Vegane Ernährung & Supplemente
Vegane Ernährung & Supplemente
Welche Nahrungsergänzungsmittel sind tatsächlich notwendig?
Gut umgesetzt hat eine ausgewogene vegane Ernährung zahlreiche gesundheitliche Vorteile: Sie versorgt mit vielen Vitaminen und Mineralstoffen, ungesättigten Fettsäuren, Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen, führt zu besseren Blutfett- und Blutzuckerwerten und reduziert das Risiko für viele chronische Erkrankungen. Gleichzeitig bringt eine vegane Ernährung aber auch gewisse Herausforderungen mit sich. Dabei handelt es sich vor allem um die ausreichende Aufnahme von potenziell kritischen Nährstoffen. Neben Vitamin B12 kann es unter Umständen bei langkettigen Omega-3-Fettsäuren, unentbehrlichen Aminosäuren, den Mineralstoffen Kalzium, Eisen, Jod, Zink und Selen sowie den Vitaminen D, B2 und möglicherweise auch Vitamin A zu Defiziten kommen. Daher gilt es, die Ernährung gut zu planen: durch eine ausgewogene Lebensmittelauswahl und die Ergänzung bestimmter Nährstoffe in Form von Nahrungsergänzungsmitteln.Abwechslungsreich, bunt und vollwertig
Eine gesunde Ernährung besteht aus frischen und vollwertigen Lebensmitteln, die uns bestmöglich mit allen essenziellen Nährstoffen versorgen. Rein pflanzlich gelingt das, wenn unser Speiseplan aus einer bunten Mischung von Gemüse und Obst, Vollkorngetreide und anderen stärkehaltigen Produkten, Hülsenfrüchten und Sojaprodukten, Nüssen und Samen sowie hochwertigen Ölen besteht. Auf diese Weise kann der Großteil aller essenziellen Nährstoffe abgedeckt werden. Unser Ernährungsteller zeigt, wie das umgesetzt werden kann.
Nährstoffe gezielt supplementieren
Ergänzen sollten wir jene Nährstoffe, die wir über Lebensmittel nicht in ausreichender Menge aufnehmen. Welche das sind, ist nicht bei allen Menschen gleich. Daher ist die Nahrungsergänzung immer an den individuellen Bedarf anzupassen. Vitamin B12 ist der einzige Nährstoff, der auf jeden Fall supplementiert oder zumindest in Form von angereicherten Lebensmitteln zugeführt werden muss. Ebenso sollte ein besonderes Augenmerk auf Jod gerichtet werden. Es kann zwar theoretisch in Form von jodiertem Speisesalz, Algen oder angereicherten Pflanzendrinks aufgenommen werden, aber in einigen Studien zeigte sich bei vielen Veganer:innen eine zu geringe Jodzufuhr. Daher raten wir dazu, die Jodaufnahme entweder über die erwähnten Lebensmittel zu optimieren oder ein Supplement einzunehmen.
Bei allen weiteren potenziell kritischen Nährstoffen hängt eine Supplementierung vom individuellen Versorgungszustand ab. Vitamin D kann in der warmen Jahreshälfte durch Sonnenbestrahlung in unserer Haut gebildet werden. Da viele Menschen dennoch mit Vitamin D unterversorgt sind, ist eine Nahrungsergänzung häufig sinnvoll. Die langkettigen Omega-3-Fettsäuren Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) werden von unserem Körper nur in geringem Umfang selbst hergestellt, weshalb eine Supplementierung in Form von Algenöl sinnvoll sein kann. Das gilt insbesondere für die vulnerablen Lebensphasen Schwangerschaft, Stillzeit und frühe Kindheit, weil DHA für die Entwicklung des Gehirns und der Netzhaut notwendig ist. Auch Protein, Selen, Zink, Kalzium, Eisen sowie Vitamin B2 (und möglicherweise auch Vitamin A) können gegebenenfalls zu kurz kommen, wenn die entsprechenden Lebensmittel nicht in ausreichender Menge ausgewählt werden oder ein erhöhter Bedarf besteht. Das kann beispielsweise während der vulnerablen Lebensphasen, bei Leistungssportler:innen oder Menschen mit Besonderheiten im Stoffwechsel der Fall sein.
Die nachfolgende Tabelle listet alle potenziell kritischen Nährstoffe in alphabetischer Reihenfolge auf und zeigt Versorgungsmöglichkeiten über Lebensmittel und andere Optionen.
- Lebensmittel (oder andere Quellen): Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Nüsse und Samen, grüne Gemüsesorten wie Brokkoli (für eine bessere Aufnahme mit Vitamin-C-reichen Lebensmitteln kombinieren)
- Tagesbeispiel (gesunde Frau, 30 Jahre, nicht schwanger/stillend): 200 g Spinat + 100 g Vollkornnudeln + 50 g Haferflocken + 20 g Sesam decken den Bedarf von 16 mg/Tag
- Supplementierung: bei nachgewiesenem Mangel
- Lebensmittel (oder andere Quellen): Algenöl; die Vorstufe Alpha-Linolensäure (ALA) ist in Leinsamen und Leinöl, Walnüssen und Walnussöl, Chiasamen, Hanfsamen und Hanföl sowie Rapsöl enthalten
- Tagesbeispiel (gesunde Frau, 30 Jahre, nicht schwanger/stillend): 250 mg in Form von Algenöl (für die Versorgung mit ALA 1–2 TL kaltgepresstes Leinöl oder 1–3 EL gemahlene Leinsamen oder 1–3 EL kaltgepresstes Rapsöl)
- Supplementierung: in Schwangerschaft, Stillzeit und früher Kindheit empfehlenswert; in anderen Lebensphasen möglich (zumindest auf ausreichend ALA achten!)
- Lebensmittel (oder andere Quellen): jodiertes Speisesalz, Algen, angereicherte Pflanzenmilch, verarbeitete Lebensmittel mit jodiertem Speisesalz (z. B. Brot)
- Tagesbeispiel (gesunde Frau, 30 Jahre, nicht schwanger/stillend): 1 TL jodiertes Speisesalz + ca. ½ TL Norialgen (abhängig von den Algen, daher sollten die Verpackungsangaben kontrolliert werden) decken den Bedarf von 200 µg
- Supplementierung: ja, wenn über Lebensmittel nicht genug aufgenommen wird
- Lebensmittel (oder andere Quellen): grüne (oxalatarme) Gemüse wie Brokkoli, Grünkohl und Rukola, Tofu, angereicherte Pflanzenmilch, kalziumreiches Mineralwasser
- Tagesbeispiel (gesunde Frau, 30 Jahre, nicht schwanger/stillend): 200 g Brokkoli (gegart) + 200 g Sojajoghurt (angereichert) + 125 ml Hafermilch (angereichert) + 50 g Rukola + 50 g weiße Bohnen + 20 g Sesam decken den Bedarf von 1.000 mg
- Supplementierung: nicht notwendig, wenn auf ausreichend Kalziumquellen geachtet wird
- Lebensmittel (oder andere Quellen): Hülsenfrüchte, Sojaprodukte, Getreide, Nüsse und Samen
- Tagesbeispiel (gesunde Frau, 30 Jahre, nicht schwanger/stillend): 200 g Brokkoli (gegart) + 200 g Sojajoghurt (angereichert) + 125 ml Hafermilch (angereichert) + 50 g Rukola + 50 g weiße Bohnen + 20 g Sesam decken den Bedarf von 1.000 mg
- Supplementierung: nicht notwendig, sofern auf ausreichend unterschiedliche proteinreiche Lebensmittel (vor allem Hülsenfrüchte + Getreide) geachtet wird
- Lebensmittel (oder andere Quellen): in größeren Mengen nur in Paranüssen, kleinere Mengen in Steinpilzen; auch in Hülsenfrüchten und Getreide kann Selen vorkommen, der Gehalt ist jedoch vom Boden abhängig
- Tagesbeispiel (gesunde Frau, 30 Jahre, nicht schwanger/stillend): ca. 2–6 Paranüsse (abhängig von deren Gehalt, der stark variieren kann) können den Bedarf von 60 µg decken
- Supplementierung: ja, wenn Paranüsse nicht regelmäßig konsumiert werden
- Lebensmittel (oder andere Quellen): Vorstufen (Beta-Carotin und andere Carotinoide) in Karotten, Grünkohl, Süßkartoffeln, Kürbis, Spinat, Mangos, Marillen und weiterem orange-/rotfarbigem sowie grünem Gemüse
- Tagesbeispiel (gesunde Frau, 30 Jahre, nicht schwanger/stillend): 90 g Karotten decken den Tagesbedarf (in Form von Beta-Carotin)
- Supplementierung: in der Regel nicht notwendig
- Lebensmittel (oder andere Quellen): Hefeflocken, Weizenkeime, Vollkorngetreide, Nüsse und Samen, Champignons, Gemüsesorten wie Brokkoli, Spargel und Spinat
- Tagesbeispiel (gesunde Frau, 30 Jahre, nicht schwanger/stillend): 200 g Champignons + 100 g Vollkornbrot + 100 g Linsen decken den Tagesbedarf von 1,1 mg
- Supplementierung: in der Regel nicht notwendig, sofern auf eine vollwertige und ausgewogene Ernährung geachtet wird
- Lebensmittel (oder andere Quellen): in angereicherten Lebensmitteln wie Pflanzenmilch in meist niedriger Dosierung
- Tagesbeispiel (gesunde Frau, 30 Jahre, nicht schwanger/stillend): für die Versorgung mit 4 µg über angereicherte Pflanzenmilch wäre mehr als ein Liter notwendig
- Supplementierung: fast immer sinnvoll – regelmäßige Testung empfohlen
- Lebensmittel (oder andere Quellen): in der Haut durch Sonnenbestrahlung gebildet (März–Oktober); sehr geringe Mengen in Pilzen
- Tagesbeispiel (gesunde Frau, 30 Jahre, nicht schwanger/stillend): abhängig von Hauttyp, Jahreszeit und Uhrzeit 5–25 Minuten täglich
- Supplementierung: den Vitamin-D-Spiegel idealerweise testen lassen; bei Defizit supplementieren
- Lebensmittel (oder andere Quellen): Nüsse, Samen und Kerne, Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide (Einweichen/Keimen von Getreide und Hülsenfrüchten erhöht die Aufnahme)
- Tagesbeispiel (gesunde Frau, 30 Jahre, nicht schwanger/stillend): 200 g Vollkornbrot + 150 g Steinpilze + 100 g Hirse + 100 g Erbsen + 50 g Haferflocken + 30 g Kürbiskerne + 10 g Hefeflocken decken den Bedarf von 14–16 mg
- Supplementierung: manchmal sinnvoll, wenn über Lebensmittel nicht ausreichend Zink aufgenommen wird
Welche Dosierung ist die richtige?
Auch die optimale Dosis ist individuell: Eine Schwangere hat natürlich einen anderen Bedarf an vielen Nährstoffen als ein 8-jähriges Kind oder ein 60-jähriger Mann. Gerade bei Vitamin B12 hängt die Dosierung auch von persönlichen Vorlieben ab: Wer dreimal täglich von dem Vitamin zuführt, kommt in der Regel mit insgesamt 4 µg pro Tag aus, während eine Dosis von 2.000 µg für eine einmal wöchentliche Supplementierung von vielen Autor:innen empfohlen wird.
Was ist mit den zuletzt viel diskutierten Substanzen Cholin, Arachidonsäure, Taurin und Kreatin?
Die Datenlage zu diesen Nährstoffen ist sehr begrenzt. Lediglich für Cholin gibt es gewisse Hinweise, dass eine Supplementierung speziell in Schwangerschaft und Stillzeit für die kognitive Entwicklung des Kindes und die Prävention von Neuralrohrdefekten sinnvoll sein könnte. Die wissenschaftliche Evidenz ist allerdings so niedrig, dass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) keine Zufuhrempfehlungen geben. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat allerdings Werte für eine angemessene tägliche Cholin-Aufnahme veröffentlicht.
In Bezug auf alle weiteren Substanzen existieren sogar noch viel weniger Studien. Die Evidenz ist somit noch deutlich niedriger. Weder DGE/ÖGE noch EFSA sehen Arachidonsäure, Taurin oder Kreatin als essenziell an. Wenn man eine Supplementierung erwägt, sollte man sich immer bewusst sein, dass damit auch gewisse Risiken einhergehen. So stehen erhöhte Arachidonsäurewerte laut einer systematischen Übersichtsarbeit beispielsweise mit Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie, Schwangerschaftsdiabetes und einem niedrigeren Geburtsgewicht in Verbindung (Calder et al. 2019). Solange eine Nahrungsergänzung und deren mögliche negative Effekte noch nicht ausreichend untersucht sind sowie Daten zur Langzeitsupplementierung fehlen, sollte man sehr vorsichtig sein. Das gilt im besonderen Maße für die vulnerablen Lebensphasen.
Quellen
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. 2024. Bundeslebensmittelschlüssel 3.02. www.blsdb.de.
- Calder P. C., Campoy C., Eilander A., Fleith M., Forsyth S., Larsson P. O., Schelkle B., Lohner S., Szommer A., van de Heijning B. J. M., Mensink R. P. 2019. A systematic review of the effects of increasing arachidonic acid intake on PUFA status, metabolism and health-related outcomes in humans. British Journal of Nutrition (121:11), 1201–1214. doi: 10.1017/S0007114519000692.
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE), Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE). 8. aktualisierte Ausgabe. 2024. Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.
- EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies. 2016. Dietary Reference Values for choline. EFSA Journal (14:8), 1–76.
- Klug A., Barbaresko J., Alexy U., Kühn T., Kroke A., Lotze-Campen H., Nöthlings U., Richter M., Schader C., Schlesinger S., Virmani K., Conrad J., Watzl B. für die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE). 2024. Neubewertung der DGE-Position zu veganer Ernährung. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE). Ernährungs Umschau (71:7), 60–84.
- Koeder C., Perez-Cueto F. J. 2024. Vegan nutrition: a preliminary guide for health professionals. Critical reviews in food science and nutrition (64:3), 670–707.
- Obeid R., Derbyshire E., Schön C. 2022. Association between Maternal Choline, Fetal Brain Development, and Child Neurocognition: Systematic Review and Meta-Analysis of Human Studies. Advances in Nutrition (13:6), 2445–2457. doi: 10.1093/advances/nmac082.
Bildquelle: Michelle Leman/Pexels