminosäure Lysin, ist aber reich an Methionin. Bei Hülsenfrüchten ist es umgekehrt: Sie enthalten wenig Methionin, dafür viel Lysin. Bei der Zusammenstellung von Mahlzeiten ist es daher sinnvoll, auf eine entsprechende Kombination zu achten – beispielsweise Linsendal mit Reis oder Hummus mit Brot (Leitzmann & Keller 2020).
Bei einer veganen Ernährung können bei ungünstiger Lebensmittelzusammenstellung die Aminosäuren Lysin und Leucin zu kurz kommen. Daher sollte vor allem auf eine ausreichende Zufuhr an Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen geachtet werden (Soh et al. 2025).
Gesundheitliche Vorteile pflanzlicher Eiweißquellen
Trotz der etwas schlechteren Verdaulichkeit haben pflanzliche Proteine gegenüber tierischen einige wesentliche Vorteile: Tierische Quellen wie Eier enthalten meist viele gesättigte Fettsäuren, die die Cholesterinkonzentration im Blut bei einer hohen Zufuhr erhöhen können. Pflanzliche Eiweißlieferanten wie Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide und Nüsse sind dahingegen reich an vielen gesundheitsfördernden Substanzen wie sekundären Pflanzenstoffen und Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen sowie ungesättigten Fettsäuren. Der Austausch von tierischen gegen pflanzliche Proteinquellen kann somit dazu beitragen, das Risiko für ernährungsbedingte chronische Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren.
Praxistipps für die Proteinzufuhr
- Mit einer abwechslungsreichen vollwertigen Ernährung auf Basis von Hülsenfrüchten, Getreide, Gemüse, Obst sowie Nüssen und Samen kann eine ausreichende Proteinzufuhr problemlos sichergestellt werden. Die Voraussetzung ist, dass ausreichend Energie aufgenommen wird.
- Täglich Hülsenfrüchte in die Ernährung einbauen: Besonders gut verwertbares Eiweiß liefern Sojabohnen und Produkte daraus wie Tofu, Tempeh und Sojajoghurt sowie texturiertes Sojaprotein (Sojagranulat, -schnetzel und -medaillons).
- Ideal ist es, wenn bei möglichst jeder Mahlzeit verschiedene Proteinquellen miteinander kombiniert werden. Ein besonders gutes Aminosäureprofil ergibt sich bei der Kombination aus Hülsenfrüchten und Getreide. Einige Beispiele sind Müsli mit Sojajoghurt, Spaghetti mit Linsenbolognese, Falafel mit Fladenbrot oder Semmelknödel mit Linsen.
- Alternativ können die Eiweißquellen auch über den Tag verteilt werden, beispielsweise ein Käferbohnensalat zu Mittag und Pasta mit Gemüse als Abendessen.
- Durch Kochen, Mixen und Einweichen von pflanzlichen Lebensmitteln wie Hülsenfrüchten, Getreide und Nüssen kann deren Verdaulichkeit erhöht werden. Somit kann mehr vom aufgenommenen Eiweiß vom Körper genutzt werden (Messina et al. 2011).
Kraftsport und Muskelaufbau
Während für erwachsene Hobbysportler:innen (bis 65 Jahre) 0,8 g Protein/kg Körpergewicht ausreichen, wird für intensiv trainierende Ausdauer- und Kraftsportler:innen – je nach Training – eine Proteinzufuhr von 1,2 g/kg bis maximal 2,0 g/kg Körpergewicht empfohlen. Der Bedarf kann in der Regel problemlos über die Nahrung gedeckt werden.
Derzeit bestehe keine Evidenz, dass tierische Proteine gegenüber pflanzlichen Proteinen einen eindeutigen Vorteil bringen, schreibt die DGE in ihrem Positionspapier zur Proteinzufuhr im Sport (König et al. 2020). Stattdessen sei ein höherer Anteil an pflanzlichen Proteinquellen sogar positiv zu beurteilen, weil dieser meist mit einer höheren Ballaststoff-, Kohlenhydrat- und Vitaminzufuhr und gleichzeitig weniger gesättigten Fettsäuren einhergehe. Zudem hält die DGE fest, dass eine ausgewogene Ernährung Supplementen in der Regel überlegen ist und es im Ernährungsalltag von Sportler:innen keinen physiologischen Grund gebe, die Proteinzufuhr durch Supplemente zu ergänzen (König et al. 2020).
Der vegan lebende Strongman Patrik Baboumian hat bereits unzählige beeindruckende Leistungen erbracht und mehrere Weltrekorde gebrochen. Wie er seinen Proteinbedarf deckt, erklärt er in seinem unterhaltsamen Online-Vortrag, der jederzeit kostenlos nachgesehen werden kann.
Zum Weiterlesen:
- Wie die Versorgung mit Lysin und Leucin gelingt: www.vegan.at/lysin-und-leucin
- Die besten veganen Proteinquellen und proteinreiche Rezepte: www.vegan.at/proteinquellen
- Faktencheck: Wie gesund ist Soja? www.vegan.at/soja
- Infos zu Kollagen, für das eine ausreichende Lysinversorgung notwendig ist: www.vegan.at/kollagen
- Ausgewogen vegan ernähren mit dem veganen Ernährungsteller: www.vegan.at/ernaehrungsteller
Quellen
Bundeslebensmittelschlüssel (BLS 3.02). blsdb.de (Zugegriffen: 25.02.2025).
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Verfügbar unter: dge.de/wissenschaft/referenzwerte/protein (Zugegriffen: 18.04.2025).
Elmadfa I., Leitzmann C. 2023. Ernährung des Menschen. 7. Auflage. Stuttgart: Eugen Ulmer Verlag.
König D., Carlsohn A., Braun H., Großhauser M., Lampen A., Mosler S., Nieß A., Schäbethal K., Schek A., Virmani K., Ziegenhagen R., Heseker H. 2020. Proteinzufuhr im Sport. Position der Arbeitsgruppe Sporternährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE). Ernährungs Umschau international 132, 406–413.
Mangels R., Messina V., Messina M. 2011. The Dietitian’s Guide to Vegetarian Diets. 3rd edition. S. 69.
Leitzmann C., Keller M. 2020. Vegetarische und vegane Ernährung. 4. Auflage. Stuttgart: Eugen Ulmer Verlag, S. 293.
Soh B.X.P., Vignes M., Smith N.C., von Hurst, P.R., McNabb W.C. 2025. Evaluation of protein intake and protein quality in New Zealand vegans. PLoS One 20(4), e0314889. doi: 10.1371/journal.pone.0314889